Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

trafen unter anderem den Lebenswandel des Klerus, den Schutz des Kirchengutes vor dem Zugriff über mütiger Laien, die Klostervisitation und in den letzten Punkten für das Mittelalter typische Verhaltungsregeln für den Verkehr zwischen Christen und Juden. Das meiste davon ist wohl zeitgebunden, bietet jedoch heute noch interessante Einblicke in diese Periode mit ihren Gebrechen, aber auch mit ihren Bemühungen um echte kirchliche und sittliche Reformen. Sechshundert Jahre sollten nun vergehen, bis es zum ersten und bis heute einzigen Konzil (Synode) des Wiener Metropolitansprengeis kommen konnte, das vom 17. (18.) Oktober bis 9. November 1858 tagte. Bereits schon im Früh.1ahr 1849 hatten sich Österreichs Oberhirten (29 an der Zahl und 4 Vertreter) wieder unter dem Vorsitz eines Kardinals, nämlich des damals noch in Salzbui-g regierenden Fürsterzbischofs Schwar zenberg, in Wien versammelt, um in 60 Sitzungen Richtlinien für die Ordnung der staatsrechtlichen Ver hältnisse der katholischen Kirche zu beraten, und hatten die Materie in 207 Paragraphen beschlossen, woraus dann am 18. August bzw. anfangs Novem ber 1855 das weitgehendst auf Kardinal Fürsterzbischof Rauscher zurückgehende später so umstrittene Konkor dat aufgebaut war. Die vorhin genannte Wiener Provinzialsynode des Jahres 1858 leistete in 16 Generalkongregationen (in der Stephanskirche)und in 5 öffentlichen Sitzungen(im f. e. Palais) ganze Arbeit, nahm zu allen Notwendig keiten und Strömungen innerhalb und außerhalb der Kirche Stellung und behandelte in 7 Abteilungen (tituli) mit 82 Kapiteln eine reiche Materie: „Über den Glauben und die katholische Lehre, Von der hl. Hierar chie und der Regierung der Kirche, Von den Sakra menten und Sakramentalien, Vom öffentlichen Gottes dienst und den Werken der christlichen Pietät, Über das Leben der Cleriker und den Fortschritt im geist lichen Leben, Von den Seminarien und Schulen, Von den Beneficien und den Kirchengütern". Diese Synode zeigte sich dadurch sicher auf der Höhe der Zeit, wie wohl sie von ihrem Mentor und Moderator Kardinal Rauscher auch mit konservativem Geist durchpulst oder- gelenkt wurde. Ihre Bedeutung und Ausstrahlung in jener Periode lassen sich auch daran erkennen, daß sie den übrigen Metropoliten der österreichisch-unga rischen Völkermonarchie Vorbild und Ansporn zur Nachahmung wurde. Kardinal Rauscher machte am 11. September 1859 in einem eigenen ausführlichen Hirtenschreiben die Bestimmungen der gesamten Geist lichkeit kund. Die Kardinäle Kutschker (1876—81), Gangibauer 1889) und Gruscha (1890—1911) waren zu alt, zu befangen und auch nicht die Männer, ein so erregendes Unternehmen, wie es eine Synode ist, in Szene zu setzen; aber dem energiegeladenen Kardinal Nagl (1911—13) wäre es zuzutrauen gewesen, wie er es durch den grandiosen XXIII. Internationalen Eucharistischen Kongreß im September 1912 bewies, wenn ihm eine längere Wii-ksamkeit beschieden gewesen wäre. Nachdem aber durch den Ersten Weltkrieg und den Zusammenbruch ab 1918 völlig neue Verhältnisse, Auf gaben und Widrigkeiten von Kirche und Seelsorge eine Besinnung und Neuorientierung erforderlich machten, trug sich der tatkräftige Volksbischof Kar dinal Piffl mit erfahrenen Mitarbeitern mit dem Plan einer Diözesansynode. Ursprünglich für den Okto ber 1931 in Aussicht genommen, zogen sich jedoch die Vorbereitungen begreiflicherweise länger hin. Und da Piffl am 21. April 1932 allzu früh starb, fiel die Aus führung dem Nachfolger Kardinal Innitzer zu, der sie als verpflichtendes Erbe übernahm und in einer der ersten Beratungen des Seelsorgsinstitutes diesem so gleich die geistige Vorbereitung der Synode übertrug. Nach den das ganze Jahr 1933 über dauernden Re ferentenbesprechungen kündigte Kardinal Innitzer schon am 2. Oktober d. J. bei der Kleruskonferenz die Synode für den Herbst 1934 als Jahrestagsfeier des Katholikentages an, der bekanntlich im Zeichen der 500-Jahr-Feier der Vollendung des