74. Kirchengeschichte in Kirchen-Fenstern Propst Dr. Anton Maria Pichler, Wien Die Wiener Votivkirche sollte nach dem Willen ihres Stifters eine Art österreichische Westminster Abbey, eine österreichische Ruhmeshalle werden. Des halb wurden Skulpturen von Heiligen aus dem Groß raum der alten Monarchie aufgestellt und das Grabmal des Verteidigers von Wien bei der ersten Türken belagerung, des Grafen Niclas Salm, hieher übertragen. Der Zweite Weltkrieg zerstörte alle Fenster der Votivkirche. Wohl wurden nach dem Krieg die Fenster provisorisch verglast, aber das damalige Material und die Würde der Kirche nötigten zu einer neuen Ver glasung. Von den früheren Fenstern war nur von einem einzigen die Original-Zeichnung vorhanden, vom „Kaiser-Fenster" Eduard von Steinles, das der Erret tung des Kaisers Franz Joseph vor einem Attentat ge widmet war. Es konnten also für die Neuverglasung aller übrigen Fenster andere als die ursprünglichen Ideen verwirklicht werden. Die derzeitige Kirchen leitung hat den Baugedanken von der österreichischen Ruhmeshalle aufgegriffen. Als erste erhielt die Bischofs-Kapelle neue Fen ster. Sie ist so benannt, weil der erste Propst der Kir che, der in Wien unvergessene Weihbischof Dr. Mar schall, dort seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Es war naheliegend, für die Fenster dieser Kapelle Bischofsgestalten der österreichischen Kirchengeschichte zu wählen. Einen Teil der Kosten eines Fensters über nahm der österreichische Imkerbund, als ihm die Mög lichkeit gezeigt wurde, seinem Patron, dem hl. Ambros, ein Fenster zu weihen. Das oberste Bild zeigt diesen Heiligen als kaiserlichen Beamten beim Vorsitz für die Wahl eines neuen Mailänder Bischofs, und das Kind, das Ambros als Bischof forderte. Die beiden nächsten Bilder bringen die Beziehung des Heiligen zu Öster reich: auf einer Landkarte nach dem Muster der tabula Peutingeriana zeigt Ambros einem Boten den Weg über die Alpen, wo er der Germanen-Fürstin Frigitil nördlich der Donau den Katechismus-Brief des Bischofs überbringen sollte und die Übergabe des Briefes nebst einem Büscherl Alpenblumen an Frigitil. Auf dem vierten Bild segnet Ambros Bienen-Körbe. Ausfliegende Bienen bilden einen Heiligenschein um das Haupt des Bischofs. Das zweite Fenster zeigt den hl. Altmann, wie er mit Göttweig im Hintergrund als Katechet des hl. Leo pold dem Fürstensohn die erste hl. Kommunion reicht. Im Investiturstreit, den der Griff des Kaisers und des Papstes nach einem Pastorale anzeigt, betet Altmann vor einem romanischen Madonnenbild. Der hl. Leopold überreicht als Fürst ein Pastorale einem seiner Söhne, dem seligen Otto, den er zum Propst von Klosterneu burg erhob und der dann Bischof von Freising wurde. Ein zweites Pastorale übergibt Leopold dem seligen Hartmann, den er auch zunächst zum Propst von Klosterneuburg ernannt hatte und der später Bischof von Brixen wurde. Auf einem dritten Fenster sehen wir Eneo Silvio Piccolomini als Sekretär des Römischen Kaisers Fried rich III. in Wien, dann als Bischof von Siena bei der Verlobung Friedrichs mit Eleonora von Portugal und schließlich als Papst Pius II. Dieses letzte Bild des Fensters zeigt auch die Wiener National-Bibliothek. Eneos Sekretärs-Arbeit bei Friedrich trug ja wesent lich für den Aufbau eines Grundstockes der NationalBibliothek bei. Das vierte Fenster der Bischofs-Kapelle ist dem hl. Clemens Maria Hofbauer geweiht. Einer seiner geistigen Söhne, der ehrwürdige Diener Gottes Fried rich V. Baraga, war als Indianer-Missionär Bischof geworden. Ein weiterer Schüler