2. Sie sollen sich auf den Gesichts- und Wirkungs kreis des Seelsorgers, also auf den religiösen und sittlichen Zustand der Gemeinde, auf Kirche, Pfarre, Schule, Armenwesen, Stiftungen, Wohlthäter, auf die Rechte,Besitzungen,Vortheile oder Lasten der Pfründe, Ein- und Austritt der angestellten Priester und dergl. beziehen, und jene äußeren Ereignisse des Ortes in sich begreifen, welche auf den äußeren oder inneren Zustand der Gemeinde einen bedeutenden Einfluß hatten. Dagegen sind 3. bloß persönliche Verhältnisse des Pfarrers mit einzelnen Personen, bloß persönlidie Ereignisse, die keinen Einfluß auf die Seelsorge, Pfründe oder den Zustand der Gemeinde hatten, kein Gegenstand der Memorabilienbücher; noch weniger sollen diese zu persönlidien Verunglimpfungen oder zu leidenschaftlichen Äußerungen mißbrauchet werden. 4. Diese Memorabilienbücher nadi Materien, z. B. Patron, Kirche, Feldbau und dergl. abzutheilen, ist nicht rathsara, weil manche Gegenstände im engen Zusammenhange stehen, weil Wiederholungen unver meidlich wären, und weil durch einen ordentlichen Material-Index die Uibersicht besser erreicht werden kann. 5. Diese Annales sind jährlich fortzusetzen, und auch in dem Falle, wenn sich in einem Jahre nichts besonders Wichtiges ereignet, soll der Pfarrer das Jahr nicht übergehen; sondern wenigstens die Zahl der Getauften, Gestorbenen, Getrauten, der die Schule und Christenlehre Besuchenden angeben, und beyfügen, daß kein anderes der Aufzeichnung würdiges Ereigniß statt gefunden habe. 6. Urkunden, Verträge, Entscheidungen, Befehle, die sich auf die Pfründe, Kirche und Schule beziehen, sollen nicht bloß angeführet, sondern wörtlich einge tragen werden, da dieses oft in späteren Jahren bey entstehenden Streitigkeiten und Ansprüchen wichtig ist, und manche Rechte nicht verloren gehen würden, wenn die Vorfahren Alles genau aufgezeichnet hätten. 7. Die früheren, an vielen Orten leider nicht auf gezeichneten, oft wichtigen Ereignisse, in so fern es möglich ist, dieselben mit Gewißheit anzugeben, nach träglich einzutragen, wird der eifrige, für seinen Nach folger besorgte Pfarrer gewiß nidat unterlassen; je doch soll deßwegen der Anfang der Aufzeichnung der Gegenwart nidit verschoben werden, da das Nach tragen abgesondert, und so wie der Pfarrer zur Kenntniß gelanget, gestehen kann."(11) Wotke schreibt dazu im Jahre 1902: „Und dieses nachahmenswerte Gebot wird in der Wiener Diözese bis auf den heutigen Tag gewissenhaft beobachtet."(12) Mit seiner weit sichtigen Anordnung hat Erzbischof Milde noch über seinen Tod hinaus der Geschichtsforschung einen großen Dienst erwiesen, indem durch die Anlage und Führung von Memorabilienbüchern eine Fülle ge schichtlicher Zeugnisse gesammelt und erhalten worden sind. Welche Beachtung und Wertschätzung diese Vor schrift noch zu Mildes Lebzeiten erfuhr, zeigt ein Brief des Grafen Chotek „An Se. des Wiener Herrn Fürsterzbischofs Vin zenz Eduard Milde fürstliche Gnaden. Hochgeborener Fürst! Von der vielseitigen Nützlichkeit der Pfarr- und Gemeindeweise geführten Memorabilienbücher über zeugt, beabsichtige ich die Führung förmlicher Memo rabilienbücher bei allen Pfarren und Gemeinden des Landes zu veranlassen, und die Andeutungen vorzuzeichnen, nach denen diesfalls vorgegangen werden soll. Da vor mehreren Jahren in Euerer fürstlichen Gnaden Erzdiözese, nach dem Plane des Hofkaplans P. Darnaut, eine gleiche Maßregel bei allen