B^eür^ejj^iener Diözesangesdiidite BE I LAQE DES WI ENER DIÖZESANBLATTES Nr.1 (Jänner 1970) 108. Jahrgang Nr.1 Wien,am 1. Jänner 1970 11.Jahrgang Inhalt: Geden'kbuchlesen. — 1. Die Stephansschule. — 2. Eine bisher unbekannte Wiener Kapitelurkunde von 1381. — 3. Priesterdenkmäler im Arkadenhof der Universität Wien.— 4. Pfarrer Karl Köstler, Denk malpfleger (t 1958). •— 5. Wultendorf: Series parochorum. Ergän2iun;g. — 6. Regesten über die Fabrilöseelsorge in der 1753 angelegten „Nadelburg"(Nürnberger Messing-Gußwarenfabrik) und ihrer 1756 errichteten Kirche in der Pfarre Lichtenwörth, Wiener Neustädter Bezirk. Oedenkbuchlesen Unter dieser Überschiift finden sich folgende Zei len in der Correspondenz des Priester-Gebetsvereines „Associatio perseverantiae saceidotalis"*), die den wei sen Lehrsatz: Historia ecclesiastica magistra vitae, etiam curae animarum, originell unterstreichen und wenigstens als Anregung gelten mögen: „Wenn zwei Priester längere Zeit beisammen sind, mag es geschehen, daß ihnen bei Tisch der Gesprächs stoff ausgeht. In solchem Falle greifen wir, mein Kooperator und ich, nach dem Gedenkbuch und lesen einander vor. Da gibt es des Belehrenden und Erbau lichen genug, und es fehlt nicht an Anknüpfungs punkten zu einem lebendigen Gespräch. Überhaupt scheint mir die fleißige Lektüre des pfarrlichen Ge denkbuches sehr nützlich zu sein. Man lernt die Arbeit der Vorfahren schätzen, wird bescheiden in bezug auf die eigene Arbeit,(genügsamer und zufriedener mit der materiellen Stellung, man wird manchen Fehler, man chen falschen Schritt vermeiden, man lernt die Pfarrkinder besser kennen, verwächst leichter mit der Kirche und Gemeinde, deren Schicksale man kennt. Manches aus dem Gedenkbuche — natürlich bedarf es dabei großer Diskretion — läßt sich auch mit Nutzen in Pre digt und Katechese verwerten. Dazu kommt der wanme, gemütvolle Ton, der in manchen alten Gedenkbüchern zu finden ist, welcher deren Lektüre auch für das Herz so ansprechend macht. Lassen wir also die Gedenk bücher, in denen mancher edle Priester seine Seele nie dergelegt hat, nicht unbeachtet verstauben, und führen wir sie selber gut weiter". 1. Die Stephansschule Dr. Viktor Flieder An der Fassade des Erzbischöflichen Curhauses (Wien I, Stephansplatz 3) erinnert eine 1867 an gebrachte Gedenktafel mit dem Wortlaut „Hier stand die Bürgerschule der Gemeinde, die älteste und bis zur Gründung der Universität durch Herzog Rudolf IV. die bedeutendste Lehranstalt der Stadt" an die alte Bürgerschule zu St. Stephan. Die älteste bisher bekannte Erwähnung dieser Lehranstalt bringt die Urkunde Kaiser Friedrichs II. von 1237^), in der Wien (vorübergehend) zur freien Reichsstadt erhoben wurde. Danach handelte es sich um eine typische Lateinschule, an der nicht nur Grund kenntnisse vermittelt, sondern auch Kleriker ausgebil det wurden. Der Patronat und die Einsetzung des Rektors sollten dem Kaiser zukommen. Diese Bestlm- *) Wien 1908 (XXIX. Jg.), Nr. 2. 22.- mungen zeigen, daß vor der Erhebung zur Reichsstadt der Patronat herzoglich gewesen sein muß, denn alle heraoglichen Rechte sollten nun auf den Kaiser über geben. Oettinger") sieht deshalb in dieser Schule eine von Anfang an dem Herzog unterstehende Lehranstalt, durch deren Errichtung neben der Stephanskirche sich die Babenberger Einfluß auf diese ja zunächst bischöflich-passauische Kirche sichern wollten. Mayer^) hin gegen bezeichnete die Schule in ihren Anfängen, die er ohne nähere Begründung in die Grändungszeit von St. Stephan im 12. Jahrhundert zurückverlegte, als Pfarr- oder Parochialschule, deren Gebäude immer schon an der Stelle des heutigen Ourhauses gelegen gewesen sei. Schienen so die Anfänge der ältesten Schule Wiens in undurchdringliches Dunkel gehüllt zu sein, so brach ten Personen- und stadtgeschichtliche Forschungen der letzten Jahre neue Ergebnisse. Als ersten Vorsteher der Wiene Schule erkannte Fichtenau"^) einen Magister Petrus von Wien, der sich zwischen 1153—1155 und 1183 als Scholastiker nach weisen läßt. Da er sowohl in Bischofs- als auch in Herzogsurkunden als Zeuge genannt wird, läßt sich aus seiner Person die Rechtsstellung der von ihm geleiteten Lehranstalt nicht schlüssig nachweisen. Petrus kam aus der frühscholastischen Schule von Chartres. Sein bei uns zu dieser Zeit seltener Name deutet darauf hin, daß er Franzose war. Da Otto von Freising den Magister unterstützte, ist es wahrscheinlich, daß er durch dessen Vermittlung nach Wien kam"). Besser zeigt den Charakter der Schule die bisher unbeachtete Nennung eines Heinricfus scolasticus in Winne unter den Passauer Domherren im Jahre 1220"). Denn damit ist zu diesem Zeitpunkt die Schule als bischöfliche Lehranstalt anzusehen. Dabei ist zu bedenken, daß um 1230 Herzog Fried rich II. der Streitbare den Patronat der seit Ihrer Gründung bischöflichen Stephanskirche usurpierte'), so daß im Privileg von 1237 (Kirche und) Schule als ehemals herzoglich angesehen werden. Eine bedeutende Veränderung ihrer Rechtsstellung erfuhr die Schule durch das Stadtrecht Albrecht I. („Albertinum") von 1296^), in dem der Herzog auf den Patronat zugunsten der Stadt Wien verzichtete. Wahr scheinlich hatte schon in den kurzen Zeitabschnitten im 13. Jahrhundert, in denen Wien Reichsstadt war.
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