Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

wir doch im Einverständnis mit unserm Pfarrer Franz Leibrecht, dessen „besonderer Schützling" der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Ministrant und Student Hilgart gewesen war, einen für unsere vita communis geeigneten Mitbruder. Leibrecht hatte ihm einst als Kooperator in der Pfarre Reindorf (1916 bis 1928)^) einige Wohltäter verschafft, die ihm das Stu dium ermöglichen halfen. Hilgart war ein gewissenhafter Mitbruder, ein schlichter, eifriger, hilfsbereiter Seelsorger, den es vor allem zu den einfachen Leuten hinzog und der sich vornehmlich in der Kinderseelsorge, als Reichsbund präses und Arbeiterseelsorger im Arbeiterheim in der GöUner- und Dietrichgasse (Wien—^Erdberg)-) be währte. An jenem für viele Welt- und Ordenspriester durch die Einziehung zur Deutschen Wehrmacht zum Schicksalstag gewordenen 15. Juni 1940 mußte er in der Rossauer-Kaserne (Wien IX) die harte und oft sehr demütigende Ausbildung durchmachen und zog dann als Sanitätsgefreiter unmittelbar vor Auabruch des Krieges mit Rußland 1941 ins Feld. Schon einen Monat nach Kriegsbeginn (der am 21. Juni 1941 ein getreten war) sollte er am 21. Juli d. J. als erster seiner Kompanie sein junges, hoffnungsvolles Leben lassen; und dies ausgerechnet ziwei Tage vor dem achten Gedächtnistag seiner Priesterweihe. Daß sich der fromme Priester die Tage vorher in der völlig un gewohnten Umwelt und dazu im gefahrenumwitterten Feindesland ernsthaftest mitiGedanken darüber befaßte, darf bei seiner dem Verfasser bekannten echt priester lichen Gesinnung als gewiß angenommen werden. H. i. P. Folgen wir nun den[Meldungen: Mit Datum v. 2. August 1941 verständigte das eb. Ordinariat das Pfarramt St. Othmar: „Wie bereits fernmündlich mitgeteilt wurde, er hielt das eb. O. nachstehende Mitteilung, die uns alle tief berührt. Dieses braven und eifrigen Priesters wol len wir im hl. Meßopfer und Gebet eingedenk bleiben. Zur Aufbewahrung im Pfarrarchiv erhält das hochw. Pfarramt die Abschrift des eben anher gelangten Schreibens": „San.-Gefreiter Nikolaus (Hubert) v. Tschida, Feldpostnummer 21999 D, Ostfront, 22. 7. 1941. Dem hochw. Eb. O. teile ich mit, daß der San.- Gefreite K. H. in Wien (angeblich HL Bezirk) am 21. 7. in Rußland gefallen ist. Meine Mitteilung ge schieht nicht dienstlich. Da wir beide beim selben Regiment dienten, hatten wir oft Gelegenheit zusammenzukommen. Von den Kameraden seiner Kompanie habe ich heute früh erfahren, daß er gestern Nachmittag um 14.30 Uhr gefallen und um 17.45 auf dem Friedhof in einer in der Nähe gelegenen Ortschaft begraben worden ist. Diese Mitteilung er laubte ich mir aus dem Grunde zu machen, da, so ich glaube, nur die Eltern des Gefallenen von seiner Kompanie direikt verständigt wurden. Nähere Auskunft über Ort und andere Umstände ist mir noch nicht erlaubt zu geben. H. hatte nicht mehr Gelegenheit, die Sterbesakramente zu empfangen, da der Tod nach kur zer Zeit eintrat. Jedenfalls hatte er vorher Gelegen heit, mit dem Kriegspfarrer zu sprechen. Bitte um baldige Antwort, ob mein Brief angekommen ist, und bitte, wenn möglich, um die Anschrift seiner Eltern,- die ich im Falle eines Urlaubs aufsuchen möchte. Ver bleibe mit ... in Xo. ergebener Nikolaus (Hubert) V. Tschida, Priester O. Präm. Stift Geras. Bitte viel leicht auch Priesterseminar und Pfarramt, wenn nötig, verständigen zu wollen. Da bei ims Briefpapier man gelt, ist mir nur das Wichtigste möglich." Mit 8. August d. J. wandte sich das eb. O. neuer-. dings an das Pfarramt St. Othmar: Der hochw. H.Kaplan Johann SchrefeP), Feldpost nummer 11636, schreibt am 25. 