Beiträge ZUT Wiener Diözesangesdiidite BEILAQE DES WI ENER DIÖZESANBLATTES Nr. 5 (Mai 1972) 110. Jahrgang Nr.3 Wien,am 1. Mai 1972 13.Jahrgang Inhalt: 13. Milde-Dokument zur Taubstummen-Bildung? — 14. Prof. DDr. Josef Kondrinewitsch (t 1970). Im Dienste der Begegnungen mit den Ostkirchen. — 15. Stiftskirche in Wien VII. (Eine Ergänzung). — 16. Pfarre Lichtsnwörth; Series Parochorum.— 17. Der große Brand in der Pfarre Obermarkersdorf bei Retz. — 18. Hütteldorf. — 19. Probstdorf. — 20. Großweikersdorf. — 21. Guntramsdorf. — 22. Liste der Pfarrer von Ulrichskirchen. — 23. Von der Januarius Kapelle. IS. Milde-Dokument zur TaubstummenHildegard Holtstiege, Mainz Im Jahre 1967 fand ich bei meinen Studien in Wiener Archiven ein von dem Erzbischof V. E. Milde für das Wiener Konsistorium unterzeichnetes Doku ment. Es enthält eine dem Konsistorium von der Re gierung abgeforderte Äußerung zu dem Vorschlag des Katecheten Czech „über die allgemeine und zrweckmäßige Bildung der Taubstummen in der österreichi schen Monarchie". Bei der Erstellung einer Bibliographie der päda gogisch einschlägigen Werke von V. E. Milde^) wurde dieses Dokument nicht berücksichtigt, weil bisher noch keine volle Sicherheit darüber besteht, ob der Inhalt dieses Gutachtens eine Wiedergabe der persönlichen Auffassung Mildes darstellt. Es lassen sich jedoch eine Reihe von Aspekten dafür anführen, daß dieses Doku ment von Milde selbst verfaßt ist und seine eigene Stellungnahme enthält. Diese Gesichtspunkte sollen einmal durch Analyse und Interpretation des Doku mentes (I.), zum anderen durch Herstellung eines Kon textes zu einer'ihm bereits früher abgeforderten Äuße rung in der gleichen Thematik (II.) erbracht werden. Für die Analyse und Interpretation 'des Doku mentes scheint es der intersubjektiven Uberprüfbarkeit wegen notwendig, zunächst seinen Text im Wortlaut voranzustellen: „Rgg. Aeußerung in Betreff des Vorschlages über die allgemeine und zweckmäßige Bildung der Taubstummen in der öster reichischen Monarchie. Das unterfertigte Konsist. überreichet die ihm durch Regg. Dek. vom 27. April 1837 N. 23450 abge forderte ausführliche Aeußerung über den von dem Katecheten des Taubstummen Institutes Czech aller höchsten Ortes überreichten Vorschlag über die allge meine und zweckmäßige Bildung der Taubstummen der österreichischen Monarchie, nachdem dasselbe den Katecheten Czech, wie die h. Landesslelle gewünschet hat, vorläufig einvernommen hat. Der eigentliche Vorschlag des Katecheten Czech, um den es sich handelt, liegt unter dem Titel Denk schrift sub A, seine weitere Aeußerun'g hierüber sub B bey. Letzteres ist eigentlich nichts weiteres als eine weitere ziemlich weitläufige Auseinandersetzung des ersten Vorschlages. Das f. Kons, erkennet 'die Wichtigkeit der Bildung der Taubstummen u. wünschet daß diese Unglücklichen in so ferne sie bildungsfähig sind religiös und bürger lich brauchbar gebildet werden. Das f. Kons,wird auch in Zukunft wie bisher durch Ermunterung und Anleitung der Seelsorger und der 'Schullehrer sein Möglichstes thun, um die Bildung derselben zu befördern. Bey der gepflogenen Erhebung der in der Wiener Diözese befindlichen Taubstummen hat sich gezeigt, daß in allen Dekanaten 101 taubstumme Kinder unter 12 Jahren vorhanden sind welche daher die Jahre der Bildungsfähigkeit noch nicht überschritten haben. Wenn man von diesen die Kinder unter 5 Jahren, welche noch nicht hildungsfähig sind, ferner diejenigen, welche eigentlich blödsinn'ig sind, abziehst, so dürften beiläufig 50 bis 60 Taubstumme in der Erzdiözese vor handen seyn um deren Bildung es sich handelt. Dieses vorausgeschickt will das f. Kons, die einzel nen Antraege des Katecheten Czech durchgehen und beleuchten wodurch sich ergeben wird ob und in wie fern dieselben zweckmäßig und durchführbar sind. Der Katechet Czech trägt an, daß an allen Universi täten an allen theologischen Lehranstalten an allen Präparandenschulen Professoren für den Taubstum men Unterricht angestellet werden sollen. Nach diesem Antrag würden in der Wiener Diözese wenigstens sieben solche Professuren errichtet werden müssen, nämlich an den theologischen Lehranstalten zu Krems u. Heiligenkreuz u. Klosterneuburg. Ferner an den Präparandenschulen zu Wien, W. Neustadt, Korneu burg u. Klostemeuburg. Wenn man bedenket, daß nur 60 bildungsfähige Taubstumme vorhanden sind so stellet sich die Zahl der zu errichtenden Lehrkanzeln in einem grellen Widerspruch dar und da diese Pro fessoren doch wenigstens eine angemessene Remune ration erhalten müßten so dürften die Kosten nicht un bedeutend seyn. Czech sagt zwar daß er die Professur an der Wiener Universität unentgeltlich versehen wolle, allein das f. Kons, muß bemerken, daß dadurch die Kosten nicht für immer ersparet würden und daß der gleichen unentgeltliche Dienstleistungen oft später sehr hoch zu stehen kommen. In Wien stellet sich die Er richtung einer solchen Professur an der Universität als ganz überflüssig und zweckwidrig dar, denn an dem hiesigen Taubstummen InstitTut kann jeder Theo log und Lehrer der es wünschetsich die nöthigen Kennt nisse erwerben, weil es Jedem frey stehet, dem dort bisher gegebenen Unterricht beizuwohnen; viele Theo logen haben sich wirklich bisher dort gebildet und werden sich auch in Zukunft bilden; wozu soll man daher eine Professur an 'der Universität errichten. Wenn man ferner zu Heiligenkreuz, Klostemeuburg etc. solche Professuren errichten will, so müßte man auch dafür sorgen, daß taubstumme Kinder dort sind, weil sonst kein praktischer Unterricht möglich ist. Der Staat müßte daher taubstumme Kinder dort hinbrin gen und dort verpflegen lassen. 2. Alle Theologen des 4. Jahres und alle Lehramts Kandidaten sollen verpflichtet und gezwungen werden den Vorlesungen über Taubstummen Unterricht beyzuwöhnen. Dieser Vorschlag stehet in einem grellen Widerspruch mit der früheren Aeußerung des Kate cheten Czech, daß es sich um den Absatz seines Bilder buches handelt. Auf der 10. Seite seiner sub A bel17
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