eine Zeile brauchbar zu meinem Zwecke. Ich las oft durch mehrere Tage alte Papiere, bis ich eine einzelne richtige Urkunde fand. Das Collationieren und Revi dieren kostete viele Stunden. Sey daher billig, und fordere nicht mehr als mir möglich war. Über die innere Einrichtung dieser Sammlung will ich folgendes sagen. Ich nahm bis zum Jahre 1460 fast alle wichtigeren Urkunden auf, die ich fand, weil der erste Band der Ingedenkbücher des Magistrates ver loren war und weil aUes so Alte wichtig ist. In den späteren Jahren beschränkte ich mich mehr auf das höhere und unmittelbare Interesse meiner Pfarre. Du mein Lieber! wirst bey mancher Urkunde die Ursache meiner Wahl nicht sogleich erkennen. Oft ist dieselbe des Zusammenhanges, oft der Folgen, oft eines ein zelnen Nahmens wegen wichtig. Wenn du dich mehr und länger mit der Geschichte deiner Pfarre beschäf tigen wirst, wirst du einsehen, warum ich die einzel nen Urkunden wählte. Oft wirst du Lieber Nachfolger! Manches in diesen Büchern suchen und unwillig werden,wenn du es nicht findest. Vergiß nicht, daß man auf dem Felde der Ge schichte nicht mehr geben kann, als man empfängt, und daß ich meine Sammlung unvollendet hinterlasse. Ich ließ die Urkunden nicht nur wörtlich, sondern buchstäblich abschreiben, und erlaubte mir nicht die mindeste Veränderung oder Verbesserung. Dieses for derte die Treue der Geschichte. Ich habe jede Urkunde genau mit der Abschrift collationiert, und letztere nur dann bestättiget, wenn sie genau übereinstimmten. Wenn du mein Lieber! oft sinnlose Stellen, oft unrich tige Angaben findest, so mag dich die Versicherung beruhigen, daß das Sinnlose und Unrichtige im Ori ginale war. Die Urkunden sind nach den Jahren geordnet und nur einige wenige sind auf einem andern Bogen aus Versehen geschrieben worden, als auf dem sie stehen sollten. Die Urkunden der einzelnen Jahre konnte ich nicht in chronologischer Ordnung reihen, weil ich nicht vorher wissen konnte, welche Urkimden ich fin den werde, und daher jede einzelne auf einem beson deren Bogen hätte schreiben müssen. Viele Urkunden, die das Archiv der Pfarre enthält, habe ich geordnet und in einem von mir gekauften Kasten bewahret. Ich bitte dich lieber Nachfolger! sorge für die Erhaltung und für die Ordnung der letzten Überreste der Ge schichte deiner auch historisch wichtigen Pfarre, die ohngeachtet der großen Sorglosigkeit vieler deiner Vorfahren mehr durch Zufall als durch Sorgfalt der Vernichtung entgangen sind. Nur zwey meiner Vorfahren, einer im 15. und einer im Anfange des 18. Jahrhunderts haben, wie ich Spuren fand, an die Erhaltung der Urkunden gedacht. Um deiner Unentschlossenheit abzuhelfen, und dir Mein Lieber, zu zeigen, was du thun könntest, will ich hier beylügen, was ich ferner zu thun willens war. 1. Ich war Willens die Sammlung der Urkunden fortzusetzen, bis ich wenigstens die wichtigsten der Pfarr- und Stadtarchive abgeschrieben gehabt hätte. Wenn dir Lieber Nachfolger, im Anfange der Eintritt in das Stadtarchiv nicht gestattet werden sollte, so geben dir die von mir noch nicht benützten Urkunden der Pfarre für einige Jahre hinreichende Beschäfti gung, wenn du dieselben sammelst, und in einem oder mehreren Ergänzungsbänden meiner Sammlung beyfügest. 2. Diejenigen Urkunden, auf welche sich wich tige Rechte der Pfarre gründen, war ich willens, noch einmal auf gestempeltem Papier abzuschreiben und von einer beglaubigten Person rechtskräftig vidieren zu lassen. Diese videmierten Abschriften wollte ich dem Consistorialarchive hinterlegen, um Widersprüchen vor zubeugen und die Rechte der Pfarre zu sichern. Die Pfarre hat sehr viele und wichtige Rechte durch die Sorglosigkeit der Vorfahren verloren. Sorge dafür, daß deine Nachfolger nicht von dir dasselbe sagen, son dern dankbar deinen Nahmen nennen. 