die die Anliegenheiten einer armen Gemeinde zu wis sen sidi so wenig bemühen, daß sie jährlidi einmahl herauskommen, und sidi mit dem Blutgelde der Armen recht wohl maßten, und bezechen, hernach in Gottes namen wieder fortfahren? Was von Obrigkeiten, die so blind sind, daß sie einem einzigen bissigen Men schen eine Gemeinde überlassen, denselben alles schlichten, und sich noch durch seine Geschenke die halbblinden Augen gar ausstechen lassen". Der Ortsrichter von St. Veit Josep Decker (Docker), der Richter von Hacking, Martin Waldbauer, die Ge schworenen und Untertanen, Herrschaftsbeamten (erz bischöfliche) und der landesfürstliche Jäger von St. Veit glaubten sich von dieser Predigt angegriffen und beklagten sich am 1- Mai d. J. beim Konsisto rium'^). Decker führte aus: „Mit nicht geringem Leydwesen mußte ich sonn tags d. 26. dieses anhören,was gestalten H.M.K.Pfarr vikar zu St. V. in seiner Früh- oder besser Vormit tags-Predigt das Evangelium von dem guten Hirten mißbrauchet habe. Ich will mich zwar nicht bewichti gen, demselben in seinem Amte und Pflicht zu beurtheilen, aber ich kann auch nicht bergen, wie ohngereimt das Worth Gottes sich mit einer offenbaren Beleydigung venbinde. Ich will daher nur jenes, was dessen Predigtvor trag enthalten, in der Kürze erwehnen wie folget: Es gibt leithe, welche wän sie zu Maria Brunn®), und mehr dergleichen örther von dem Pater Quardian einige Skapuliere, oder Ablaß Pfennige empfangen, gänzlich von dem Aberglauben eingenommen werden. Nicht münder gibt es Vorgesetzte, welche keine Religion kennen noch haben, dieweilen sie mit lauter schlechten leithen halten und die gerechten unter drücken. Mit einem Worthe, der Richter ist es, der mit denen allerschlechtesten, und mit denen Jägern haltet (und ist einmal wiederholet worden). Ich bitte euch, wenn es noch einmahl zu einer Richterwahl kommt, so wählet euch einen armen ehrlichen Mann und nicht einen so schlechten Mann, der euch unterdrücket, ihr rechtschaffenen Männer! Keinen solchen, der aus Hochmuth wegen unrechtmäßigen, an sich gebrachten Guthes zu ehrgeizig ist, den Hut abzunehmen, wenn ihn ein Unterthan grüßet. Aber ich muß es sagen. Schlecht genug von der Herrschaft auch die nur das Jahr einmahl herausfahren und von euch armen Unterthanen das Blutgeld her auspressen, auch die Säcke fillen, fressen, saufen, ein sitzen(?) und nacherhausefahren. Nicht aber, daß sie das Jahr hindurch herausfahreten und frageten, seyd ihr im Stand euer Wirtschaft zu pflegen oder nichts? Und obwohlen gedachter H. Vikar dergleichen schon öfters zu predigen sich erlaubet hat, so ist derselbe noch außerdem in ein gewisses Hauß gekommen, und vor allem Hausgesindel öffentlich gesaget, daß nicht mehr als drei rechtschaffene Männer sich in der gan zen Gemeinde befänden. Wie weith nun ein solcher Prediger von der Auslegung des Evangeliums ab weiche, ob eine solche Predigt Seelentrost, oder Er bitterung wirke, und in wie weith die löbl. Herrschaft dadurch herabgesetzt seye, will ich nicht hineingehen. Wohl aber, wegen mir öffentlich zugefügter Beschimp fung öffentlicher Widerrufung mit Euer gnädige Justitz...(?) hier angedeyen zu lassen, unlerthänigst verlangen. Und das umso mehr, als ich in Betracht meiner Rechtschaffenheit mich auf die löbl. Herrschaft und die Unterfertigten genügen mit Grund berufen kann. In tiefster Verehrung beharrend N. N." Der Gemeinde wurde ihr Antrag de präsentato 1. Mai wörtlich vorgelegt und, heißt es, „selbe öfters befragt, auch auf ihr Gewissen, ob diese angeführten Stücke wahr sind. Sie bestätigten es alles einmüthig und setzten noch bei, daß der Kollweg zum (Hauer?) Geschworenen Liner Augustin einen Tag vor dem Gründonnerstag in sein Haus gekommen sei und ge sagt habe aus freien Stücken: Ihr freßt brav und sauft brav; wenn mir der Kardinal 1000 Dukaten gäbe, wolle er nicht Pfarrer sein, es wären von der ganzen Ge meinde nur drei rechtschaffene Männer..." Sonst hätten sie aber keine Klage wider ihn. Ja sie belobten sogar seinen Seelsorgseifer, komme er doch des Tags drei-, viermal zu Kranken gelaufen. Kollweg erklärte am gleichen Tag und vor der selben Kirchenbehörde: Er wisse eigentlich nicht, wes halb er hergerufen worden; aber man sage, die Gemeinde habe ihn verklagt, daß er „unbescheiden" gepredigt habe, so u. a.: „Ich soll den Richter einen schlechten Kerl geheißen und von ihm gesagt haben, nehmt euch keinen solchen zum Richter mehr, auch von den Jägern, daß sie bei der Nacht Unruhe machen wollen... In der Gemeinde zu St. V. haben die Leute nicht die nötige Kenntnis der Religion; wenn man jetzt den Richter fragte, warum Jesus Christus in die Welt gekommen, so wüßte er nichts zu sagen. Die ganze Nacht sind die Wirtshäuser besetzt mit Säufern und die Kinder werden nicht angehalten, die Schule zu besuchen..." Zum Unterschied von den Klägern konnte KoUweg anführen, daß der Herr Pfarrer bei der Predigt anwesend gewesen und ihn darüber sogar belobt habe. Er gestand ein, daß er in der Predigt gefehlt habe, und versprach mit Unterschrift, daß er künftig weder über die Obrigkeit noch sonst über jemanden „ins besondere" predigen wolle. Zu seiner Rechtfertigung aber brachte er vor: „Uber die Herrschaft kann ich nichts anderes sagen, als daß sie die k. k. Verordnung in Sperrung der Wirtshäuser und Anhaltung der Kin der zum Schulgehen besser betreiben soll. Wegen der Abläß und Scapulier habe ich nur gesagt, daß sie zu viel Vertrauen auf sie setzen. Im ganzen verwerfe ich sie nicht. Vom Rosenkranz habe ich nichts anderes gesagt als: Ihr glaubt, daß ihr schon heilig seyd, wenn ihr nur einen Rosenkranz betet. Weil der Richter meint, daß die Predigt auf ihn gerichtet war, so will ich ihm erklären, daß ich ihn nicht gemeint habe. Ich beharre darauf, nur gesagt zu haben, ihr Richter der Erde. Den Richter zu nennen, wäre höchst unbeschei den und dumm gewesen..." (Fortsetzung folgt) Herausgeber, Verleger und Eigentümer: Erzb. Ordinariat, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Verantwortlicher Schriftwalter: Univ.-Prof. Dr. Franz Loidl, Wien I Rotenturmstraße 2. — Druck und Versendung: Mechitharisten-Buchdruckerei, Wien VII, Mechitaristengasse 4. 32
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