Stellen zu besetzen. Nach Firmians Ansicht könne näm lich ein Lokalprovisor nur von einer solchen Pfarre genommen werden, die einen zweiten Gottesdienst hätte und diesen entbehren könnte. Bei der allgemei nen Klage über den Priestermangel wird dieses Projekt aber nur mit Schwierigkeiten durchzuführen gewesen sein^'). 1828 schlägt der Erzbischof dem Kaiser die Ein führung sog. „Supernumeräre" vor^®), die eine Art geistliche Reserve wären und auch im Krankheitsfalle eingesetzt werden könnten. Wie notwendig eine solche Einrichtung gewesen sein mag, sieht man daraus, daß in den Berichten viele Pfarrer — wenn nicht über haupt schon als Defizienten angesprochen werden — infolge Krankheit als „bettliegerig" bezeichnet werden. Eine Aushilfe von der Nachbarpfarre aus wird aber nur in wenigen Fällen möglich gewesen sein, da ja viele Seelsorgstationen weit auseinanderlagen. Der Ordensklerus: Uber den Ordensklerus kann Firmian kein einheit liches Urteil abgeben. Nur wenige Orden sind es, deren Niederlassungen in der Wiener Erzdiözese nicht Anlaß zu einer Klage bieten. Dazu gehören die Redemptoristen, Serviten, Franziskaner, Kapuziner, die Barm herzigen Brüder und die Frauenorden^®). Bei allen anderen herrschen mehr oder weniger starke Miß stände, deren Beseitigung oft nicht sofort durchgesetzt werden kann. Die schlechteste Zensur erhalten dabei die Piaristen in Wien. Bei ihnen hat die Aufklärung wohl am längsten nachgewirkt, denn Firmian muß sei nem Kaiser berichten, daß bei der Tischlesung „die Verordnungen in publico-ecclesiasticis, die Hl. Schrift und bisweilen auch die Ordensregel" verwendet wer den")! Allgemein läßt sich noch feststellen, daß die Armut und die Klausur meist beachtet werden, und das Chorgebet — soweit möglich — ordentlich gehalten wird. Sehr ausführlich beschäftigt sich Firmian mit den Ordensoberen und den Offizialen. Bei ihnen wird gleichermaßen Wert gelegt auf religiöse Eigenschaften und die Fähigkeit, Vorsteher zu sein, wie auch auf die wirtschaftliche Tüchtigkeit. Bei den Klostervisitationen mußte dem Erzbischof gleich bei seinem Erscheinen vom Abt eine Liste vorgelegt werden, die nicht nur einen kompletten Personalstand enthielt, sondern auch ein „Ausweis über den Vermögensstand des Stiftes" war. Der Beachtung der Ordensregel wird ebenfalls großes Augenmerk geschenkt. Auffallend sind dabei immer wieder die Mahnungen, die im Zusammenhang mit den Kleidungsvorschriften ausgesprochen werden. Offenbar haben es viele Kleriker bequem gefunden, außerhalb ihres Klosters in Zivil zu gehen. Dieser Vor wurf traf zumeist jüngere Stiftsangehörige®'). Auch sollte „auf öffentlichen Spaziergängen das Tabak rauchen" eingeschränkt werden. Vielleicht ahnte Firmian, daß mit dem Aufgeben von solchen äußeren Vorschriften auch bald eine Aufweichung des ganzen Ordensgeistes in Erscheinung treten könnte. Dem Kaiser freilich konnte Firmian all dies nur „allerunterthänigst zur allerhöchsten Kenntnisnahme" bringen, den betroffenen Stiftsvorstehern wird hingegen mit großer Deutlichkeit gesagt, was sie zu tun hätten, um diese Mißstände abzustellen: So berichtet Firmian 1829 über das Zisterzienser stift Heiligenkreuz®®), daß alle soeben angeführten Ab weichungen von der Ordensregel früher Anlaß zu einer Klage gegeben hätten, heute habe es der Prälat ver boten. — Wie es jedoch zu einem solchen Verbot durch den Prälaten gekommen war, demonstriert ein Schrei ben®®) vom eb. Konsistorium an Abt F. Seidemann von Heiligenkreuz®'), das vom 28. 5. 1827 datiert ist. Es beginnt ohne jede Anrede mit den Worten: „Mit Miß fallen habe ich... mich selbst überzeugt,.. Auch sonst ist das ganze Schreiben in einem scharfen Ton gehalten, Firmian „verordnet" und „fordert". Zum Schluß wird der Abt beauftragt, diese bischöfliche Ver ordnung dem Konvent bekanntzumachen, und er selbst bleibt nach Firmians Worten für die genaue Durch führung verantwortlich. Das Schreiben schließt ohne jedes Grußwort oder einen sonstigen Abschluß®®). Was den Personalstand und den Nachwuchs be trifft, so zeigen die einzelnen Orden ein imterschiedliches Bild. Nicht immer aber ist der gerne als Ursache herangezogene „Zeitgeist" die Quelle für ungenügenden Nachvimchs. Den Serviten in der Rossau®®) z. B. erlaubt ihre geringe Dotation keinen größeren Stand an Kleri kern. Bei den Minoriten in der Alservorstadt®^, die überhaupt nicht gut beurteilt werden, wird als Grund für den unzureichenden Nachwuchs angeführt, daß von den ohnehin wenigen eintretenden Novizen manche das Kloster wieder verlassen, weil sie „nur aus Noth und nicht aus Beruf eintraten". Hingegen zeigen die Franziskaner®®), Kapuziner®®), Karmeliter®®) und die Barmherzigen Brüder®') eine durchaus zufriedenstel lende Zahl an jungen Klerikern und Novizen. Be achtenswert ist auch das Dominikanerkloster in Wien®®), dessen Personalstand als „Spiegelbild der Zeitentwicklung"®®) gelten kann, da der Konvent neben sehr alten Brüdern nur wenige junge beherbergt, Mönche „von mittlerem Alter" fehlen völlig. Daher ist auch der Geist des Ordens „halb erstorben", woran jedoch auch Firmian nichts ändern kann und diesen Orden mit einer leichten Resignation beschreibt. Bei den Frauenorden gibt der Erzbischof sogar genaue Zahlenangaben®'), wobei auffällt, daß einer großen Zahl von Schwestern nur wenige Novizinnen gegen überstehen. Das Volk: Gemäß dem letzten Punkt der kaiserlichen Ver ordnung®®) hatten sich die Bischöfe auch um die „Denkart, Religiosität und Moralität" des Volkes in Stadt und Land zu kümmern. Firmian kommt dieser Anordnung nach und berichtet seinem Kaiser über die Zustände in der Bevölkerung, freilich nicht mit der gleichen Ausführlichkeit, wie er es beim Klerus getan hatte. Für die Armut, die weite Kreise erfaßt hatte, führt er noch die Folgen des „letzten Krieges"®®) an und kritisiert dabei die Veruntreuungen rmd Betrüge reien besonders derer, die „von der Hand in den Mund" leben müssen. Diese Personen sind es auch, die durch ihr allgemeines schlechtes Beispiel einen unguten Ein fluß auf die übrige Bevölkenmg ausüben. Die „all gemeine Theuerung" sei eine weitere Ursache dieses Problemes. Mehr Sorgen jedoch bereiten dem Erzbischof die vielen unehelichen Kinder, die sog. „Findelkinder", deren es in manchen Orten bis zu 40 gäbe®^. Was aber sollte der Erzbischof dagegen unternehmen 13
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