Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

der Stadtrat als „delegierter Patron" die Sdi'Ule tat sächlich verwaltet. Mit dem Albertinum war aus der Pfarrschule eine Stadtschule geworden,die seit demBeginn des 16.Jahihimderts als Bürgerschule (sdiola civilis, civica) bezeidinet wurde. Vorher erscheint sie in den Quellen als Sdiule schlechthin oder als „unser (der Stadt) collegium auf sand Stephans-Freithof". Findet also die Ansicht Mayers hinsichtlich der ursprünglichen Rechtsstellung der Schule als Pfarr schule (etwa 1153 bis etwa 1230) durch die neuesten Forschungen ihre Bestätigung, so zeigte es sich jüngst aber, daß die Schule erst seit dem Beginn des 14. Jahr hunderts an der Stelle des heutigen Curhauses lag®). Bis 1370 gehörte der Grund, auf dem die Schule und die Bauhütte standen, dem Johanniterorden. Erst damals wurde er vom Kirchmeister, dem die Ver mögensverwaltung des Domes unterstand, als freies Eigen abgelöst. Einer Urkunde im Archiv des Deut schen Ordens vom 30. III./2. IV. 1309^") entnehmen wir, daß damals der Deutsche Orden dem Bürgermeister Nyclos von Eslarn und dem Rat der Stadt Wien einen Teil seines Hauses zur Erweiterung des Stephansfried hofes (der durch den Chorbau verkleinert wurde) zur Verfügung stellte. Dafür erhielt er eine freie Durch fahrt zwischen dem Deutschen Hause und „der priester hous", von welchem ein Teil zugunsten dieser Durch fahrt abgebrochen werden sollte. Zum Schluß wird noch erwähnt, daß der Rest des Priesterhauses in Hin kunft der Stadt gehören werde. Damals entstand so mit die heutige Churhausgasse und ging das Areal von Hütte und Schule in den Besitz der Stadt Wien über, die seit etwa 1300 die Kirchenfa'brik von St. Stephan durch einen Ratsherrn als Kirchmeister treuhänderisch verwaltetet^). Bei dem bisher vollkommen unbekannten Priesterhaus"a)dürfte es sich um die erste Wohnstätte der Curpriester von St. Stephan handeln, deren Gemeinschaft 1267 vom Pfarrer Magister Gerhard gegründet wurdef't). Im Jahre 1327^'') nennt die Continuatio Vindobonensis bei der Beschreibung eines Stadtbrandes zum ersten Mal Schulen auf dem Stephansfriedhof. Mit Brunnert') ist anzunehmen, daß mit der Mehrzahl die Bürger schule und die Singschule (Kantorei) gemeint seien, deren Gebäude an der Stelle des Curhauses bzw. vor der ehemaEgen Magdalenenkapelle an der Südwest stecke des Domes lagen. Wo kann nun die Schule vor dem Beginn des 14. Jahrhunderts ihren Sitz gehabt haben? Perger''*) weist darauf hin, daß der Name der zum heutigen Erz bischöflichen Palais hinführenden Schulerstraße auf eine Schule an der Nordseite des Domes hinweist. Dem nach befand sich wohl die erste Stephansschule als Pfarrschule im alten Pfarrhof von St. Stephan, der an der Stelle des heutigen Palais lag. Die Curpriester wohnten vom 14. bis zum 17. Jahrhundert im Ostteil des Pfarrhofes an der Seite der Wollzeile. Um 1470 wurden Schule und Hütte zu einem ein heitlichen Baublock zusammengefaßt. Unter Fürst bischof Anton Wolfrath wurde 1635 das Erdgeschoß dieses Gebäudes den Curpriestern eingeräumt, während die Schule auf den ersten Stock beschränkt blieb. In den Jahren 1738 bis 1740 ließ Fürsterzbischof Kardinal Kollonitz an Stelle des alten Gebäudes das heutige Curhaus errichten'"). Bis zur Errichtung der theologischen Fakultät der Wiener Universität 1384 oblag der Stephansschule neben