Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Beiträge y^iener Diözesangesdiidite BE ILAQE DES WI ENER DIÖZESANBLATTES Nr.3 (März 1970) Nr.2 Wien,am 1. März 1970 108. Jahrgang 11.Jahrgang Inhalt: 7. Das barocke Chorgestühl zu St. Stephan als Quelle zur Wiener Diözesangeschichte — 8. Kirchliche Beziehungen zwischen Brixen und Wien.— 9. Regesten (Fortsetzung von Nr. 1). 7,Das barocke Chorgestühlzu St. Stephan als Quelle zur Wiener Diözesangeschichte DR. VIKTOR FLIEDER 1. GESCHICHTE UND BESCHREIBUNG Im Hauptpresbyterium des Stephansdomes steht das barocke Chorgestühl, das der ersten Barocklsierung des Domes unter Fürstbischof Philipp Friedrich Graf Breuner (1639—1669)^)seine Entstehung verdankt. Bis zur Brandkatastrophe vom 13. April 1945^) befand sich ferner im Mittelchor das großartige spät gotische Chorgestühl, errichtet 1476 bis 1486/87®), das zu den bedeutendsten Werken der spätgotischen Bild schnitzkunst überhaupt gehörte. Als sich der Brand nach dem Einsturz der Gewölbe des Mittel- und Süd- (Friedrichs-)chors durch herabstürzende brennende Balken des Dachstuhls im Chor fortsetzte, verbrannte dieses Gestühl wie in einem Meiler zu unkenntlichen Resten. Nur die kleine Statuette des hl. Sebaldus, heute im Erzbischöflichen Dom- und Diözesanmuseum, blieb erhalten. Da zu dieser Zeit bereits Windstille eingetreten war, setzte sich der Brand nicht in das Hauptpresbyte rium fort, so daß dort der Hochaltar und das barocke Chorgestühl unversehrt blieben^). Da das gotische Gestühl wegen seines einmaligen Kunstwertes natürlich im Vordergrund des Interesses stand, wurde früher das barocke, meist als das „neue" bezeichnete, Gestühl weniger beachtet und bisher in der gedruckten Literatur nur wenig eingehend be schrieben. Der heutige Bestand des Gestühls umfaßt beider seits drei Stuhlreihen zu oben je acht Sitzen, die beiden unteren Reihen weisen je drei Sitze gegen den Hochaltar zu und je vier Sitze gegen das Langhaus zu auf. Dazwischen liegt der Aufgang zur oberen Reihe. Das Gestühl und die Büsten sind aus dunkel braunem Eichenholz angefertigt. Die Stirnseiten der vorderen Pultreihe werden jederseits durch Pilaster in vier und drei Felder gegliedert und unten von pro filierten Gesimsen eingefaßt, die unter den Pilastern schwach vortreten. Die Felder zwischen den Pila stern enthalten in gerahmter rechteckiger Vertiefung geschnitzte Ornamente, Maskarons, Fruchtbüschel und Knorpelwerk. Die hohe Rückwand über der obersten Stuhlreihe wird alternierend durch kannelierte und glatte Säulen gegliedert, die auf Konsolenmasken aufruhen. Den oberen Abschluß der Felder zwischen den Säulen bilden halbkreisförmige Muscheln, vor denen auf nach vom abgestuften quaderförmigen Konsolen die Büsten der Gründer des Bistums, Papst Pauls II. und Kaiser Friedrichs in., sowie der Wiener Bischöfe und Ad ministratoren bis auf Fürstbischof Breuner stehen. Diese wohl ziemlich schematischen, aber doch durch Attribute zum Teil unterschiedlichen Büsten sind durchschnittlich 60 X 50cm groß. Das breite, etwas vorkragende Abschlußgebälk, das die Tradition der geschnitzten Baldachine über den alten Chorgestühlen wahrt, trägt mit Bronzebuchstaben zwischen Bronze rosetten die Namen der Dargestellten und das erste Regierungsjahr des jeweiligen Bischofs. Unter den Konsolen der Büsten sind in gerahmten Kartuschen die auf Holz gemalten Farbmedaillons der zugehörigen Wappen angebracht^- Wie schon erwähnt, gehört das Gestühl zur barocken Ausstattung des Mittelchores, die Bischof Breuner veranlaßte. Der Hochaltar wurde von 1640 bis 1647 errichtet, die Chorstühle wurden 1647 von Mathias Häkhl, bürgerlichen Tischler zu Wien, ange fertigt, wie aus der Kirchenmeisteramtsrechnung von 1648®) hervorgeht, nach der die Stühle 1647 „von weißem Holzwerk" geschnitzt und am 12. Mai 1648 ausbezahlt wurden. Als Auftraggeber werden Bürger meister und Rat der Stadt Wien, als Preis 196 Gulden genannt. Der Name des Bildhauers der Büsten kommt in den Quellen nicht vor und ist daher nicht bekannt'). Die Bemerkung vom weißen Holz zeigt, daß das Eichenholz seither sehr stark nachgedunkelt ist. Nach der ältesten Beschreibung des Domes, die der Domherr Johann Matthias Testarello della Massa®) 1685 verfaßte^), wurde das neue Gestühl 1648 beider seits des Hochaltars aufgestellt. Auf Grund dieser Angaben Wird in der Literatur das Gestühl entweder mit 1647'®) oder mit 1648") datiert. Wie die genaue Rechnungseintragung zeigt, wurde es 1647 angefertigt, aber erst 1648 bezahlt. Nach Testarello erfolgte auCh damals erst die Aufstellung. Auf der ältesten Innen ansicht des Domes von 1647, die Oettinger nach einem in Privatbesitz befindlichen Ölgemälde, das den Zu stand nach der Barockisierung Breuners zeigt, ver öffentlichte, ist unser Gestühl nicht zu erkennen'®). Ogesser'®) beschreibt in seinem Dombuch das Chorgestühl neben dem Hochaltar, das den Domherren und Curpriestern zum Chorgebet dient, und nennt in Dop pelreihen 18 Sitze mit ebenso vielen Brustbildern, von denen 16 <316 Wiener Bischöfe bis auf Breuner dar9

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