Hofbauers, Othmar Kardinal Rauscher, ist als Lehrer der beiden Kaiser Franz Joseph und Max von Mexiko dargestellt. Knapp vor Ostern 1967 wurde das große Quer schiff-Fenster auf der Rathaus-Seite eingebaut. Es kündet von Vertretern der katholischen Sozial-Reform in Österreich. Die Komposition war durch das gegen überliegende Kaiser-Fenster Steinles bestimmt, zu dem das neue Fenster ein Gegenstück sein mußte. Den beiden beherrschenden Christus-Darstellungen im Mit telteil des Kaiser-Fensters entsprechen im neuen Fen ster der hl. Severin, der Gefangene befreit, und der hl. Martin, der Nackte bekleidet. Dem Steinle-Fenster entsprechend sind im unteren Teil zwei Gruppen von Gestalten. Den Mittelpunkt der einen Gruppe, Fürst erzbischof Anton Kardinal Gruscha als „Gesellenvater" umgeben der Klosterneuburger Chorherr Rudolf Eich horn als tapferer Fürsprecher der Donaudampfschifffahrts-Matrosen und der Tramwayer, und der ehr würdige Diener Gottes Anton Maria Schwarz als Grün der der Congregation für Arbeiter-Seelsorge (Calasantiner). Die parlamentarischen Vertreter der katholi schen Sozial-Reform in Österreich vertritt auf dem Fenster die ehrwürdige Dienerin Gottes Nationalrat Dr. Hildegard Burjan, die Gründerin der Caritas sozialis. Der Zentral-Figur der zweiten Gruppe, dem Papst Leo XIII., dienen für die Abfassung der Enzyklika „rerum novarum" der Dominikaner Albert Maria Weiß und Carl Freiherr v. Vogelsang. Leo seinerseits reicht die Enzyklika dem Grafen Franz Kueffstein zur Be gutachtung. Den Abschluß bildet der ehrwürdige Die ner Gottes Kaiser Carl I. von Österreich, wie er den Prälaten Seipel zum ersten Sozial-Minister der Welt ernennt. Der Künstler, der die Ideen dieses Fensters bei der Firma Geyling verwirklicht hat, ist Professor Hans Schweiger. Die Fenster der Bischofs-Kapelle hat durch die Firma Götzer ein Mitglied der Pfarrgemeinde ge arbeitet, Frau Christine Feldmann, in Wiener Künst lerkreisen als Christi Räntz vom Josephstädter Theater und dann als Direktor des seinerzeitigen „Wiener Werkel" bekannt. Den beiden Künstlern werden auch die weiteren Fensterpläne anvertraut: für die KreuzKapelle österreichische Soldaten-Heilige (die Votiv kirche war Garnisonkirche!), für die Epistelseite des Hauptschiffes: Maria in der österreichischen Geschichte, und für die Evangelienseite: Christus in demselben Bereich. Kirchen-Fenster sollen zum andächtigen Gebet anregen. Mögen diese Fenster erzählen, wie Gott Men schen zur Heiligkeit führt und wie Er im Mitmenschen geliebt sein will. 75. Kleines heiliges Wien: Religiöse Hauszeichen und Pietätsgegenstände (neuerlicher Nachtrag) Dr. Franz Loidl Hier sei auf inzwischen Erschienenes zu diesem Thema aufmerksam gemacht: Martin Stur: Zeichen am Weg. Bildstöcke, Feldkreuze, Feldkapellen. Ihre Ge schichte, ihre Erhaltung, ihre Neugestaltung. Kathol. Bildungsheim Groß-Rußbach, N.ö. (Vervielfältigung). — Alex. Grünberg: Pestsäulen in Österreich, Wien i960. — Paul Sekora, Kustos d. Landstraßer Heimat museums. Gedenksäulen des Bezirkes, in: Mitteilungen des Landstraßer Heimatmuseums (Wien III), 3. Jg. 1966, 5. u. 6. Heft f. — Emil Schneeweiß: Bildstöcke u. Wegsäulen in Währing, in: Unser Währing, 1, Jg. 1966, 2. Heft, S. 9—16. — Otto Swoboda: Überall: Mahner •) Siehe Beiträge z. Wr. Diözesangeschichte, Jg. 3 (1962), Nr. 6; Jg. 4 (1963), Nr. 1—6; Jg. 5 (1964), Nr. 1; Jg. 6 (1965), Nr. 2. — P. Josef Pick CMF sei für einen Hinweis auf den IX. und je zwei Hinweise auf den VIII. u. XVII. Bez. gedankt (Mitt. v. 3. 8. 1966). 39
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