Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Beiträge Diözesangesdiidite BE I LAQE DES WIENER DIÖZESANBLATTES Nr. 5(Mai 1968) 106. Jahrgang Nr.3 Wien, am 1. Mai 1968 9.Jah^ang Inhalt: 13. Wilfleinsdorf: Unfall iind Unglüdc am Fronleichnamstag 1849. — 14. Matriken-Behelfe. — 15. Wallfahrtskirche zu Ober-Hautzenthal. — 16. Franz Xaver Haidinger, Urgründer des „Apostolates der christlichen Tochter" imd des „St. Angela-Blattes" (t 1882).—17.Stetteldorfer Pfarrer als Schrift steller: Wilhelm Zoczek(1843/1849)— Matthias Terklau (1849/1868). — 18. Eine Eisenbahn-Meßstiftung. — 19. St. Johann Nepomuk, Wien II: Seelsorger-Reihe. — 20. Pillichsdorf: Sakramentsbruderschaft 15. Wilfleinsdorf: Unfall und Unglück am Fronleichnamstag 1849 (Aus dem Ordinariatsarchiv Wien als Beispiel für jeden Chronisten vorgelegt, wie er besondere Begebenheiten aufzeichnen und der interessierten Nachwelt erhalten möge). Hochwürdigstes Fürsterzbischofliches Consistorium! Der gefertigte Provisor der Pfarre Wilfleinsdorf erstattet über seinen erlittenen Unfall und das die Kirche Wilfleinsdorf betroffene Unglück folgenden Be richt: Am 7. Juny 1. J., als am h. Frohnleichnamstage, fuhr ich nach gehaltenen Segen zu Sarasdorf, nach Wilfleinsdorf, um daselbst, wie ich es während meiner Provisur alle Sonn- und Feyerstage zu thun gewohnt war, eine Predigt und den heil. Segen zu halten. Es war eine drückende Hitze, und die Kirchenfenster waren alle seit der vormittägigen h. Frohnleichnamsprozession, die ich durch P. Emerich Sunala Profeß von h. Kreuz und Administrator der Hschft Königshof in Ungarn halten ließ, offen. Ich war eben im zweyten Theil der Predigt, da plötzlich ein Sturmwind sich er hebt, und der heitere Himel mit schwarzen Wetterwol ken bedeckt war.Es fielen schwere Tropfen, und wenige Augenblicke darauf Hagel durch die offenen Fenster herein. Die Leute wurden unruhig und ich schloß mei nen Vortrag. Nach dem üblichen Schlußgebeth aber fiel der Hagel größer als ein Taubeney wahrhaft hageldicht durch die Fenster auf die Leute, daß sie nicht in den Bänken bleiben konnten. Von der Kanzel gestiegen, beruhigte ich die Leute, die erst vor 8 Tagen vom Hagel tüchtig heimgesucht wurden, und, da wir als schwache Geschöpfe gegen Gott und seine Elemente nicht streiten können, so forderte ich die Leute zum Gebethe auf, Beßeres konnten wir nicht thun. — Vori Donner und Blitz war bis zu diesem Augenblicke nichts zu hören. Der Kirchenvater zündete sonach am Hoch altar auf und ich ließ durch den Schullehrer die Kir chenfenster des Zuges wegen schließen. Dieser lehnte die Leiter an und schloß das Fenster neben dem Hoch altar, so dann ging er über das zweyte Fenster es ebenfalls zu schließen; ich stand in Röchet und Stola und wartete das gänzliche Schließen der Fenster ab. — Auf einmahl zeigte sich meinen Augen an dem Fenster gitter neben dem Hochaltar ein faustgroßes Licht und zugleich erdröhnte ein furchtbarer Knall, ich fiel, und hörte auf, nimmer bewußt zu seyn. Ich lag an den Stufen des Altars getroffen vom Blitz. Die Leute er zählten mir hernach: Ich sey gestürzt nebst 50 bis 60 Kindern, auch einige Weiber stürzten in den Stühlen. Eine Minute nach dem Schlage herrschte in der Kirche Todtenstille. Die entfernteren Weiber erhoben