Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Himmler und einmal sogar vom Führer Adolf Hitler selber (anläßlich einer Intervention des Kardinals Seredi und des ungarischen Reichsverwesers Horthy) das gesagt. In der Anklageschrift, die auf Grund der An gaben der Gestapo zusammengestellt war, wurden von diesen wahren Gründen nur einzelne Andeutungen ge macht. Dafür aber wurde ich beschuldigt, ich hätte die illegale Sozialdemokratie Österreichs mit den führenden legitimistischen Organisationen in Öster reich zusammengeführt und hätte durch diese Ver bindung angestrebt, die Regierung des Reiches zu stürzen, Österreich vom großdeutschen Reich loszu lösen und mitzuhelfen, daß in Österreich die Monarchie eingeführt werde. Diese Beschuldigung gab Anlaß, daß ich wegen Mithilfe bei der Vorbereitung zum Hoch verrat angeklagt wurde. IV. Auf Grund der vom Reichsstaatsanwalt er hobenen Anklage — die Anklageschrift erhielt ich erst am 2. Oktober 1943 zugestellt, also nach fast vierjähri ger Haft — wurde ich erst am 23. und 24. November 1943 zusammen mit etwa zehn anderen Gefährten vor dem 5. Senat des Volksgerichtshofes in Wien zur Gerichtsverhandlung geführt. Den Vorsitz hatte der aus Hamburg stammende Präsident Dr. Merten. Als ex offo-Verteidiger wurde mir der als Nationalsozia list bekannte Wiener Rechtsanwalt Dr. Hadmar Schandl zugewiesen. Beim Verhör sagte ich der Wahrheit gemäß, was ich zu sagen hatte; ich konnte die gegen mich er hobenen Anschuldigungen restlos zurückweisen und entkräften, da sie in der Form, wie sie in der Anklage schrift standen und von der Gestapo angenommen wurden, tatsächlich unrichtig waren. Nach meinem Verhör und nach den Reden des Verteidigers, der meinen Freispruch beantragte und sehr schön begrün dete, und der Rede des Staatsanwaltes konnte ich eine längere Rede halten (etwa 25 Minuten), die ich wörtlich niederzuschreiben Gelegenheit hatte. In die ser Rede sprach ich von meiner Stellung zum deut schen Volk, zur Heimat, zu Österreich und seinem Herrscherhaus; ich konnte aber auch von der Stellung der katholischen Kirche zu den Fragen des öffentlichen Lebens, von meiner Arbeit in der katholischen Bewe gung und meiner persönlichen Einstellung zum Natio nalsozialismus manches ernste Wort sagen. Der Schluß meiner Rede lautete: „Ich darf und kann ohne Rückhalt für mein ganzes Leben, meine Gesinnung und meine Arbeit ein stehen und brauche in keiner Weise aus Angst oder schlechtem Gewissen etwas zu verleugnen. Der Herr Staatsanwalt bemerkte in seinen Ausfüh rungen über mich, ich sei nicht nationalsozialistisch gesinnt. Auch meine Anklageschrift enthält die Fest stellung, ich hätte mich immer als nicht national sozialistisch gesinnt erklärt. Das ist richtig. Ich war nie Nationalsozialist und bin es auch heute nicht, da ich eine andere, eben meine katholische Welt- • anschauung habe und als katholischer Priester diese betätige. Ich habe aber in dieser meiner katholischen Weltanschauung nie ein Hindernis gesehen, daß ich stets restlos alle meine Pflichten auch gegenüber dem nationalsozialistisch geführten Staate und erst recht meiner Heimat und ganz besonders meinem Volke gegenüber erfülle. Im Gegenteil, gerade meine religiöse und katholische Überzeugung ist für mich als Priester stets der stärkste Beweggrund gewesen, nicht nur selber alle meine Pflichten gegenüber Volk und Staat gewissenhaft zu erfüllen, sondern ich habe in diesem Sinn stets auch als Priester gearbeitet. Ich habe oft genug in Predigten und kirchlichen Vorträgen sprechen können. Wenn sich dabei die Gelegenheit geboten hat, habe ich stets auch meine Zuhörer im Sinne der treuesten Pflichterfüllung gegenüber Staat und Volk zu beeinflussen und zu führen getrachtet. Ich weiß, daß ich vom März 1938 an bei manchen meinen öffent lichen Predigten Zuhörer hatte, die von der Geheimen Staatspolizei dorthin geschickt wurden. Ich habe aber nie gehört, daß man mir auch nur wegen eines ein zigen