der Grund- auch die Priesteraugbildung. Dann hatte sie bis zur Gründung des Jesuitengyannasiums 1553 die Stellung einer Vorschule der Universität inne, san-k aber in der Folgezeit zu einer deutschen Grund schule ab. Als solche blieb sie bis 1868 im Curhaus mit wenigen Klassen bestehen. Vorübergehend erlangte sie Bedeutung unter Maria Theresia, als sie von 1770 bis 1775 als erste österreichische Normalschule (Volks-, Hauptschule und Lehrerbildungsanstalt) geführt wurde, doch wurde diese aus Platzmangel dann in das ehemaEge Noviziatshaus der Gesellschaft Jesu nach St. Anna verlegt. Abschließend sei darauf hingewiesen, daß von 1758 bis 1914 im Curhaus das ErzbischöfMche Alumnat untergebracht war und heute dieses Gebäude Sitz des 1948 errichteten Erzbischöflichen Amtes für Unterricht und Erziehung ist, das auf das 1938 gegiündete Katechetische Institut zurüdcgeht, das ihm heute als Abteilung eingegliedert ist"). Anmerkungen: ') Schwind-Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte (1895) 74 ff., bes. 76. — ^) Oettinger, K., Das Werden Wiens (1951) 212, Anm. 1. — ") Mayer, A., Die Schulen. Geschichte der Stadt Wien 1 (1897) 481 f. — ') Jahrbuch Landes kunde Nö, N. F. 29 (1944—1948) 123. Mitt. Inst, österr. Geschichtsforschung 63 (1955) 283 ff., 70 (1962) 14. — ^) Grill, L., Bildung und Wissenschaft, Analecta s. o. eist. 14/3—4 (1958) 324. — ") Oberösterr. Urkundenbuch 2, 604, n. 409. Flieder, V., Stephansdom und Wiener Bistumsgründung (1968) 198. — FEeder a. a. O. 198. — ''l Schwind-Dopsch a. a. O. 149. — ®) Perger, R., Die Grundherren im mittelalterlichen Wien, 2. Teil. Jb. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Wien 21/22 (1985) 145 f. Flieder a. a. O. 113, 197. — ^") Quellen zur Gesch. d. Stadt Wien 1/9, n. 17.259. — ^') Zum Kirchenmeisteramt vgl. Flieder a. a. O. 71—136. — Kan. Möns. Josef Göbel (freundl. gesprächsweise Mitt.) hält es für ein Haus der Deutschordenspriester. — '^) Zur Gründung der Cur vgl. Kostelecky, A., Die Rechtsbeziehungen zwischen den Seelsorgern und dem Kapitel am Wiener Dom (1963) 41 ff. — '®) Mon. Germ. bist. Script. 9, 722. — Brunner, H., Die Kantorei ibei St. Stephan in Wien (1948) 8. — 1®) Perger a. a. O. 145 f. — '") Göbel, J., Der Bau des Cui-hauses zu St. Stephan in Wien. Nachrichtenbl. d. Ver. f. Gesdi. d. Stadt Wien 5 (1943) 11— 30. — ") Zur Geschidite und Organisation der Stephanssdiule vgl. jüngst: Flieder, V., Wiens älteste Schule. Die Büigerschule zu St. Stephan. Jahresbericht 1969 der Handelsakademie III, Wien VIII (1969) 15—23. 2.Eine bisher unbekannte Wiener Kapitelurkunde von 1381 Dr. Viktor Flieder — Leopold Hengsberger Bei Forschungen zur Pfarrgeschichte von Hausbrunn (Nö.)fand sich im Hausarchiv der Regierenden Fürsten von Liechtenstein (Schloß Vaduz, Fürstentum Liech tenstein) eine von der Forschung bisher unbeaditete Urkunde: Am 24. April 1381 verkaufte das Kollegiatkapitel zu St. Stephan in Wien an Hanns I. von Liech tenstein von Ndkolsburg, Hofmeister Herzog Albrechts III., einige Güter und Gülten (Dienste) in Poysdorf, Altlichteiiiwarth, Hausbrunn und Ringelsdorf um 290 Pfund Wiener Pfennig. Aus der Urkunde des Hanns von Liechtenstein vom 26. April 1381 (ohne Ortsangabe)^), in der er die Übergabe des einst von Seybot von Wolkersdorf für das Kapitel ausgestellten

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