sich zu erst, sodann auch einige Kinder und erhoben ein furcht bares Geheul. Alles eilte der Kirchenthüre zu, allein nach dem Schlage fiel der Regen in Strömen herab, und an ein Hinauskommen war nicht zu denken. Ich lag noch immer regungslos auf den Boden. Endlich hoben mich die Kirchenväter auf, und trugen mich als todt in die Sakristei, die Augen standen weit offen, das Angesicht hatte ein erdfahles Aussehen. Endlich höhlte ich tief Athem, und das Bewußtseyn kehrte zurück. Mein erstes Wort war: Einen Arzt. Ich fühlte in der rechten Brustseite einen brennenden Schmerz, als wäre ich mit heißem Wasser begoßen. Der ganze rechte Fuß kribbelte mir, als läge er in einem Ameisenhaufen, in den Ohren hörte ich ein Sausen, wie von einem starken Wasserfall, die Sprache war stammelnd, das Gehör fast verloren; nach einer Viertelstunde besserten sich diese Zustände. Mein erster Gedanke war, ob nicht Feuer ausgebrochen sey. Die Kirchenväter berichteten mir, vom Feuer sey nichts zu sehen aber das Turmdach sey ganz zerissen und zerschmettert. Da sich niemand auf den Thiurm hinaufzusteigen getraute, so ließ ich die Glocken, eine nach der anderen anziehen — Gott sey Dank,sie gaben den alten Klang. — Das Geheul in der Kirche dauerte noch immer fort, endlich wankte ich geführt von den Kirchenvätern in die Kirche hinaus. Man richtete mir die Stola, die mir der Blitz abgerissen hatte und mehrere Schritte weggeschleudert war, meine silberne Tabaksdose lag an der anderen Seite der Kirche und war shwarz. Aber wie erbärmlich war der Anblick des Hochaltars! Die mettallenen Leuchter lagen alle auf der Erde, die Altartumba war aus den Fugen gerissen und an der Seite, wo der Blitz ausfuhr ganz zerfetzt, der Altarstein seiner hölzernen Einfas sung entledigt, die h. Reliquien fanden sich unverletzt vor, die Altartücher zum Theil angebrannt, das Bild B. M. V. angebrannt, die Rahmen zum Theil zer schmettert, die Vergoldung vernichtet, dasselbe geschah auch an dem großen Patroziniumbilde S. S. Ap. Petri et Pauli. Das Fenster neben, und jenes hinter dem Hochaltar in tausend Scherben zerschmettert, oben im Gewölbe zeigen sich zwey Löcher als Spuren des Blitz laufes. Die Orgel litt auch Alteration, die Hälfte der Pfeifen sprechen nicht an. Als ich nach und nach zu Kräften kam, ließ ich die Kirchenväter Stillschweigen gebiethen und ausrufen, daß ich jetzt den h. Segen halten wolle. Dieser Weisung zu Folge begab sich alles an die gehörigen Plätze, die Lichter am Seitenaltar wurden aufgezündet und ich begab mich zum zerstör ten Hochaltar, um das Allerheiligste zu übertragen. Als ich den Tabernakel öffnen wollte, erwartete ich das Schlimmste, da er ringsum angebrannt war. Es ist ein Walzentabernakel. Die Walze war zersprengt, und ließ sich nur mit vieler Mühe drehen. Das Ciborium kam mir zuerst in die Hände. Das Corporal war angebrannt, der Deckel vom Ciborium lag auf dem Corporal und zwey bis drey Partikeln unverletzt ebenfalls darauf, die übrigen Partikeln lagen in dem Kelche. Noch größere Mühe mußte ich anwenden,um zur Monstranze zu gelangen, ich mußte einen Kirchenvater zu Hilfe nehmen,so war die Walze im Gewinde. Endlich konnte ich durch eine kleine gewonnene Öffnung die Mon17

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