allein keinen Werth hat, ja, daß es von ihr gar nicht mehr erfaßt werden kann. In dieser Tendenz zum Realen übt sich nun audi die historische Kritik mit schonungsloser Schärfe, verdächtiget Überlieferungen, an deren erhebendem, menschlich schönem Inhalt seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden die Welt mit Liebe und Glauben hing." Nach Erwähnung zweier Beispiele leitet sie dann auf das Religiöse hinüber und fährt fort: „Eben so, nur weit verderblicher und darum verabscheuungswürdiger mag auch das jetzt in vielen kritischen Blättern besprochene Leben Jesu von David Friedrich Strauß®^) seyn..., das ich nicht ge lesen habe. Aber ich habe in meiner Jugend das Buch des berühmten oder berüchtigten Dr. Karl Friedrich Bahrdt's: Die Bibel im Volkston"^), wohl gekannt, wel ches sich mit vielem Scharfsinn und großer Anstren gung Mühe gibt, alles Wunderbare, Göttliche aus der Person und den Thaten Jesu Christi hinweg zu deuteln und Alles ganz natürlich zu erklären. Zu welchen abenteuerlichen, theils lächerlichen, theils ganz unstatt haften Voraussetzungen und Erfindungen Bahrdt deßhalb seine Zuflucht nehmen mußte, leuchtet jedem unbefangenen und christlich gesinnten Menschen'ein; aber das Buch machte gewaltig viel Aufsehen. Mir schien es schon damals, daß jene sogenannten Erklä rungen und Vernatürlichungen der Wunder etwas noch viel Wunderbares als die wirklichen Mirakel, nämlich ein ganz unwahrscheinliches Zusammentreffen der seltsamsten Umstände, eine unbegreifliche Bethörung und Befangenheit der Zuseher, und endlich einen Grad von Geistesgewandtheit, Schlauheit und Bildung vor aussetzen, der sich bei einfachen Fischern und Leuten aus den niedrigsten Ständen gar nicht denken läßt. Es ist — so dünkt mich — mit diesem Wegerklären des Wunderbaren wie mit der Beobachtung der drei dra matischen Einheiten auf der Bühne, wo denn auch, um ja dem Zuseher keine Versetzung seiner Gedanken an einen andern Ort oder keinen Glauben an eine längere vergangene Zeit zuzumuthen, man ihm aufbürdet, zu glauben, daß z. B. eine Verschwörung auf öffentlicher Straße entsponnen werde, der Vater sich über die innersten Angelegenheiten seiner Familie in einem Vorsaale aussprechen oder die totale Sinnesänderung eines verkehrten Menschen binnen 24 Stunden Statt finden könnte'"^). Will man nun dem Schrifttum Schmids richtige Aufmerksamkeit zuwenden, dann spürt man gleich die Schwierigkeit, die sich daraus ergibt, daß nur mehr einzelne Bücher,und die dazu zerstreut, in Bibliotheken zu finden sind""^). Auch Aufsätze in Frint's „Theologi scher Zeitschrift" (1813 bis 1825) wären anzuführen. Bei einer Reihung stehen wohl die den Klerikern gewidmeten Werke an erster Stelle, nämlich die drei Bände Biblia sacra (1811), die lateinische Konkordanz der Hl. Schrift, der Catechismus Romanus, das Concilium Tridentinum und die Lectiones et preces in usum studiosae juventutis und die in usum cleri, die seine Kirchlichkeit bezeugen und die er fast zur Gänze verschenkte, um diesen Geist bei Mitbrüdern und Alumnen zu erhalten oder wiederum zu erwecken. Die Hauptgruppe bilden aber die Erbauungs-, Leseund Gebetbücher, die eine erkleckliche Zahl darstellen, fünf, acht, elf und mehr Auflagen erreichten, und wo von etliche sogar noch nach dem Tod des Verfassers auf private oder öffentliche Initiative herausgebracht wurden. Spiegeln die mehr allgemein gehaltenen Bücher seine Geistigkeit und Frömmigkeit wider, so offenbaren die für konkrete Zwecke, genauer noch für bestimmte Stände und Gruppen abgefaßten Lese- und