7. 1. J.: „Eben erhalte ich von offizieller Seite die Mittei lung, daß H. am 21. d. M. gefallen ist. Auf dem Vor-, marsch erschienen russische Flugzeuge, warfen Bom ben ab und schössen aus Maschinengewehren. H. selbst wurde von einem Maschinengewehrgeschoß getroffen. Es war dies bei Werlock, östlich der Stadt Shitomir (Ukraine). Dortselbst wurde er auch beerdigt. Nähere Angaben fehlen auch mir noch zur Zeit. Leider bin ich selbst zu weit wieder davon entfernt, um ein Foto von seinem Grab zu machen"*). Werde mich jedoch be mühen, noch mehrere Einzelheiten zu erfahren." Die Trauerparte der Pfarre kündigte mit dem auch für alle anderen Kriegsopfer passenden Motto der Pfarrgemeinde den tragischen Verlust an. „Niemand hat eine größere Liebe, als wer sein Le ben einsetzt für seine Freunde (Aus den Abschieds reden Jesu. Job. 15. 13).Unser lieber Mitbruder fand am 21. 7. 1941 an der russischen Front in treuer Ausübung seines Dienstes den Heldentod. Seine irdische Hülle ruht im Feld. Der Verewigte war (erst) 34 Jahre alt und hat sich in seinem achtjährigen Priesterwirken die Liebe und Wertschätzung seiner Mitbrüder und der Gläubigen erworben. — Wir bitten Priester und Gläu bige um ein Gedenken im Gebet und Opfer. — Das feierliche Seelenamt findet am Sonntag, dem 10. August statt. — Wien, 4. August, Pfarrer und Kapläne der Pfarre St. Othmar". — Totenbildchen. Personalstand der Wiener Erzdiözese, 1933/1946; WDBl.1941 (79), Nr. 15, 61; Chronik der Pfarre St. Oth mar Bd. 1935, 63; Groer Hans, Hundert Jahre Knaben seminar der Erzd. Wien,-Hollabrunn, 1956, 167; J. Fried, Nationalsozialismus und kath. Kirche in Osterreich, Wien, 1947, 240. — V. Flieder-Fr. Loidl, Stephansdom, Zerstörung und Wiederaufbau, Wien 1967, 132. Anmerkungen: '*■) Loidl, Franz, Die Pfarre St. Oth mar „unter den Weißgärbern" und ihre Geschichte, Wien, 1936, 60 (mit Bild, 64 a). — Sh. dazu: Christ lich-pädagogische Blätter (Wien) 1907, 123 f. — ®) War Hilgerts Studien- und WeihekoUege. — ^) Verfasser konnte einige Photos von der Leiche und vom Grab sehen. — Dazu die Eintragung des Pfarrers Walter Kermer (1930—1955) im Gedenktouch der Pfarre Wildendürbach, mitgeteilt v. Pfr. K. Hütter v. 17. 1. 1968: Kaplan Konrad Hilgart: 1933> Kpl. Karl Pölzlbauer wurde am 1. September 1933 von dem Neomysten Konrad Hilgart aus Wien abgelöst. Dieser absolvierte seine Studien in den eb. Seminaren in Hollabrunn und Wien. 1935 Nach zwei-jähiTigem gesegnetem Wirken wurde Kooperator Konrad Hilgart nach Wien, St. Oth mar versetzt. An seine Stelle kam der Neomyst Johann Scheiner . . . 1941 Der vom Jahre 1933—1935 hier angestellte Ko operator Konrad Hilgart fiel in Rußland. CTotenbildchen eingeklebt). Als wir uns zu Weihnachten 1940 in Wien sahen, erklärte er: „Ich habe alles verloren, nur meinen Glauben habe ich be wahrt" — fidena servavi. — (Fortsetzung folgt). 37

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