Diözesankuratien getroffen wurde, die ungetheilten Beifall fand und im Verlaufe der Zeit auch manche ei'sprießliche Verbesserung erfahren haben dürfte, so nehme ich mir die Freyheit Euere fürstlichen Gnaden ergebenst zu ersuchen, mir den Plan zur Verlegung und Führung solcher Pfarrmemorabilienbücher und alle hierauf Be zug nehmenden Diözesananordnungen gütigst mit theilen zu wollen, um hiervon hierlandes thunlichen Gebrauch machen zu können. Genehmigen Euere fürstlichen Gnaden die erneute Versicherung ausgezeichnetester Hochachtung, mit der ich zu verharren die Ehre habe. Euerer fürstlichen Gnaden gehorsamster Diener Chotek (13) Neapel den 20. Nov. 1834" Auf diese Anfrage schrieb Milde „An des HE. Oberstburggrafen von Böhmen Grafen V. Chotek Excellenz Euere Excellenz In dem mir mit verehrl. Schreiben vom 20ten November, 17ten Dezb. d. Js. Nr. 6727 gefälligst mitgetheilten Entschluße die Führung förmlicher Memora bilienbücher bei allen Pfarren und Gemeinden Böh mens veranlassen zu wollen, sehe ich mit Freude einen neuen Beweis der stets regen Sorgfalt, mit welcher Euere Excell. das Beste des Ihrer weisen Leitung anvertrauten Königreiches zu befördern suchen. Hochdero Wunsche entsprechend gebe ich mir die Ehre E. E. in Abschrift dasjenige mitzutheilen, was ich als Bischof von Leitmeritz unter dem 25ten Juli 1827 und als Erzbischof von Wien unter dem Iten Dezb. 1832 über die so genannten Memorabilienbücher der Pfarren an den Clerus zu erlassen befunden (?) habe. Erlauben E. E. ds. idi die Versicherung der ausge zeichneten Verehrung erneuere, mit d. ich die Ehre habe zu seyn E.E. Vinc.Ed. Wien,den 29ten Dezbr. 1834"(14) Das in den vorstehenden Dokumenten zum Aus druck kommende Gesdiichtsinteresse hat Milde sich bis in sein Alter hinein erhalten. Am 20. Januar 1848 schrieb der Oberste Kanzler Inzaghi an Fürsterz bischof Milde, daß Erzherzog Johann beschlossen habe „eine Sammlung und Herausgabe der Quellenschriften der österreichischen Geschichte zu veranstalten, zu welchem Behufe" er „eine permanente historische Kommission ernannt" habe(15). Inzaghi bittet den Erzbischof um Mitwirkung, die in den Archiven des Kapitels und der sonstigen Diözesan-Behörde „vor handenen Materialien zur Geschichte unseres Vater landes einer genauen und sachverständigen Durchsicht und Bearbeitung unterziehen zu lassen" (16). Unter Nr.4627 Pr. antwortet Milde: „E.E. In Folge der hochv. Aufforderung vom 20/30 Jänner d. J. 28/P die Mitwirkung meines Metropolitankapitels zu der von der k. k. Akademie der Wissen schaften beschlossene Sammlung und Herausgabe der Quellenschriften der österr. Geschichte habe ich mein Metropolitankapitel aufgefordert, die in den Archiven desselben etwa befindlichen Materialien zur Geschichte uns. Vaterlandes einer genauen und sachverständigen Durchsicht und Bearbeitung unterziehen zu lassen und die etwa vorhandenen Urkunden der permanenten hist. Commission mitzuteilen. Da die Stifte M. Erz diözese, welche nicht unwichtige Archive besitzen v. E. E. bereits unmittelbar angegangen worden sind, so fand ich eine Aufforderung an dieselben v. M. Seite nicht mehr nothwendig. Wenn in dem erzbischöfl. Consist. Archive dessen Ordnung und Durchsicht ich bereits seit einigen Jahren angeordnet habe sich für die Geschichte wichtige Dokumente finden sollten, so werde Ich nicht unterlassen meind Theilnahme und SO
RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=