Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

4. Sie me Deus adiuvet et haec sancta evangelia Nottaufe und Krankenölung im ärztlichen Eid*) Dr. med.Gottfried Roth,Wien Für eine ärztliche Pflichtenlehre sind zwei Sakra mente relevant: die Taufe in Form der Nottaufe und die Krankenölung, die als unctio extrema früher wie heute oft nur mehr dem Sterbenden, häufig sogar dem Bewußtlosen gespendet wird. (Daß man im zu nehmenden Maße das 5. Sakrament zu einem Sakra ment für die Kranken im strengen Sinn des Wortes machen will,sei betont.) Anläßlich des großen Jubiläums der Erzdiözese Wien, die mit der Universität Wien und so auch mit deren medizinischer Fakultät vielfache Be ziehungen hatte — der Kanzler der Universität, die Jahrhunderte ein kirchlich mitbestimmtes Institut war, war ein Geistlicher — möge nun gefragt werden, ob sich in den feierlich kodifizierten Pflichten der Ärzte Hinweise finden lassen dahingehend, daß diese beschwören bzw. geloben mußten, als Geburtshelfer die Nottaufe zu spenden. Kranken bzw. Sterbenden den Priester zu rufen (?). In den Albertinischen Statuten 1389 sind Elemente ärztlicher Eidesleistungen enthalten, die erst später vollständig überlieferten Texte konstituieren. Die Albertinischen Statuten beinhalten die Materie der Eidestexte, die 1600, 1610, 1721 und 1756 in der tat sächlich abzulegenden Form kodifiziert wurden. Die Doktoranden mußten schwören; Reverenz und Ge horsam gegenüber den akademischen Behörden und Kollegen, Befolgung der geltenden und künftig zu erlassenden Statuten, Eintracht und Frieden unter den weltlichen und geistlichen Angehörigen der Nationen und Fakultäten, Verpflichtung zur Abhaltung einer Vorlesung; Verpflichtung, an keiner anderen Uni versität die Doktorwürde erwerben zu wollen und die Fakultätsgeheimnisse zu bewahren. Es handelte sich wesentlich um Universitätseide, die Pflichten gegenüber dem Rektor, dem Dekan und den Kollegen enthalten, aber keine Pflichten gegen über den Kranken. Die Berufseide beginnen mit Josef II. 1785. Freilich läßt sich sagen, daß der Doktorandus indirekt mit der Ablegung eines religiös ge stimmten Eides (iuro ante Deum), mit Ablegung des römisch-katholischen Glaubensbekenntnisses in der von Pius IV. vorgeschriebenen Formel, auch die Sorge um die beiden Sakramente auf sich nahm. So werden in der formula iuramenti fidei catholicae alle Sakra mente aufgezählt: Profiteor quoque septem... sacramenta: baptismum... extremam unctionem ...; doch war dies ein für alle Fakultäten verpflichtender Text; expressis verbis findet sich bis dahin (1785) und auch später in der sogenannten Hauptlinie der Eides- und Gelöbnisformeln (für die akademischen Vollärzte) kein Satz zur Verpflichtung der Nottaufe und der Sorge um die Krankenölung. Wie schon erwähnt, beginnen wohl audi in der Hauptlinie die Berufseide — Texte, die Pflichten gegenüber den Patienten enthalten — 1785, mit der Josephinischen Sponsionsformel.'*) Aber eine Bezugnahme auf die Sakramentenspendung läßt sich nur in den Texten für Abstufungen und besondere Stellungen im ärztlichen Beruf bzw. für niedere Heilberufe nachweisen. *)Der Erzdiözese Wien als Festgabe gewidmet. *♦) Entsprechend der philanthropischen Gesinnung dieses Zeitalters ist das Verhalten zu den kranken Men schen stärker in den Vordergrund gerückt, da die An näherung an die hohe sittliche Haltung des Hippokratischen Textes gegeben. Oder müßte man nicht fragen, ob das, was vordem selbstverständlich war, man denke an das Ethos der frühchristlichen und mittel alterlichen Krankenpflege, nunmehr