Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

ein bis zwei Säcken Mehl (ä 60 kg) an die Männer- und Frauenklöster aus; oder betreffen eine Liste der 78 Pfarren Wiens vom 14. Dezember d. J. und 62 Be stätigungen der Kirchenangestellten in den Pfarren namhafte Zuteilungen an Mehl, Teigwaren, Kondens milch und Zucker. So konnte der Hauptzahlmeister des holländischen Hilfskomitees, namens Pastoor, im Mai 1922 in einer Rede einen Uberblick über die Riesenleistung des hol ländischen Volkes geben: Darnach waren bis dahin schon 272 Waggonladungen Lebensmittel, 13 Waggon Kleidung und 157 Waggon Liebesgaben geliefert wor den, was einen Millionenwert ausmachte, und dies trotz der allgemeinen Wirtschaftskrise, von der auch das Geberland inzwischen betroffen worden war. Anläß lich einer Weihnachtsaktion im Dezember 1922 wurden im VII. Wiener Gemeindebezirk an bedürftige Mittel standsfamilien 5,600.000 Kronen ausgeteilt. Im Dezem ber des Jahres 1924, da die Aktion beendet wurde, konnte man rückblickend in Erinnerung rufen, daß die Liebespakete in die sehr viele Tausende gegangen seien und der Wert der zugesandten Nahrungsmittel, Kleider etc. sich auf mehrere Millionen holländische Gulden beziffere. Noch hören wir dabei von einer sogenannten 6 X 5-Gulden-Aktion, die sich ebenfalls sehr wohltätig für viele Arme ausgewirkt hatte. Doch das möge hier genügen^"). Zu denen, die wohl am ehesten die Betreuung nötig haben, zählen die Kinder, da sie stets die unschuldig sten Kriegsopfer und beim akuten Nahrungsmangel nicht nur in der Entwicklung gehemmt sind, sondern fürs ganze Leben schwerste gesundheitliche Schäden erleiden können. Hier mit- und abzuhelfen ist sicher die praktischeste Erfüllung des Wunsches des göttlichen Kinderfreundes. Bischof Diepen und seine Helfer rich teten daher auch von Anfang an darauf, d. i. auf die Kinderaktion, ihr Augenmerk^'). Der konkrete Anreger für Wien war der damalige Stadtpfarrer von Hollabrunn, Anton van der Bom, 1868 in Oudenbosch (Holland) geboren, seit 1892 Prie ster, säkularisierter Kapuzinerordenspriester, dann Kooperator in Kirchberg a. Wagram, Pfarrer in Oberfellabrunn, dann Hollabrunn, der leider schon am 10. Dezember 1920 — erst 51 Jahre alt und nur 27 Jahre lang Priester — sterben sollte^®), und seine Schwester Antoinette van der Bom. Mit deren Hilfe gelang es der unermüdlichen Leiterin der Fürsorgeabteilung der Katholischen Frauenorganisation für Niederösterreich, Frau B. E. Rast, und ihren Mitarbeiterinnen, 1918 die Kindererholungsfahrten nach Holland in Bewegung zu setzen. Ausführlich berichtet die „Reichspost" über die Abfahrt des ersten Transportes vom Westbahnhof am 17. Juli, die sich in gewisser Feierlichkeit vollzog, da Klosterfrauen vom Göttlichen Heiland (Wien VII, Kai serstraße) die Waggons mit Reisig und Blumen ge schmückt hatten und sogar Kardinal Piffl und der nie derländische Gesandte mit anderen Persönlichkeiten zur Verabschiedung erschienen waren. Bis zum Früh jahr 1922 hatten bereits an die 25.000 Kinder „liebe volle Aufnahme und Pflege" in Holland gefunden. Bis zum Ende der Aktion i. J. 1924 waren es bereits 28.523, die in mehr als 70 Kinderzügen dahin gebracht worden waren. Umgekehrt gelangten Hilfsmittel nach Osterreich, um Kindererholungsheime errichten und aushalten zu können. So