3. Diese Sammlung kann ihres großen Umfanges wegen nur durch einen vollständigen alphabetischen Index leichte Brauchbarkeit erlangen. Erleichtere dir und anderen den Gebrauch. 4. Wenn ich die Quellen vollständig benützet gehabt hätte, so würde ich aus dieser Sammlung folgende Tabellen verfaßet haben: Seriem rectorum ecclesiae S. Viti Cremsii — Nomina benefactorum ecclesiae Cremsensis — Nomina defunctorum, pro quorum anima tremendum missae sacrificium Deo offertur — Dies magni fasti et nefasti urbis et parochiae. 5. Eine vollständige mit lehrreichen und erbauen den Bemerkungen versehene Geschichte der Pfarre Krems war das Letzte, was ich leisten wollte. Schon das Erkennen einzelner Thaten und Ereignisse war mir lehrreich, angenehm und oft ermunternd gewesen. Ich sah, wie Manches entstanden ist, oder zu Grunde ging, ich lernte Wahrheit von vielen hier allgemein verbrei teten irrigen Gerüchten unterscheiden, ich lernte den Unterschied der Zeiten kennen, und sah oft Gottes hand, die das Schicksal der Menschen leitet, und seine Kirche beschützet. Ich erbauete mich an der Frömmig keit und dem Eifer einzelner meiner Vorfahren, oder sah mit Schmerz die Folgen der Nachlässigkeit oder des bösen Beyspieles anderer. Oft, wenn mein Herz unruhig war, ging ich in den Saal, wo die Bildnisse meiner Vorfahren hingen. Dort fand ich Trost und Stärke, denn ich sah das Bildnis dessen, der mehr gelitten, oder der mit größeren Hindernissen gekämpfet hat. Hier lernte ich einen edleren und bleibenderen Gewinn von meiner Pfarre suchen, als den, den der Keller und der Stadel giebt. Wenn einzelne Fragmente so wohltätig wirkten, was würde eine vollständige Geschichte leisten können? Du, dem Gott Zeichen und Kräfte gibt, suche dir und deinen Nachfolgern das zu verschaffen, was zu genießen mir nicht gegeben war. Vollende, was ich angefangen habe; denn du kannst dir und deinen Nachfolgern keinen nützlicheren Dienst erweisen. Solltest du mein Lieberl diesen meinen Wunsch nidit erfüllen, so bewahre wenigstens diese Sammlung sorgfältig auf. Sie hat mich viele Zeit, eine nicht unbedeutende Geldauslage, und manches andere Opfer gekostet. Ich habe allen geselligen Vergnügen, meiner Bequemlichkeit und Ruhe entsaget, ich habe meine Augen, meine Gesundheit nicht geschonet. Achte nicht gering, was mich soviel gekostet hat. Übergieb, was ich dir mit vollem Vertrauen übergebe, treu und unverletzet deinem Nachfolger, wenn du es auch nicht benützest oder fortsetzest. Ein Wort der Warnung sey das letzte Wort meines besorgten Herzens. Leihe Mein Lieber! keinen Band dieser Sammlung fremden Händen, denn die traurige Erfahrung des Magistrates, der den ersten Band seiner Urkunden auf diese Art verloren hat, mag dich vor sichtig machen. In diesen Urkunden stehet ferner manches, was unseren Vorfahren, was dem ganzen Stande nicht zur Ehre gereichet, manches, was Veranlassung zu Strei tigkeiten geben, und dir und andern das Leben verbittern könnte. Gott bewahre dich, daß du meine Sammlung nicht als eine Quelle oder als ein Mittel zu Streitigkeiten gebrauchest; aber die Klugheit be fiehlt dir, deinen Gegnern nicht selbst Waffen in die Hände zu geben. Habsucht, Neid, Streitsucht und Feindschaft verbittern oft in kleinen Städten das Leben eines Pfarrers. Nebst den 8 Bänden meiner Sammlung der Urkun den der Pfarre von Krems von den ältesten Zeiten bis zum Tage meines Abschiedes übergebe ich dir Lieber Nachfolger! 2 Bände Annales Collegii Cremensis Societatis Jesu. Sie enthalten die Geschichte der Jesuiten in Krems, welche von den Geschichtsschrei bern des Hauses jährlich geschrieben wurde. Der im Jahre 1816 hier verstorbene Priester Franz Praxel, der letzte des Ordens, hat mir auf dem Sterbebette diese Geschichte zur Aufbewahrung übergeben. Ich lasse sie in dem Archive der Pfarre zurück und vertraue sie deinen Händen, weil sie nur ein örtliches Interesse hat. Sollte ich in eine Lage kommen, in der der Ge20
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