nicht so selbstver ständlich schien und daher ausdrücklich betont werden mußte? Der Magister der Geburtshilfe hat 1756 (als Punkt 5) folgendes zu beschwören: „daß er schwache und gleich sterbende Kinder, so noch etwas lebendig, und die Ankunft des Priesters Tods-gefahr halber nicht erwarten könnten, sobald selber vom Mutterlaib ganz oder zum Theil kommen, mit lautern Wasser und keiner anderen Feuchtigkeit im Namen Gott des Vaters, und des Sohns und des Heiligen Geistes nothtaufen, solche Taufe auch dem Priester hernach anzeigen wolle." In einer Eidesformel aus der Mitte des 19. Jahr hunderts für Wundärzte und Geburtshelfer heißt es: „Mir angelegen seyn zu lassen, daß Kranke oder Verwundete zur rechten Zeit sowohl ihre zeitlichen Angelegenheiten in Ordnung bringen, als für das Heil ihrer Seele besorgt seyn; auch die neugeborenen schwachen Kinder christlicher Aeltern sogleich zu taufen, oder ihre Taufe zu veranstalten." Auch die Gelöbnisformel der medizinisch-chirur gischen Akademie enthält einen gleichlautenden Passus. Die zunehmende Säkularisierung auch der Uni versität sowie die Vereinheitlichung der ärztlichen Berufe zum Doctor universae medicinae löscht mit der Neuformulierung des Gelöbnistextes von 1873 jeg lichen Hinweis auf die beiden Sakramente. Die Verpflichtung für den christlichen Arzt ist unabdingbar geblieben. Die theoretischen und prak tischen Belange werden heute von der Pastoralmedizin wahrgenommen, jener Wissenschaft, die über ihren Titel hinaus „vom Verhältnis der leiblichen und see lischen Natur der Menschen zur sittlichen und über natürlichen Ordnung und von den hiefür relevanten Pflichten des Seelsorgers und des Arztes" handelt, 1. Pruner: Kirchenlexikon (Wetzler und Welte), Frei burg i. Br. 1895, IX, 1583—1585. 2. Roth G.: Die Eide und Gelöbnisse an der medi zinischen Fakultät Wien. In: Studien zur Ge schichte der Universität Wien, Band I, 1956, Seite 218—258, Verlag H. Böhlau, Graz—Köln. 5. Regesten des Taubstummeninstitutes in Wien 169. 1846, Okt. 14. Wien Das eb. Konsistorium äußert sich „über die in An trag gebrachte öffentliche Auszeichnung des Taub stummen-Institutskatecheten Franz Daffner in der Form, daß es die Verleihung der Großen Goldenen Ehrenmedaille vorschlägt, weil sich Katechet und Seel sorger Franz Daffner nicht nur durch die Begründung dreier Institutsplätze aus eigenen Mitteln in der Höhe von 10.500 fl CM verdient gemacht hat, sondern sich auch durch die Anschaffung zweckmäßiger Kirchen geräte und „durch die aus Eigentum bestrittenen Reno vierung der Hauskapelle, Verdienste erworben hat", wodurch er ,die Auferbauung der Institutszöglinge zu heben wußte". Er sei überhaupt in seinem „unermüdeten Wirken als Priester, namentlich aber seit seiner Anstellung als Katechet und Seelsorger in dem ge nannten öffentlichen Institute als Muster eines tugend haften und sittlich religiösen Wandels voranleuchtend" religiöse und öffentliche Zwecke zu fördern bemüht. Obwohl Daffner schon ausgezeichnet sei, möge „demselben abermal in Berücksichtigung seiner fort gesetzten großmütigen Wohltätigkeit für öffentliche Zwecke allerdings eine öffentliche Belohnung zutheil werden". (Konzept). 170. 1851, Februar 12. Wien Das Konsistorium überreicht der Landesschulbehörde die auf Grund des. . . ausgeschriebenen Kon kurses um die Verleihung der Direktorstelle am hiesi gen k. k. Taubstummeninstitut eingelangten Gesuche samt der der darüber verfaßten Kompetententabelle, gemäß welcher sich um diese Stelle .. . gemeldet haben;

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