eröffnete das niederländische Huisvestingskomitee in Gablitz (b. Purkersdorf) ein solches Heim, das im „Waldhaus" des Schwestern-Erholungshauses daselbst Unterkunft erhielt und nach Bischof Diepen „Franz-Arnold-Heim" benannt wurde; dann im „Faniteum"(Wien Xlll-Ober St. Veit), das von Schwe stern der Ewigen Anbetung geleitet wurde, und in GöUersdorf(Dekanat Hollabrunn, Niederösterreich), wo (d. i. in diesen Heimen) in zusammen 23 Turnussen an die 1300 Kinder durch je drei Monate untergebracht wurden. Um z. B. einen Turnus von 50 Kindern auf nehmen zu können, verflel das Komitee in Utrecht auf den Gedanken, die Kinder katholischer Schulen da selbst zum Osterfest anzuregen, den Wert eines Oster eies in Geld mitzubringen; und tatsächlich war in ein paar Tagen der nötige Betrag beisammen.Das Komitee in Arnheim wiederum verhalf dazu, im VII. Wiener Gemeindebezirk eine holländische Küche bzw. ein Er holungsheim zu eröffnen, wodurch täglich etwa hun dert Kinder ein gutes Mahl bzw. die ganze Verpflegung erhielten. Hier soll noch vermerkt werden, daß sich das Huisvestingskomitee, mit Bischof Diepen an der Spitze, um eine Erweiterung dieser Kinderaktion be mühte, indem man auf eigene Kosten österreichische Kinder sogar in Belgien unterzubringen trachtete und diesen Plan dem Erzbischof von Mecheln, Kardinal Mercier, vorlegte. Das „niederländische römisch-katholische Huis vestingskomitee" ließ aber bei bestimmten festlichen Anlässen nicht nur den Heimkindern, sondern darüber hinaus auch noch anderen armen Kindern einen Freu dentag bereiten und Liebesgaben zukommen. Solch einen Anlaß bot seit dem Bestehen des Werkes der Geburtstag der Prinzessin Juliana der Niederlande, indem in Gablitz auch 50 arme Ortskinder zum Jtest geladen und mit Lebensmittelpaketen bedacht wurdfen; oder das Weihnachtsfest,indem z. B.in GöUersdorf die dort untergebrachten 40 Knaben aus dem VII. Wiener Bezirk mit Kleidern und anderen Geschenken erfreut und am Nachmittag im Kloster der Töchter des Gött lichen Heilandes in Wien VII, Kenyongasse, 40 Mäd chen ebenfalls mit praktischen Bedarfsartikeln,Lebens mitteln und je 70.000 Kronen beschenkt wurden. Und die Liste ließe sich in reichem Maße fortsetzen. Die Zeitungen berichten ausführlich darüber und vermögen auch stets die Teilnahme hoher und vor allem der verdienten Persönlichkeiten zu vermelden. Daß dabei auch die Gelegenheit zur herzlichen Dankesabstattung an die holländischen Wohltäter be nützt wurde, war nur selbstverständlich. Am beredetsten und berufensten brachte dies Kardinal Piffl zum Ausdruck, da er z. B. am 6. Mai 1922 bei der Er öffnung des vierten Turnusses des Erholungsheimes „Arnold Franz" im Festsaal des Klosters zu Gablitz vor dem Apostolischen Nuntius, Erzbischof MarchettiSelvaggiani, dem Bundesminister Dr. Pauer, dem :^evollmächtigten des Huisvestingskomitees,Grafen V|i|ffMetternich u. a. ausführte: „Als nach dem unglücklichen Ausgange des Welt krieges die wirtschaftlichen Verhältnisse in unserem armen Osterreich sich von Tag zu Tag zusehends ver schlechterten, da waren es, bevor die Caritas die er giebigen Quellen des großen Amerika eröffnete, vor allem zwei Staaten, die sich unsex'er armen, durch den Krieg so schwach gewordenen Kinder selbstlos und 35

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