Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

blieben. Auf dem halben Weg traf man eine Reiter gruppe von Gardisten, die unter der Führung eines großen Kommandanten vom kaiserlichen Palast zu rückkam. Er befahl seinen Soldaten stehenzubleiben, um das Allerheiligste zu ehren. Als Antwort auf diese Ehrenbezeigung segnete der Erzbischof®) mit der Mon stranz die Truppe, die, nachdem die Prozession weg gewesen war, den Weg zu ihrem Palast, der neben unserem Kloster ist, fortsetzte." Nach der Prozession zelebrierte um 7.45 Uhr der Superior P. Aristaces Azarian®), der später General abt und Erzbischof wurde, das armenische Hochamt. Der König und sein Gefolge wie auch andere Persön lichkeiten wohnten der feierlichen Messe bei. Vor der Lesung des Evangeliums ließ man dem König dieses^ küssen. Er, wie die Ordenschronik wörtlich angibt,„hat die Ordnung der Zeremonien und die prachtvolle, er hebende Prozession sehr gelobt" und hat sich lange mit dem Generalabt und unseren Priestern unterhal ten. In dieser fröhlichen, freundlichen Atmosphäre ver abschiedeten sich der König imd andere Adelige von den Hausbewohnern. „Und das Volk", schreibt der Chronist als Schluß wort dieser Beschreibung der heutigen Zeremonien, „stand als Zusdiauer da, ganz verwundert über die Dinge, die an diesem Sonnabend geschahen. Diese Menschen haben bis jetzt noch nicht solche Feierlich keiten erlebt, die zum Lobpreis Gottes, zur Ehre der heiligen Jungfrau Maria... vollgebracht wurden." Anm.: ^) Archiv der PP. Mechitharisten, Chronik kasten I, handschriftliche Chronik 1823. — ®) Ferdi nand I. Kg. V. beiden Sizilien, geb. 12. 1. 1751, gest. 4. 1. 1825, Rgszeit 1816—1825. (Isenburg, Bd. II, Tafel 119). — ®) Karolina Maria, geb. 12. 8. 1752, gest. 18. 9. 1814, Tochter d. Kaisers Franz I., 1768 wurde sie mit Ferdinand IV., König v. Neapel und Sizilien, ver mählt(Wurzbach, Bd. VI, S. 398). — "•) Antonius Victor, Erzh. V. Österreich, geb. Florenz 31. 8. 1779, gest. Wien 2. 4. 1835. Seit 1804 Hociimeister d. Dt. Ritterordens. 1816. 28 Vzkg. d. Lombardo-Venezianischen Königrei ches. Ehrenmitglied d. W. Akad. d. Bild. Künste (öst. Biographisches Lexikon,Bd. I, S. 25). — ®) Babik Adeodatus, geb. Neudjulf (Isfahan), 1738, gest. Wien 18. 4. 1825. Erzb. v. Etschmiadzin und erster Generalabt der Mechitharisten in Wien. Übersiedelte 1775 mit einem Teil der Kongregation von Venedig nach Triest und 1810 nach Wien mit Erlaubnis K. Franz I. in das leer stehende Kapuzinerkloster (Aao. 40). — ®) Azarian Aristarch, geb. Konstantinopel 28. 7. 1782, gest. Wien 6. 5. 1855. 1803 Priesterweihe. 1810 flüchtete er nach Wien. 1825 Generalabt, 1826 Erzb. v. Cäsaria (Aao.39). 9. Auffallende Schlcksalsgemelnschaft zweier Notkirchen Dr.Franz Loidl Als nach dem Tod des heiligmäßigen Weihbischofs und Generalvikars Dr. Johann Baptist Schneider') des sen Studienkollege und Freund Weihbischof Dr. Godfried Marschall®) auch zum Generalvikar der Wiener Erzdiözese ernannt wurde®), war eine seiner vornehm sten Sorgen die Abhilfe der schreienden Wiener Kir chennot. Er regte deshalb schon vorher bei der XII.Ge neralversammlung des Allgemeinen Wiener Kirchen bau-Vereins am 15. Jänner 1905 die Erbauung von Not kirchen an'). Daraufhin bildete sich ein Baukomitee zur Erbauung von zwei Notkirchen, zunächst in den beiden volkreichen