Beiträge Diözesangesdiidite BE ILAQE DES WIENER DIÖZESANBLATTES Nr. 7 (Juli 1968) 106. Jahrgang Nr.4 Wien,1.Juli 1968 9.Jahrgang Inhalt: 21. Die Gerhard-Pfarren. — 22. P. Lukas Etlin O. S. B. (t 1927) (Der große Nachkriegswohltäter aus den USA). — 23. Feistritz am Wechsel; Albert Zenner (1795—1823). — 24. Pillichsdorf: Sakraments bruderschaft. 21.Die Gerhard-Pfarren Dr. Viktor Flieder Im Vorjahr (1967) konnten acht Wiener Pfarren die 700-Jahr-Feier begehen. Im Zusammenhang mit Forschungen zur Gründungsgeschichte der Diözese^) sei auf diese Pfarrgründungen, die zu den Vorbereitun gen der Wiener Bistumserrichtung gehören, näher eingegangen. Sie stehen in Verbindung mit dem Re formwerk des Pfarrers Magister Gerhard von St. Ste phan (1252—1271), der zu den bedeutendsten Kleriker persönlichkeiten Österreichs im 13. Jahrhundert zählt. In seiner Jugend war Gerhard vor den Mongolen aus Siebenbürgen nach Österreich geflüchtet, wo er noch von Herzog Friedridi II. die landesfürstliche Pfarre Gars am Kamp erhielt^). Später wurde er Propst von Wieselburg (Westungarn), Archidiakon von Raab (wohl für den westlichen Teil der Diözese im heutigen nördlichen Burgenland), Domherr von Passau, päpstlicher Kaplan und Kaplan König Ottokars. Vom 26. November 1252'^) bis zu seinem Tod im Juli 1271^) war er Pfarrer von Wien (unter Beibehaltung der übrigen Ämter). Sein Grabstein — der älteste des Domes — ist noch in den Katakomben erhalten. Er zeigt ein einfadies Kreuz unter einem Rundbogen®). Nach dem verheerenden Brand vom 7. August 1258®) leitete Pfarrer Gerhard den Wiederaufbau von St. Stephan, der mit der Neuweihe durdi Bischof Otto von Lonsdorf am 25. April 1263'') seinen Abschluß fand. Von diesem spätromanisdi-frühgotischen Bau stehen noch Teile des Westwerks mit den beiden Heidentürmen. Im Anschluß an das Salzburger Provinzialkonzil, das am 10., 11. und 12. Mai 1267®) unter dem Vorsitz des Kardinallegaten Guido O. Cist. in der Stephans kirche abgehalten wurde, machte Gerhard mehrere bedeutsame Stiftungen zur Vertiefung des religiös karitativen Lebens in seiner großen Pfarre. Mit Stifts brief vom 25. November 1267, Wien,®) gründete er das Frauenkloster zur Himmelpforte"'^®) und das Leprosenspital zu St. Job am Klagbaum'^). In dieser Ur kunde wird auch die Errichtung eines Kollegiums der Seelsorgepriester an St. Stephan bezeugt, das noch heute als Erzbisdröfliche Our eine eigene Rechtsper sönlichkeit bildet, von der die Seelsorge am Dom aus geübt wird^^), sowie die Erbauung der Kapelle im Pfarrhof (heute Andreaskapelle im' Erzbischöflichen Palais, barockisiert 1638), den Gerhard nach der Ver wüstung durch einen Brand wiederhergestellt habe. Am 27. Juli 1267^'') widmet der Ministeriale Rudeger der Zoller von Rodaun auf Grund der Bitte Gerhards den Baugrund zur Errichtung einer Kirche in Penzing (Wien XIV). Im schon genannten Stiftsbrief des Him melpfortklosters werden die „ecclesiis et capellis midii commissis scilicet sancti Stephani, sancti Michahelis, in Swechent, in La, in Tobelico, in Vosendorf, in Lantzendorf, in Symeninge et in capella mea videlicet in Penzinge"^^) erwähnt, an denen nunmehr Vikariate errichtet wurden. Während die Penzinger Kirche erst Gerhard selbst erbaute, waren die übrigen Kirchen und Kapellen schon vorher vorhanden, doch werden sie hier, außer St. Michael, erstmals genannt. Aber erst durch Gerhard wurden sie zu Vikariaten, also selbständigen, mit residierenden Priestern besetzten Seelsorgestationen, die nur mehr de iure zur Mutter pfarre gehörten. Die Vikare unterstanden allerdings dem Pfarrer, der sie frei ein- und absetzen konnte. Die Zehente kamen der Mutterpfarre zu^®). Das Priesterkollegium der Cur bestand aus acht Mitgliedern, die auch als Achter (octonarii) bezeichnet wurden. Göhler^®) vermutet, daß sie allsonntäglich die acht Kapellen des Stiftsbriefs von 1267 excurrendo besorgten. Da aber die Vikariate eigene Seelsorger besaßen, ist vielleicht anzunehmen, daß vor 1267 die sieben älteren Kapellen — Penzing wurde wohl be reits als eigene Seelsorgestation gegründet — von je einem Kaplan der Mutterkirche betreut wurden. Nach dem Fortfallen dieser Verpflichtung konnten die Geistlichen ständig zu St. Stephan anwesend sein und neben der Seelsorge das Chorgebet abhalten, zu dem sie seit 1267 als „Chur- und Chorherren" verpflichtet waren^''). Der Vorsteher der Cur, der Cur- und Chor meister, fungierte als vicarius perpetuus des Wiener Pfarrers, der als Inhaber des wichtigsten weltgeist lichen Kirchenamtes in Österreich noch andere Auf gaben zu erfüllen hatte. Es ist anzunehmen, daß schon vor der Errichtung der Cur Gerhard einen Vikar hatte, da er ja u. a. auch Archidiakon und Ratgeber König Ottokars war, wie seine Nennung in zahli-eichen Königsurkunden zeigt. Am 16. Juni 1269"^®) stellt Otto kar sogar einen eigenen Schutzbrief für unsei-en Pfarrer und seinen Bruder Meister Theoderich, Pfarrer von Altpölla (Ger.-Bez. Allentsteig, N. ö.) und königlichen Kaplan, aus, der somit auch in Österreich als Kleriker lebte. Somit dürfte die Gründung der Cur mit ihi*en 25
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