Stephansturms und der 250-Jahr-Feier der Befreiung Wiens von den Türken gestanden hatte und im Herbst 1933 trotz Boy kotts von Seiten des „Dritten Reiches" glanzvoll ver laufen war. Auch war inzwischen im Frühjahr 1933 das Konkordat mit dem Hl.Stuhl unterzeichnet worden. Mit erzbischöflichem Handschreiben vom 21. Fe bruar 1934 wurden sodann neun Kommissionen einge setzt, und zwar: 1. Der Klerus der Diözese im Ver hältnis zum Bischof und in seinen besonderen Amts obliegenheiten, 2. Hl. Orte und Zeiten, 3. Die kirchl. Vermögensverwaltung, 4. Die theologische und aszetische Ausbildung und Fortbildung des Klerus, 5. Das kirchl. Lehramt, 6. Ordensrecht und Pfarrseelsorge, 7. Die Verwaltung der Sakramente, 8. Katholische Aktion und Vereinsarbeit, 9. Besondere und außer ordentliche Seelsorge. Die gesamte Arbeitslast ruhte damals noch auf den Schultern des Klerus. Während die Kommissionen unter Beiziehung kundiger Priester arbeiteten, ging die Stoff übersicht durch die zuständigen Dechanten an den Klerus hinaus, der auf den Pastoralkonferenzen die verzweigte Materie durcharbeiten sollte und dies auch fleißig und aufgeschlossen durchführte, wie der Schrei ber als Schriftführer der Dekanatskonferenz (Purkers dorf—Klosterneuburg) noch aus der Erinnerung zu be stätigen vermag. Es wurden damals schon Vorschläge unterbreitet, auf die man sich heute etwas zugute tut. Da sich ob der Fülle des Stoffes Terminschwierigkeiten ergaben, mußte freilich der Beginn der Synode auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden. Als mit der Sitzung vom 1. Mai 1935 ein Abschluß der von den Kommissionen und Pastoralkonferenzen gemeinsam geleisteten Arbeit erreicht war und die vom Generalvikar geleitete Kommission bis Ostern 1936 die Materie geordnet und zusammengefaßt hatte, konnte der vorläufige Text im „Grünbuch" allen Priestern zu gesandt und auf den Pastoralkonferenzen endgültig durchberaten werden. Am 31. Jänner 1937 erfloß sodann das Einberufungsdekret für die Abhaltung der Synode am 16. und 17. März d. J. Die damalige Zusammen setzung der zum Erscheinen verpflichteten Synodalen ist mit heute verglichen sicher interessant. Mit General vikar Kamprath an der Spitze waren einberufen: die 14 Domkapitulare, die 12 Ehrenkanoniker, der General sekretär der K. A. Engelhart, die 16 Professoren und Dozenten der kath.-theol. Fakultät, die beiden Erzdechanten, die 34 Dechanten, die 84 Wiener Stadt pfarrer, die 22 Konsistorialräte, die 13 Religions inspektoren, die 26 Vertreter der (nur männlichen) Orden und Kongregationen, die 36 gewählten Ver treter der Landdekanate, zus. 261 Kleriker, davon 30 entschuldigt, die aber nicht vertreten werden durften. Damit deklarierte sich die Synode als ausge sprochen klerikal. Als Tagungsort war das eb. Alumnat in der Boltzmanngasse (Wien IX) mit seiner schönen Kapelle St. Maria de Mercede und seinem Festsaal ausersehen, wo am 1. Tag vier Referate: Klerus, Predigtamt, Pfarrliche Seelsorge, K. A., am 2. Tag sechs Referate: Der Religionsunterricht an den Mittel-, Volks- und Hauptschulen (längstes Referat), Verwaltung der hl. Sakramente, heilige Orte, Matrikenführung der Ver sammlung vorgetragen wurden. Daszum Christ-Königs-Fest 1937 erschienene Syno dalbuch gewährt auch den Nichtteilnehmern den richti gen Einblick in die vielfältige und imponierende Lei stung dieser ersten Diözesansynode, da es im I. Teil (S. 1—95) die Bestimmungen über die priesterliche Persönlichkeit, die pfarrliche Seelsorge, die Kirchendirektox'en, die Sakramente, hl. Orte, den Gottesdienst und das kirchliche Lehramt in 331 Canones, und im II. Teil (S. 99—164) als Sonderbestimmungen die An weisung für die Dechanten, die Dekanatskämmerer, die ordensrechtlichen Bestimmungen, Anweisung für die Verwaltung des Bußsakramentes, die Eheschließung und die Prüfungsordnung für das Religionslehramt an Mittelschulen darlegt. Liest man die Schluß- und Dankansprache des damaligen verantwortlichen Oberhirten Kai'dinals 15

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