Arbeiterbezirken: in Neu margaretben (Wien XII, damals V) und in Zwischen brücken (Wien XX), mit dem Pastoralprofesor Dok tor Heinrich Swoboda als Obmann an der Spitze. Die sem standen zur Seite in Zwischenbrücken Gemeinde rat Architekt Hans Schneider, Bezirksvorsteher Lorenz Müller und Pfarrer Ferdinand Just von St. Brigitta (Wien XX.). Schon am 1. Februar d. J. erschien ein von allen Komiteemitgliedern unterzeichneter Aufruf in den christlichen Zeitungen, am 5. Juni d. J. versandte Weihbischof Marschall bzw. das eb. Ordinariat ein Flugblatt mit dem Titel: „Die Wiener Kirchenbaufrage und die geplanten Notkirchen", worin die beiden künf tigen Gotteshäuser im Bild und Grundriß dargestellt waren, an alle Pfarrämter Niederösterreichs (und wahrscheinlich auch darüber hinaus), worin um „Ga ben für die Notkirchen dringlichst" gebeten wurde. Beide Notkirchen, richtige Schwesterkirchen, hat ten merkwürdig Gemeinsames in ihrem weiteren Schicksal. Für beide wurde der Grundstein am 3. August 1905 gelegt; die in Neumargarethen wurde benediziert am 18. November d. J., die in Zwischenbrücken am 26. No vember d. J. Benediktion und erste hl. Messe wurden von Weihbischof Marschall „im Beisein des Kaisers Franz Joseph, mehrerer Mitglieder des Allerhöchsten Hofes, der Spitzen der staatlichen wie kommunalen Behörden und unter großer Beteiligung der Bevölke rung" aus dem jeweiligen Bezirk zelebriert. Beide Pfarren: „Allerheiligen" in Zwischenbrücken und „Unbefleckte Empfängnis Mariä" in Neumargarethen, wurden am 23. Dezember 1905 von Kardinal Erzbischof Gruscha errichtet®), am 28. Dezember d. J. wurden die beiden Pfarrer von Weihbischof Marschall kanonisch investiert. Beide Pfarrvorsteher hielten an diesem Tag ihren Einzug in ihre Pfarre, beide begannen am 1. Jänner 1906 mit der geordneten pfarrlichen Seel sorge. Pfarrer in Zwischenbrücken wurde Franz Schmid, bisher Pfarrer in Raggendorf, NÖ.®); Pfarrer in Neumargarethen wurde Johann Stadler, bisher Pfarrer in Grünbach am Schneeberg^. Beide bekamen je zwei Kooperatoren zugeteilt: in Zwisckenbrücken Hugo Konecny und Wenzel Steffi, in Neumargarethen Raimund Jungbauer und Heinrich Hinner®). Die Notkirche in Zwischenbrücken wurde nach dem Plan des Architekten und Gemeinderates Hans Schneider erbaut (mit einem Turm an der linken Ecke), die in Neumargarethen nach dem Plan des Architekten und k.k. Baurates Richard Jordan (mit einem Turm an der rechten Ecke). Beide Kirchen waren im Basilikastil ausgeführt. Beide Gotteshäuser wurden im selben Monat und Jahr durch Bomben vollständig zerstört: zuerst die in Zwischenbrücken am 7. Februar 1945, dann die andere am 15. Februar d. J.®). Beide wurden wieder, aber nun als eigentliche Pfarrkirchen aufgebaut'"), und dies wieder abseits von ihrem alten Platz. Nachweis: Gedenkbuch der Pfarre Zwischenbrükken (Angefangen i. J. 1906); Nachrichten der Pfarr gemeinde Zwischenbrücken, Wien 1933/1937 (I.-V.-Jg.). Anm.: ') Franz Loidl, Weihbischof Dr. Johann Schneider (1840—1905), Wien 1951. — ®) Hans Kutschera, Weihbischof Dr. Godfried Marschall, maschingeschr. phil. Diss., Wien 1957. — ®) Wiener Diözesanblatt 1905 (Nr. 5), 49. — *) WDBl. 1905 (Nr. 12), 135/ 137. — ®) Beide 23. XII. 1905; beide Errichtungsurkun den, WDBl. 1906 (Nr. 1), 7f., 8f. ~ ®) WDBl. 1906 11

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