Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Maul eintrug, die seine entscheidenden Wohltäterinnen wurden, begann im Sommersemester 1780 oder im Herbstsemester den zweijährigen Philosophiekursus und hat später in den Jahren 1785—1786 noch einmal Katechetik studiert, um dieses Fach nun abzuschließen25). Der TheologeSchmid wurde erstam 26.Oktober 1788 zum Subdiakon, am 2. November zum Diakon und am 9. mit 29 Kandidaten zum Priester geweiht und feierte am 17. in seiner Heimatpfarre Lichtenthai seine Primiz26). Dem gleichen Weihejahrgang gehörte auch der um ein Jahr ältere Augustin Gruber an, 1789—1794 Ko operator an der von P. Hofbauer und seinen Jüngern bevorzugten Pfarre Brunn am Gebirge (unweit von Maria-Enzersdorf), später führender Katechetiker, Be gründer der Wiener katholischen Methode, Regierungs rat in der Schulverwaltung, ab 1816 Bischof von Lai bach und ab 1823 Fürsterzbischof von Salzburg (t 1835)27). Der Neomyst Schmid begann anfangs Dezember seinen Seelsorgsdienst als Kooperator in Probstdorf (Marchfeld) und blieb bis 179028). Pfarrer war seit 1774 der aus Schlesien gebürtige und in Wien ausgebildete Markus Anton Wittola, der in seinen zahlreichen Schriften, vor allem in seiner sehr umstrittenen „Wienerischen Kirchenzeitung" (1784—1790), das aus geprägte Staatskirchentum josefinischer Richtung, die Synodalbeschlüsse von Pistoia (Toskana, 1786) und die schismatische (jansenistische) Kirche von Utrecht ver teidigte und gegen die Jesuiten und überhaupt wider das Ordenswesen, die Herz-Jesu-Andacht, das Wall fahrten und anderes Katholisches „seine Tinte ver spritzte", sich sonst aber als korrekter Priester und eifriger Seelsorger und einflußreicher Führer der noch kirchlich scheinenden Aufklärung erwies»»). Der junge Kaplan Schmid scheint aber, sein späte res Priesterwirken offenbart es, ebensowenig wie an der Universität, auch von dem aufgeklärten Pfarrer und Titularpropst von Bienco (Ungarn) kaum bestim mend angesteckt und in seiner Frömmigkeit gelähmt worden zu sein. Sonst"hätte ihn wohl kaum sein from mer, kirchentreuer, seeleneifriger und das josefinische Kirchenregiment abwehrender Ordinarius, Kardinal Fürsterzbischof Migazzi (1757—1803), am 13. Novem ber 1790 als Kantor an die f. eb. Cur zu St. Stephan geholt30). Vom echt kirchlichen Geist an der Cur zeugt die Wirksamkeit des als frommen Seelsorger wie als muti gen Anti-Aufklärer verdienstvollen Cur- und Chor meisters Patricius Fast, eines gebürtigen Steiermärkers, der seit 1759 zur Cur-Geistlichkeit zählte und seit dem Frühjahr 1783 für den Dom- und Pfarrdienst bei St. Stephan verantwortlich war, eben 1790 jedoch das Zeitliche segnete3i). Als echtkatholischer Publizist und unbeirrbarer Verteidiger der Herz-Jesu-Verehrung und der päpstlichen Vollgewalt war er für Propst Wittola, dem Dechanten von St. Peter (Wien 1), Anton Ruschizka, und anderen josefinisch eingestellten Klerikern Ziel ihrer spöttischen Angriffe und Verunglimpfungen, deren er sich jedoch unerschrocken und zäh erwehrte32). Sein Nachfolger war und blieb bis 1799 der durch seine „Beschreibung der Meti-opolitankirche zu St. Stephan in Wien"(Wien 1799) bekannte Lokalhisto riker Josef Og€sser33). 