Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

wahrhaft erschütterndes Bild von der damaligen Si tuation der Proletarierwelt zu zeichnen, sondern auch brauchbare Vorschläge und heilsame Abhilfen anzu geben^"^), so etwa für Kindererziehung, erziehliche Fortsetzimg in der Schule, Errichtung von Knaben herten, Eltemkonferenzen, Fürsorge für Schulentwach sene und Jugendliche und deren Erfassung in Ver einen zur echten Freizeitgestaltung, politischen Schulung und religiös-sittlichen Betreuung. Die 18 Ka pitel dieses lebendig und interessant abgefaßten Buches wären heute noch lesenswert. Ein zweiter, auf der Schlußseite angekündigter Band erschien leider nicht mehr. Daß dieser soziale und karitative Praktiker auch und gerade während der Nachkriegsnot nicht uninter essiert und untätig beiseite stehen sollte, war einfach unmöglich und sei konkret durch das gleich genannte Hilfswerk beleuchtet und weitere Archivfunde werden dies noch bestätigen. Bong stand nämlich mit dem großen holländischen Wohltäter Bischof Diepen von Herzogenbusch in brief lichem und karitativem Kontakt, wie ein paar Schrei ben aussagen^). So wandte er sich am 28. Sept. 1920 an Diepen: „Da es hier jetzt in Wien so wenig Meß-Intentionen gibt, komme ich mit der bescheidenen Bitte, Euer Bischöfliche Gnaden möchten die Güte haben, mir Meß-Intentionen senden zu wollen. Die hl. Messen werden gewissenhaft persolviert und eine Bestätigung eingesandt. E. B.G.könnten auch nach Belieben einen Teil von den Stipendien abziehen und für kirchliche Zweche in Holland verwenden. Wir führen hier einen schweren Kulturkampf, be sonders in Wien. Ja, wenn unsere Priester alle so ge schult wären, wie in Holland, dann wäre es in einem Jahr anders, denn das Volk ist gut. Gott sei Dank ist es ja schon viel besser. Die Organisation der Katho liken Hollands mit ihrer freien katholischen Schule ist einzig. Auch in dem protestantischen Norddeutschland macht die katholische Kirche gute Fortschritte . . . In tiefster Verehrung und Dankbarkeit E. B. G. er gebener W. B." Schon zwei Tage darauf, am 30. September, konnte er dem Bischof mitteilen: „Am 17. Sept. kam ich von N. zurück. Am 21. d. M. fuhr ich nach Köln, um von dort einen Transport von 600 Kindern zurückzuholen. Eben nach Wien zurückgekommen, habe ich sofort in der hiesigen Buchhandlung Mayer (Singerstraße) be züglich des Meßbuches etc. nachgefragt. Das gewünschte Missale wird die Buchhandlung schicken,ebenso... Die Intentionen, die mir E. B. G. gaben, habe ich an mehrere Priester verteilt, wofür ich E. B. G. tief sten und innigsten Dank sagen will. Mit der katholi schen Organisation für Witwen und Kriegerwaisen,für die E. B. G. die Güte hatten, eine Geldspende zu versprechen, werde ich in einigen Tagen sprechen, da mit die betreffende kath. Organisation sich selbst mit einem Schreiben an E. B. G. wendet. Es ist einer der schönsten Augenblicke meines Lebens, E. B. G. kennengelernt zu haben"...Bong. Am 4. Oktober d. J. wandte sich tatsächlich der Sekretär des Verbandes christl. Kriegsinvalider, Krie gerverein und -waisen Deutschösterreichs, Wien IV, Große Neugasse 8, unter Berufung auf Bong, Wien XVIII, Rieglergasse 10, an Bischof Diepen: „Unsere Organisation wurde nach den Tagen des Umsturzes im April 1919 gegründet. Aus kleinen An fängen hat sie sich in allen Gauen unsei'es jetzigen Vaterlandes Eingang verschafft und ist heute bereits ein tonangebender Faktor geworden. Die Zahl der Mitglieder beträgt derzeit insgesamt 28.000. Unsere Tätigkeit ist wohl eine