Wortes den Vorwurf gemacht hätte, ich hätte irgendwie gegen Staat, Regierung oder Partei gespro chen. Ich tat das auch nicht, weil es nicht auf die Kanzel gehört; ich habe als Priester nie negativ, son dern stets nur im positiven Sinne zu wirken. Wenn die Geheime Staatspolizei Berichte über meine Pre digten und meine öffentliche Tätigkeit hat, dann muß sie mir mein stets pflichtgemäßes und loyales Ver halten und Eintreten für den Staat und die öffent liche Ordnung bestätigen. Zusammenfassend will ich als Schlußwort sagen: Ich bin von Haus aus als Sohn eines alten deutschen Bauerngeschlechtes ein Deutscher. Ich bin der Heimat mit aller Liebe treu und stehe zu ihr wie zu meinem Volk. Ich erfülle stets gewissenhaft alle meine Pflich ten gegen Staat und Regierung. Nationalsozialist muß ich deshalb nicht sein, ich war es auch nicht und bin es nicht. Aber ein ehrlicher, deutschgesinnter, katho lischer Priester bin ich. Das war ich, das bin ich, das bleibe ich." V. Bei der Verkündigung des Urteils war ich wohl mit Recht erstaunt. Ich wurde zu zwei Jahren Gefäng nis verurteilt, aber nicht wegen § 82 (Vorbereitung zum Hochverrat), sondern wegen § 139 SLG.B. Der Vor sitzende ei-klärte in der Begründung des Urteils: „Der Gerichtshof muß annehmen, daß der Angeklagte Fried doch irgend etwas von den hochverräterischen Bestre bungen der Gruppe Müller—^Dr. Thanner (Legitimisten) gewußt hat; weil er das nicht angezeigt hat, werde er wegen Verletzung der Anzeigepflicht zu zwei Jah ren Gefängnis verurteilt." Das gleiche Urteil wurde über meinen Mitange klagten Felix Slavik, einem jungen Sozialisten, der dann im April 1945 Stadtrat von Wien wurde, aus gesprochen. Einige Bemerkungen Ich bin mir in der Zeit meiner Haft bewußt gewesen, daß ich nicht als irgend eine Privatperson, sondern eben als katholischer Priester und als der durch meine Arbeit in der katholischen Bewegung schließlich in ganz Österreich bekannte Prälat und Domherr von den Gegnern der katholischen Kirche eingesperrt bin. Ich wußte, daß ich nicht als Privatperson, sondern als ein schließlich doch irgendwie bekannter und maß gebender Vertreter der katholischen Kirche im Kerker war und vor Gericht stand. Darum habe ich schon aus diesem Grunde auch — abgesehen von der persön lichen Verpflichtung, die schließlich jeder Mensch vor unserem Herrgott hat — mich bei jedem Wort und bei jedem Auftreten so verhalten, daß ich der katho lischen Kirche und meinem Priesterstand keine Schande bereite. Ich habe darum auch im Protokoll bei der Gestapo folgendes niedergelegt (7. Dezember 1939): „Die katholische Kirche und natürlich auch jeder einzelne katholische Priester hat unter allen Umstän den im Gewissen dem gegebenen Staat und seiner Führung die Treue zu halten und in diesem Sinn die durch das Gesetz und die Volksgemeinschaft gegebe nen Pflichten zu erfüllen. Die katholische Kirche ver langt und erwartet für sich die volle Freiheit für ihre religiöse und seelsorgliche Arbeit, die letzten Endes nicht nur den einzelnen Menschen nützt, sondern dem ganzen Volk und Staat in bester Weise dient." Ich hatte die Möglichkeit, im Kerker am Morzin platz 93mal die heilige Messe zu lesen, im Wiener Landgericht bei meinem ersten Aufenthalt 132mal, in Regensburg 677mal in der Zelle, ISlmal im Kranken haus, 44mal in der Kapelle des Gerichtsgefängnisses, in einer Klosterkapelle während meiner Außenarbeit bei einem Gärtner in Regensburg lömal und endlich beim letzten Aufenthalt im Wiener Landgericht 19mal. Im ganzen habe ich llSlmal zelebrieren können, davon 921mal in der Kerkerzelle. An 135 Tagen hatte ich Gelegenheit, die heilige Kommunion zu empfangen. Damit ergaben sich von 1646 Kerkertagen 350 ganz arme Hungertage, an denen ich weder zelebrieren noch die heilige Kommunion empfangen konnte. — Wenn ich in der Zelle zelebrierte, geschah das immer an der Hand eines kleinen Missale, das ich bei mir 45

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