1792 kam auch Schmids Mit alumne Josef Meindl an die Cur34). Zum Erweis des oberhirtlichen Vertrauens wurde unser Kantor Schmid schon vier Jahre darauf,d. i. 1794, zum Spiritual des im Hause (Stephansplatz 3) unterge brachten Klerikalseminars berufenSS). Wie dringlich eine solche Besetzung war, zeigt der Umstand, daß einer seiner Vorgänger eine Koryphä der josefinisch gesinnten Theologen, der oben genannte Ruschizka, diesen wichtigen Posten innehattesc). Mit welchem Emst und Verantwortungsgefühl Schmid dieses schwere Amt zwölf Jahre hindurch verwaltete, drückte sein erster Biograph Franz Zermer wie in einem Nachruf langatmig und nach dem Geschmadc der Zeit, gefühl voll, aber doch charakteristisch so aus: „Obgleich er die Last der Verantwortlichkeit, die er zu übernehmen hatte, im tiefsten Herzen fühlte, entzog er sich doch dem Rufe seines Oberhirten nicht. Nachdem er durch dreitägige Exerzitien Gott um Er leuchtung angefleht, übernahm er das ihm zugetheilte Amt; aber keineswegs die zeitlichen Vortheile, welche dasselbe darbot. Um von seinem Streben für das Heil der ihm Anvertrauten jede Einmischung irdischer Rücksichten auszusdiließen; um,was er that, aus reiner Liebe zu Gott, ohne allen irdischen Entgelt zu thun, verzichtete er zum Besten der Alumnen auf den Gehalt eines Spirituals und begnügte sich mit seinen bisherigen Bezügen eines Curpriesters. Was er in diesem Wir kungskreise geleistet, mögen jene, welche seiner Leitung sich erfreuten, am Tage der Vergeltung ver künden; denn so lange wir hienieden wallen, ist ein Blick in's Innere der Herzen uns nur selten vergönnet. Ein reines Vorbild priesterlichen Wirkens belehrte er die geistlichen Jünglinge im Vorhofe des Herrn, nicht bloß durch seine Vorträge in Worten zarter Liebe und sanfter Ermahnung, sondern vorzüglich durch seine ungeheuchelte Frömmigkeit, seine sittliche Reinheit und Würde. Sein Anblick war eine lebendige Predigt. Eine echte Johannis-Seele in der Liebe, ein Nathanael, in dessen Auge sich treuherzig Offenheit und Auf richtigkeit abspiegelten, der auch da glaubte und ver traute, wo tiefes Dunkel die Seele umfängt, war er gegen Fehlende überaus zart und schonend, dem Suchenden aufrichtig ohne Rückhalt, der Jugend ein Stab, ein Tröster, ein Lehrer des Lebens... In beson ders wichtigen Fällen wandte er sich in inbrünstigem Gebete zu Gott, der die verborgenen Seufzer des Herzens kennet, und wallfahrtete für die Seinigen still mit flehendem Herzen nach einer Kirche zu Ehren der seligsten Jungfrau. Bei solchen Anlässen zog es ihn vorzüglich nach Maria Hietzing und in die Kirche zum hl. Joseph in der Leopoldstadt, wo ihm das Bildniß Mariä mit dem geneigten Haupte ein Gegenstand kindlicher Verehrung war. Mit geistlichen Übungen hatte er seine Amtsthätigkeit begonnen, mit geistlichen Übungen beschloß er sie, um Gott wegen begangener Fehler um Verzeihung zu bitten und für alles Gute, was Gott sich durch ihn zu wirken gewürdigt haben mochte, ehrfurchtsvoll zu danken37)." Ähnliches sagen auch die beiden Dekrete aus: das zu seiner Beförderung zum Direktor des Alumnats(am 1. Dezember 1806), „die in Rücksicht der vielseitigen Verdienste, dann seiner Gelehrsamkeit, Klugheit, Thätigkeit und Erbaulichkeit" erfolgt sei38); und das aus Anlaß seiner Enthebung von diesem Amt, da er schon nach einem Jahr (am 14. September 1807) wegen angegriffener Gesundheit darum bitten mußte, worin ihm bestätigt wurde, „daß er mit Bedauern und mit dem verdienten Zeugnisse enthoben wurde, daß er die Pflichten eines Direktors genau und im vollen Maße erfüllt, zur Bildung und zum Fortgange der Zöglinge 35

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