Gebetbücher die echte Sorge eines nachgehenden See lenhirten. Auf ihren überreichen, wahrhaft vielfältigen, tief ins Gemüt greifenden und heute noch vielfach verwendlichen Inhalt näher einzugehen, bedarf einer eigenen, hoffentlich zu erwartenden Untersuchung und Darstellung, die der gegenwärtige Artikel anregen und vorbereiten helfen möchte. Es seien daher genannt: die Hausbücher — eine Art von Cochem'schen Postillen wie: Christkatholisches Haus (Erbauungsbuch für alle Sonn- und Festtage im ganzen Jahr, gesammelt von einem Weltpriester, 1820^, 1823^ 1835", 1846'); Das Jahr des katholischen Christen (Erbauliche Betrachtungen für alle Tage des Jahres, 1830^ 1831^, 824 Seiten!); Das Leben Jesu und der Heiligen, 2 Bände (1825^^, gab auch noch eine 4, Auflage, Bd. I, 610 S., Bd. II, 692 S.); Bücher mehr allgemeiner Art: Der christliche Reise gefährte (1840, 422 Seiten, 1873"); Herr, dein Wille ge schehe. Trostbuch für Katholiken (2. Aufl.); Die Rück kehr zu Gott (7. Aufl.). Dann die Lese- und Gebet bücher wie: Katholisches Gebet- und Unterrichtsbuch (aus dem Nacdilaß 1845 herausgegeben, 512 S.); Leseund Gebetbuch für junge Christen (20 Aufl.); für katholische Christinnen (3 Aufl., 538 S.); für Verehrer Maria (6 Aufl.); für höhere Stände;für Bürger(3 Aufl.); für Handwerker (8 Aufl.); für das Landvolk (7 Aufl.); für Dienende (11 Aufl.); für Kranke (1846", 478 S.); für Soldaten (1836"); für Gefangene (6 Aufl.) u. n. a. Ganz von seinem Schriftenapostolat erfaßt, trach tete er, seine Bücher selbst und gleich an die von ihm angesprochenen Leser heranzubringen. So verteilte er sein Krankenbuch in den Spitälern oder ließ es unbe merkt beim Besuch in der Krankenstube zurück, nahm sein Gefangenenbuch in die Gefängnisse mit und bot es „demütig" an. Köstlich ist, wie er sein Soldatenbuch in die Hände von Soldaten zu spielen versuchte. Wenn z. B. der Regen in Strömen niederfloß, trat er, die weiten Talarsäcke damit angefüllt, zu einer Wachstube hin und bat um die Erlaubnis, vor dem Unwetter Schutz suchen zu dürfen. Wurde es ihm natürlich ge währt, knüpfte er „mit gewohnter Freundlichkeit, die selbst die Herzen der Rauhesten aufschloß, ein sinniges Gespräch an, flocht mild und vorsichtig Ermahnungen und Lehren ein, teilte danh gleichsam zum Dank für die gewährte Aufnahme seine mitgebrachten Bücher aus und kehrte mit herzlicher Freude über eine solche Seelsorgsmöglidikeit heim". Dieses Büchlein wurde nicht bloß in die Sprachen der österreichisch-ungari schen Monarchie, d. i. ins Italienische, Böhmische, Pol nische, Ungarisdie etc., sondern zur Zeit der französi schen Besetzung auch ins Französische übertragen. Selbst Papst Gregor XVI.(1831 bis 1846) ließ es für das päpstliche Militär, und die Erzherzogin-Vizekönigin das italienische Krankenbuch für Italien neu auflegen"®). Das griechische Gebetbuch ging in seiner ganzen Auflage nach Griechenland, das englische nach Ame rika""). Sogar für die Juden ließ Schmid die messianischen Weissagungen in hebräischer Sprache drucken^""). In all dem und trotz seiner vielfach gewiß aus der Zeit verständlichen Erfolge war der rührige Publizist alles eher denn auf „eitlen Ruhm und Anerkennung" aus, wie ihm stets bestätigt wurde. Besser kann seine lautere Absicht bei seinem heute sicher hie und da naiv anmutenden Wirken wohl kaum gekennzeichnet werden, als durch das nicht alltägliche Zeugnis, das ihm sein erster Biograph und jüngerer Zeitgenosse Zenner ausstellen konnte: „Vor dem Beginn eines 42
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