Glockenhaüs des Turmes wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Glodcen zersprangen durch die große Hitze und fielen stückweise in die Tiefe, wobei sie sdimolzen und sich bis zu kleinen Metalltropfen auflösten. Von 1848 bis 1852 wurde der heutige Turm nadi einem Entwurf des Hofbaurates Paul Sprenger unter der Leitung von Ing. Hieronymus Schaller von der Generalbaudirektion errichtet. Die kupferne Kreuzrose erweckte als damals größte galvanoplastische Arbeit große Bewunderung bei den Zeitgenossen''). Wie alle ärarischen Bauten des 19. Jahrhunderts ist der Turm ein nüchternes Bauwerk, dessen Helm und Fenster in neugotischen Formen gehalten sind. Eine hervorragende Zierde des Turmes war das neue, aus fünf Glocken bestehende Geläute, das von Ignaz Hilzer in Wiener Neustadt®) gegossen wurde. Am Montag, 3. Mai 1852®), wurde um 10 Uhr ein feierliches Hochamt abgehalten und hierauf von Weihbischof Dr. Franz Zenner die Weihe des Turm kreuzes und der Glocken vorgenommen'). Die „große Glocke von St. Augustin"®) wiegt 2850 kg, ist 2,50 m hoch und hat einen Durchmesser von 1,80 m. In ihrem Schmuck setzt sie die barocke Tradition fort. Unter einem Arabeskenornament weist sie zwischen zwei Zierleisten vier Medaillons mit den Reliefs der Heiligen Ferdinand, Anna®) und Leopold auf. Darunter sind einerseits der österreichische Dop peladler und andererseits folgende Inschrift angebracht: GEGOSSEN VON I. G. HILZER K. K. HOFGLOCKENGIESSER ZU W.NEUSTADT. 1851 UNTER DEM H. W. HERRN EHREN DOMHERRN U. PFARRER J. N. SEGERER DEM HERRN VOGTEI COMMISSÄR F. C. MANUSSI U. DEM'®) KIRCHEN PROBSTEN") J. KOLLITSCH U. JAUNER. Sie ist eine Septim-Glocke in gußtechnisch sauberer Ausführung mit etwas gedämpfter Tongebung, die für ein vollständiges, feierlich wirkendes Geläute be stimmt ist. Die drei kleineren Glocken der Hofpfarrkirche mußten im Ersten, die zweitgrößte Glocke im Zweiten Weltkrieg (1942) zu Kriegszwecken abgeliefert werden. Nur die große Glocke wurde wegen ihres klanglichen und historischen Wertes verschont. Beim großen Bombenangriff auf Wien am 12. März 1945''') wurde St. Augustin schwer beschädigt und seine kostbare Orgel vollständig zerstört. Während der Kampfhand lungen im April 1945 erhielt der Turm einen Granat treffer'®), doch entstanden keine Schäden am Glocken haus und an der Glocke. Nach Abschluß der umfangreichen Wiederaufbau arbeiten wui'de die Kirche im Jahre 1950 wieder eröff net und am 1. April 1951 erfolgte die Wiedererrichtung der Pfarre St. Augustin") und ihre Übergabe an den Orden der Beschuhten Augustiner-Eremiten durch Kar dinal Dr. Theodor Innitzer. Von 1945 bis 1964 mußte die Glocke schweigen, da sie von vier Mann oben im Turm geläutet werden mußte und nicht regelmäßig so viele „Glöckner" eingesetzt werden konnten. Zudem waren die Läutseile vielfach verknotet und rechx brüchig. Im Juli 1964 wurde ein elektrisches Läutwerk von der Firma Sachs in Salzburg eingebaut. Diese Arbeit war sehr schwierig, da der Turm schmal und die Glocke ziemlich umfangreich ist. Aus diesen Gründen schien es schon, als könnte die Glocke gar nicht „elektrifiziert" werden, zudem einige Fii'men den Auf trag abgelehnt hatten. Die Glocke wurde nur am Sonntag zu den hl. Messen um 8, 9, 10, 11 und 18.30 Uhr geläutet, unter der Woche jedoch nicht. Ein Pfarrkind machte beim ersten Geläute nach so vielen Jahren den Ausspruch: „Jetzt ist erst richtig Sonntag". Leider stellten sich seit 1965 Sciiwierigkeiten ein. An einem Sonntag im Oktober 1965 riß unter dem Läuten der Klöppel ab und bohrte sich zwei Geschosse tiefer in den Boden. Erst nach längerem Suchen konnte er aufgefunden werden. Hierauf wurde er wieder fest gemacht. Im März 1966 trat ein Defekt an der Läutemaschine auf. Bei einer Läutprobe an einem Werktag um 15.30 Uhr bewegte sich die Glocke nicht. Als der Pfarrer im Turm Nachschau hielt und ihr von oben einen leichten Stoß gab, begann sie plötzlich voll zu läuten. Der Weg hinunter im engen Turm war damit abgeschnitten. Der Pfarrer mußte sich hinauf auf die Galerie begeben und durch Winkzeichen verständlich machen, was erst nach rund 40 Minuten Erfolg hatte — einige Passanten winkten freundlich zurück! — als ein bei der Albertina an der Entfernung der letzten Schneehaufen arbeitender Schneeschaufler die Situation erfaßte und im Pfarrhof die Abstellung der Glocke veranlaßte. Am Sonntag, 26. Juni 1966, beim Einläuten der 9-Uhr-Messe begann die Glocke plötzlich, anstatt melo disch zu läuten, in einem blechernen, kläglichen Ton zu „scheppern". Eine Untersuchung ergab, daß der untere Teil des Mantels bis ca. 15 cm über den Rand einen durchgehenden Sprung aufwies. Dieser kata strophale Riß kann nur durch ein fatales Zusammen treffen mehrerer Ursachen entstanden sein, über die feste Aussagen jedoch nur schwer möglich sind. Nach fachmännischem Urteil ist die alte Glocke nicht mehr zu retten. Es muß ein Neuguß erfolgen. Die neue Glocke müßte von außen aufgezogen werden, wobei ein Turmfenster zu vergrößern wäre, da die Zwischenböden im Turm heute zum Teil zementiert sind. Die Kosten für einen allfälligen Neuguß bewegen sich (mit Montage) in einer Größe um 100.000,— S. Die kleine Pfarre kann kaum von sich allein aus diese Summe aufbringen, zumal derzeit eine dringend nötige Turmrestaurierung durchgeführt wird. Die Eisenkon struktion der Spitze ist durch Rost schwerst beschä digt und muß an den Außenteilen ergänzt werden. Auch ein Mauerverputz ist geplant. Zur Vornahme dieser Arbeiten ist der Turm seit April 1967 eingerüstet. Derzeit steht es noch dahin, wie sich das weitere Schicksal der bekannten Glocke gestalten wird. (Das Manuskript wurde am 15. September 1967 abgeschlos sen.) Anmerkungen: ') Für gütige Mitteilungen danke ich H. Pfv. P. Hyazinth Schwate OSA. — ^) Zur Geschichte der Kirche und des Klosters vgl. Franz Loidl, Das Augustiner-Kloster bei der Wiener Hofburg. Wien 1948. — Friedrich Rennhofer, die AugustinerEremiten in Wien (Cassiciacum 13). Würzburg 1956. — Cölestin Wolfsgruber, Die Hofkirche zu St. Augustin in Wien. Augsburg 1888. — ®) Wolfsgruber a. a. O. 13. — ■•) Zu allem Wolfsgruber a. a. O. 35 f. — ®) Hilzer 44
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