Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Beiträge Diözesangesdiidite BE ILAQE DES WIENER DIÖZESANBLATTES Nt. 11 (November 1970) 108. Jahrgang Nr.6 Wien,am 1. November 1970 11.Jahrgang Inhalt: 30. Pfarrer Joseph Kühschelm,Bauernseelsorger und Abgeordneter(t 1908). — 31. Von den im II. Welt krieg gefallenen Weltpriestern der Wiener Erzdiözese. — 32. Maximilian Kollweg (t 1824) und seine umstrittene Predigt (Schluß). — 33. Der katholische Widerstandskämpfer Propst Bernhard Lichten berg aus Berlin in Wien.— 34. Dissertationen und Lehramtsarbeiten mit Themen zur Wiener Diözesangeschichte (1961/1970). — 35. Reihenfolge der zu Wr. Neudorf angestellten Pfarrvorsteher. 30. Pfarrer Joseph Kühschelm, Bauern seelsorger und Abgeordneter (t 1908) Dr. Franz Loidl Aus dem Bauernstand erwuchsen einst der Kirche zahlreiche Welt- und Ordenspriester, die als Pfarrer zu den verständigsten und daher geeignetsten und er folgreichsten Bauemvertretern und Bauernführem wurden. Bildung und Einsatzbereitschaft brachten ihnen das Vertrauen beim einfachen Landvolk ein und ließen sie zu echten Volkspriestern werden, wie dies auch Kühschelm in der führenden Priesterzeitschrift bestätigt wurde: „...aus dem Volke hervorgegangen, und wiewohl ihm andere Wege offen gestanden wären, kehrte er mit all seinem Wissen und Können und mit seiner Liebe wieder zum Volke zurück, um sich ganz in den Dienst des Volkes zu stellen, es emporzuheben, zu fördern und zu führen. Er war ein Volksmann in des Wortes vollster Bedeutung; seinen Hilfspriestem (Kooperator Köstler, später Pfarrer von Schöngrabern, t 1958, Kooperator Ettl, Rektor des Knabenseminars Hollabrunn, dann Pfarrer von Straning, t 1952) ein wahrhaft väterlicher Freund"i). Als Sohn des Kleinhäuslers Ferdinand K. und der Elisabeth geb. Schilling zu Ulrichskirchen 79 (Nö.) am 27. Juli 1855 (dem Konkordatsjahr) geboren und noch am selben Tag getauft^), „drängte es nach der ein fachen Dorfschule den außerordentlich begabten Knaben aus dem engen Kreis des Dorflebens hinaus und führte ihn zum Studium''^), das er — von 1868 bis 1873 als Zögling des f. e. Knabenseminars in Wien (ob der Laimgrube, Wien VI) — 1874 am Piaristengymnasium in der Josefstadt (Wien VIII) mit ausge zeichneter Matura abschloßt). Nach der Priesterweihe am 25. Juli 1878 im Stephansdom wirkte er drei Jahre hindurch in der alten Bauernpfarre Hausleithen, 1881 berief ihn das oberhirtliche Vertrauen als Studienpräfekten an das Knabenseminar zu (Ober-)Hollabrunn5). Am 13. Mai 1886 wurde Kühschelm auf die Pfarre Guntersdorf kanonisch investierte), allerdings mit der oberhirtlichen Weisung, bis zum Schulschluß Studienpräfekt zu bleiben. Er benützte die zwei Monate u. a., eine eigene Pfarrkanzlei einzurichten, „weil er sie zur Unterbringung der Archivkästen und der Kirchenlade für notwendig hielt"^). Am 17. Juli hielt er seinen Ein zug, wobei ihn der Patronatsherr Baron Leopold Frei herr V. Ludwigstorff „mittelst seiner Equipage auf dem Bahnhof erwartete und von da in den Markt führte", wo sich die vom Chronisten genau geschilderte Begrü ßung in der damals üblichen Form abspielte^). Am 25. d. M.folgte die Installierung durch den zuständigen Dechanten; und damit begann seine echte, bewundernsund nachahmenswerte Hirtentreue, die fast 22 Jahre währen und nur durch den Tod beendet werden sollte. Seit 1900 leitete er sodann provisorisch, seit 1901 definitiv das Dekanat Sitzendorff), das 28 Pfarren um faßte, und war seinen Mitbrüdern aus dem Welt- und Ordensstand ein aufrechter Vorgesetzter und väter licher Helfer und geselliger Freundio). Um gleich bei diesem schönen, menschlichen Zug zu bleiben: „Froher Unterhaltung nicht abgeneigt, sammelte er jede Woche um sich einen großen Kreis von Geistlichen, Lehrern, Beamten, Professoren (aus Hollabrunn) imd Studenten zu einem gemütlichen Kegelspiel. Im ganzen Bezirk übte die ,Donnerstagspartie' bei Dechanten K. eine große Anziehungskraft!1) aus". Sein korrekt geführtes und sachlich abgefaßtes PfaiTgedenkbuchiS) bietet Jahr für Jahr einen guten Einblick in seine eifrige imd bunte pfarrliche und wirt schaftliche Tätigkeit. Sogleich nach den dringlichen Reparaturen im Pfarrhof und der Ausgestaltung des Pfarrgartens, also der verpflichtenden Sorge um die Erhaltung und Besserung der Pfarrpfründe, begann er „in dem Bewußtsein, daß der Glaube das notwendigste soziale Gut ist, daß nur der gläubige Sinn und die Ewigkeitsgedanken dem Volke den rechten Halt geben, als Pfarrer seine Pfarrkinder im Glauben und im reli giösen Leben zu festigen"i3). Als Voraussetzung dafür galt ihm das beharrliche Mühen um die Renovierung und Ausgestaltung des Gotteshauses, das er 1888 ausmalen, dessen Turm er 1891 umbauen ließ. Ein neuer Kreuzweg in der Manier des noch nachwirkenden Malers Josef v. Führich (t 1876 zu Wien) wurde errichtet, von anderen Anschaffungen nicht zu sprechen. Der religiösen Erneuerung sollte die 1893 wohlvorbereitete Volksmission durch die PP. Redemptoristen und die anschließende Renovation gelten, deren seelsorglicher Erfolg so recht durch die Erriditung der Herz-Jesu-Bruderschaft i. J. 1893 offenbar wurde, da sich sogleich etwa 700 Mitglieder einschrei41

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=