der schwierigsten, wenn man bedenkt, daß wir uns einzig und allein mit den Opfern des Krieges beschäftigen können und somit nur Arme in unseren Reihen haben. Neben unserer kath. Organisation bestehen hier noch eine sozialistische und eine kommunistische Ver einigung. Derzeit ist die sozialistische noch insofern unser größter Partner, als sich in den Reihen dieser noch nach Tausenden zählenden Kriegerwitwen,-waisen und Heimkehrer sowie Invalide befinden, die alle nur durch die zahlreichen Begünstigungen, welche die gegnerischen Organisationen zu leisten imstande sind, fest gehalten werden können. Da gerade die MilitärWitwen und -waisen und Kriegsbeschädigten eine große Rolle spielen und ein Kampf um diese entbrannt ist, wäre es höchst an der Zeit, daß wir durch die finan zielle Unterstützung uns befreundeter Mitmenschen im Ausland in der Lage wären, die Gutgesinnten in unseren Reihen zu vereinen. Für diesen Zweck wurden deshalb für Propaganda und Wohltätigkeit viel Geld gegeben. Wir wenden uns deshalb an E. B. G. und bitten um Hilfe und Unterstützung in diesem schwe ren Kampfe. Es ist uns wohlbekannt, daß durch die Hand E. B. G. als Präsident der Wiener KinderKomitees in Holland Millionen für die Kinderhilfe in Österreich gegangen sind. Wir bitten deshalb, E. B. G. wollen auch uns helfen, damit wir alle katholischen Kriegerwitwen und -waisen, Invaliden und Heimkehrer in unser Lager aufnehmen könnten, diese nicht nur aber unterstützen können, sondern auch um eine groß zügige Organisation durchführen zu können, um der Welt zu zeigen, daß das Christentum so viel Kraft und Liebe hat, den Armen und Bedürftigen zu hel fen und imstande ist, auch zum Siege zu führen. Wir erlauben uns an E. B. G. die Bitte zu richten, uns die Geldspende in holländischem Werte über mitteln zu wollen. Sollte die Möglichkeit vorhanden sein, uns auch mit Lebensmitteln oder Kleidungsstücken helfen zu können, bitten wir auch diesem unserem ergebenen Ansuchen entsprechende Berücksichtigung zuteil wer den zu lassen". NB. „Die Richtigkeit dieser Angaben bestätigt und dieses Gesuch befürwortet wärmstens W. Bong, kath. Religionslehrer". Am 30. d. M. konnte der Sekretär Bischof Diepen schon antworten: „Mit heutigem erhielten wir durch den H. Prof. W. Bong den Betrag von 60.000 Kronen, sage..., deren Empfang wir bestätigen. Wir sprechen hiermit im Namen unserer Krie gerwitwen, Waisen und Invaliden E. B. G. den ganz ergebensten Dank aus. Dann im Namen unserer armen Schutzbefohlenen, die gerade jetzt in der Winterszeit in allergrößter Notlage sind. Wir bitten auch in Zukunft um Unter stützung etc..." Dazu der handschriftliche Vermerk Bongs: daß er die genannte Summe weitergeleitet habe und das übrige Geld in den nächsten Tagen an diejenigen Klöster verteilen werde, die in größter Not sind. „Vielen innigen und herzlichen Dank! Alle werden für E. B. G. beten, daß Gott der Herr den Bischof segnen wolle, der schon so viel für unsere Kinder und für uns alle getan hat...W. B." Anmerkungen: ^) Friedrich Funder, Aufbruch zur christlichen Sozialreform. Franz Schindler.etc. Wien— München 1953. — ^) Sh. Beiträge zur Wr. Diözgesch. F. Loidl: Der junge Gruscha und der Armen-Pfarrer Kriesche (1962, Nr. 2); ders.: Eisenbahnkurat Johann Sedlak (ebda. Nr. 1.); ders.: Adam Latschka, politisch sozialer, vor allem Arbeiterinnen-Seelsorger und erster Pfarrer von Neuottakring (ebda. Nr. 3); ders.: Möns. Franz Xaver Stauracz (ebda. Nr. 4); ders.: Koop. Josef 46

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