Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Hauptstücke der kath. Weltanschauung im Lichte vergleii^ender Religionsgeschichte. Dr. Leopold Walk. 1932, 204 S. — Für die 5. u. 6. Klasse: Geschichte der Kirche. I. Altertum u. Mittelalter. Lese- u. Arbeitsbuch. Dr. Ernst Tomek, -1935, 141 S. + 12 Abb. — Für die 7. u. 8. Klasse: Geschichte der Kirche II. Neuzeit. Derselbe. 1936, 167 S. + 14 Abb. (Zus. I, II, III, IV/1, IV/2, V). 6. Aus den Visitationsberichten des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Firmian (1822—1831) Ein Bericht vom Jahre 1823: Wie bereits erwähnt, hatte sich Fürsterzbisdiof Firmian zur ersten Visitation drei Dekanate im nörd lichen niederösterreichischen Teil der Diözese aus gewählt. Er besuchte sie im Frühjahr 1823, da er — wie er selbst (als Entschuldigung?) angibt — durch seine „feyerliche Intx-oduction" verhindert war, diese Reise noch im selben Jahr (1822) durchzuführen-"). Der Bericht, den der Erzbischof am 22. 1. 1824 über die erfolgte Visitation an seinen Kaiser absandte, be tont zunächst die positiven Seiten der Besuche, und fast nur nebenbei wird erwähnt, daß es auch „Mißhclligkeiten" gab"'). Besonders das Schulwesen lag in Firmians Interesse: Er lobt den guten Zustand der Schulen, den Eifer der Kinder, die guten Lehrer und findet das große Interesse, das die Eltern den Prüfun gen der Kinder entgegenbringen, bemerkenswert"). Von den Priestern wird besonders ein Pfarrer Wiltgatz belobigt. Die öffentliche Sittlichkeit wird im all gemeinen als „sehr gut" bezeichnet, nur einige „Kleinhäusler", die sich als Gelegenheitsarbeiter ihren Lebensunterhalt verdienen, geben mit ihren Ver untreuungen und „Betriegereyen" ein schlechtes Bei spiel. Besonders in dem Umstand, daß diese Leute oft gar nicht in „gesetzlicher Ehe" leben, sieht Firmian eine schwere Gefährdung der Landjugend und klagt, daß sich die Beamten um viele andere Dinge kümmern, nur nicht um die öffentliche Sittlichkeit, die ihnen als „das letzte" erscheint. Hatte sich der Erzbischof bei den Belangen des Schulwesens günstig äußern können, so muß er nun doch auf den schlediten Zustand hinweisen, in dem sich Kirchengebäude und Pfarrhöfe befinden. In vielen Orten seien die Objekte baufällig, die Pfarrhöfe meist „ohne sonderliche Bequemlichkeit". Ursache dafür scheinen ihm die hohen Reparaturkosten zu sein, vor deren Ausgabe man sidi scheue. Auch notwendige Aus besserungen würden oft nicht durchgeführt. In diesem Zusammenhang ist eine Bemerkung Firmians von Interesse, die er etwas später"") in seinen Bericht schreibt: „Von Seelsorgern haben den größten Einfluß, die mit ihren guten Eigenschaften einen Grad von Wohlstand verbinden". In einem Gesuch") wandten sich die Vertreter der Gemeinde Schrattenberg, einem Dorfe in der Nähe von Peldsberg"), an den Fürsterzbischof mit der Bitte, sich ihrer desolaten Kirche anzunehmen. Firmian ver traut dieses Gebäude der besonderen Gunst des Kaisers an und schildert dazu den erbärmlichen Zustand des Baues: Abgesehen davon, daß die Kirche viel zu klein sei (Fassungsraum etwa 400—500 Personen bei rund 1800 Gläubigen), sei sie derart tief im Boden ein gesunken, daß bei starkem Regen das Wasser bis zu den Altarstufen rinnt. Das Inventar leide dementsprediend darunter, alles verfaule und vermorsche, und wegen der schlechten und feuchten Luft seien Ohnmachtsanfälle der Kirchgänger etwas „alltägliches"(!). Außerdem sei die Pfarre arg verschuldet, der Pfarrer selbst fast erblindet und auch Feuers brünste haben mehrmals das Ihrige zu dieser Situation beigetragen. — Nach diesen drastischen Ausführungen weist Firmian vorsichtig auf Kaiser Joseph II. hin, der „einst 9000 fl." zur Verfügung gestellt hätte, die aber noch immer nicht ausbezahlt seien"). Die Ge meinde hoffte nun „35 Jahre lang" vergeblich auf eine neue Kirche. Daher bittet man um eine außerordent liche Unterstützung von selten des Kaisers. Die Gefahr des Protestantismus: Bei der Besprechung der Dekanate Pottenstein und Wr. Neustadt-'') kommt Fiimian auf das Problem der Fabriken und deren Auswirkungen auf die Sitten der Bevölkerung zu sprechen. Es wirke sich auf die „öffent liche Sittlidikeit sehr nachtheilig" aus, daß in den Fabriken sdion Kinder ab dem 7. oder 8. Lebensjahr tätig seien. Die Eltern stehen dieser Kinderarbeit z. T. sogar positiv gegenüber, da sie. sich durch die Er werbstätigkeit ihrer Kinder eine Unterstützung in finanzieller Hinsicht erwarten. Auch die große Freiheit sei ein Anziehungspunkt, da sich in den Fabriken kaum jemand um die Jugend kümmere. Leider führte dies zu einem „freysinnigen Wandel" unter der Jugend, der sich denkbar ungünstig auswirkte. Von großem Nachteil sei auch der Umstand, daß die Fabriken sehr viele ausländische „Akatholiken" (= Protestanten) ent halten. Das wäre nicht so arg, wenn nicht gerade sol chen Personen leitende Stellen übertragen worden wären. Meist sind es hochgestellte „Classen", also Werkführer, Aufseher, Direktoren, die pr-otestantisch gesinnt sind. Es komme sogar vor, daß die Fabriks besitzer selbst Anhänger dieser Religion seien. Aus Neunkirchen") wird berichtet, daß ein Direktor einer Fabrik auf eigene Kosten (!) einen Superintendenten aus Wien kommen lasse, um in feierlicher Weise das Abendmahl halten lassen zu können. „Zum Glücke sind die Akatholiken auf ihre Confession nicht gar eifersüchtig.'-^®)" Diese laue Einstellung der Anders gläubigen wird wohl das Ihrige dazu beigetragen haben, daß es die Katholiken mit ihrer Religion auch nicht mehr so genau nahmen, denn Firmian klagt über den allgemeinen Schwund des „religiösen Eyfers". Es wäre besser — meint er abschließend — wenn man statt ausländischen Akatholiken inländische katholische Arbeiter in die Fabriken aufnehmen könnte, aber das diesbezügliche Gesetz wird der ahst. Gnade des Kaisers anheimgestellt. „Einheimische Unterthanen dafür gäbe es jedenfalls genug""). Eine viel größere Gefahr der „Verführung zum Akatholicismus" als einzelne Persönlichkeiten, auch wenn diese größeren Einfluß auf ihre Umgebung aus übten, war eine kleine dörfliche Ansiedlung im Naßwald^'). Dort hatte der „Holzschwemmeister Huebner" seit einigen Jahren für seine Holzknechte eine Siedlung angelegt. Auch eine eigene Schule war entstanden, und zur Zeit, als Firmian diesen Bericht verfaßt, „wird ein

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