Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Maier^) und eben Kaplan i. R. Franz Steurer, dessen gütiges, bescheidenes Wesen ihm gleich auffiel und dessen Hilfsbereitschaft er wie andere gelegentlich an geboten erhielt. Die Unterstützungsfreudigkeit der Familie Steurer wird noch heute gerühmt^). Es sind nur wenige Daten und kaum auffallende Leistungen, die über dieses kurze Priesterleben ange führt werden können, es sei aber des Verstorbenen dennoch gedacht, da er als einziger Wiener Diözesanpriester NS-Euthanasie-Opfer wurde. Am 13. März 1906 als einziges Kind bemittelter Wirtschaftsbesitzer in Etsdorf Nr. 67 am Kamp (Nö., Wiener Erzdiözese) geboren und am 18. d. M. auf den Namen Franz Josef getauft^), besuchte Steurer das Knabenseminar im etwa 22km entfernten Hollabrunn, maturierte daselbst 1925®) und trat anfangs Oktober ins Alumnat ein®). Wurde nach gutem Studienerfolg am 13. Juli 1930 zum Priester geweiht"), allerdings auf eigenen Tischtitel®), da er wegen unheilbarer Krank heit (Epilepsie?) einem geregelten Seelsorgs- und Schuldienst nicht gewachsen erschien und, wie sich zeigte, auch nicht nachzukommen vermochte. Die Wirt schaft seiner Eltern ermöglichte ihm die eigene Sustentation. Angemerkt sei gleich, daß er ohne Aufhebens ärmere Mitalumnen finanziell unterstützte, was nur wenigen bekannt wurde, und daß er schon bei der Primizfeier am 20. d. M.®) in seinen Dankesworten den Wunsch aussprach, sein Elternhaus möge einmal in eine Stiftung, etwa einen Kindergarten, umgewan delt werden, was sich dann erfüllen sollte. Der Neomyst wurde zwar am 1. September 1930 Kaplan in Straning^®) und im März vorübergehend in Fallbach^^), mußte aber krankheitshalber beurlaubt werden, ja mit 31. Oktober 1936 in den dauernden Ruhestand treten^^) und blieb bis zu seinem Tod i. J. 1941 im Kranken- bzw. Defizientenstand und ohne Diözesananstellung. Was der Leidgeprüfte die ganze Zeit über dann innerlich gelitten hat, wurde gelegentlich aus mündlichen und schriftlichen Äußerungen offenbar, am deutlichsten und erschütterndsten in den Krisen monaten Juli und August 1933, da er aus dem ordent lichen Seelsorgsdienst scheiden und sein dauerndes Unvermögen hinnehmen mußte. Vor mir liegt die ein fache Broschüre von Dr. Robert Klimsch: „Wie Gott sucher die Wahrheit fanden (Bekehrungsgeschichten berühmter Männer und Frauen)",Klagenfurt, St. JosefBücherbruderschaft, 112 Seiten, worin er mit zittriger Hand in schwer lesbarer Schrift Randbemerkungen anbrachte, wie: „Ich glaube ganz fest an den Gott menschen Jesus Christus, denn die Last des eigenen Unglaubens und Leidens hatte mich Ende Juli, anfangs August 1933 wahnsinnig gemacht." Auf der ersten Seite bezeichnete er die Schrift als sein letztes Buch, das ihm vieles beitrug zur Freude, als der Ib. Gott ihm die Gabe des Glaubens an Jesus gab. Wie in einem Vermächtnis wendet es sich an seine Mutter: „Glaube und liebe Jesu und verzage nicht in dem vielen Leid und auch nicht im Sterben. Empfange Jesus in der hl. Kommunion und lies dieses Buch zur Erinnerung an mich!" Er fühle sich nun gerettet und glücklich und dies selbst, wenn der Ib. Heiland ihn heute von der Erde abberufen wolle. Er weilte damals in Zell am Ziller, wie er angibt. 1935 kam er u. a. in die nö. Landes-Nervenheilanstalt Mauer-Öhling bei Amstetten'®). Als sich dann ab 1938 das NS-System auszuwirken begann und von der Durchführung der Rassen- und Euthanasie-Gesetze gemunkelt wurde^'), befürchtete der Kranke sehr mit Recht, daß auch er davon bedroht sein werde, und bat daher inständig, andeutungsweise auf Karten und be wegt sogar in Briefen, seine Leute möchten ihn heraus nehmen. Leider jedoch verzögerten sich die Bemühun gen, so daß es schließlich zu spät war. In die berüch tigte Pflegeanstalt Schloß Hartheim bei Linz über stellt^®), mußte er dort schon am 23. Mai 1941 einsam und ohne Versehen sterben^®), erst 35 Jahre alt, nur elf Jahre Priester. Die Urne mit der Asche (?) wurde nach ihrer Überführung am 8. Juni in einem Sarg in der Familiengruft des Heimatfriedhofes vom Orts pfarrer Franz Pichler'''') und unter Teilnahme einiger Mitbrüder seines Weihejahrganges beigesetzt'®). Am 30. November 1952 folgte ihm seine längst verwitwete Mutter im Tode nach.'®). Auf Grund seines schon ange deuteten und öfter wiederholten Wunsches und laut letztwilliger Verfügung seiner Mutter wurde das ver waiste Anwesen mit 16 Joch Äckern und fünf Vierteln Weingarten als sog. Steurer-Stiftung der Wiener Erz diözese vermacht'^) und seit 1955 in einen Kindergar ten umgewandelt und wird nun als Eigentum von der Kongregation der Schwestern vom Dritten Orden des hl. Norbertus geführt^'). Mündliche und schriftliche Quellen und Literatur: ') Anfangs Oktober 1926. — -) Am 22. 3. 1945 im Wie ner Landesgericht enthauptet. H. Steiner, „Zum Tode verurteilt". Europa-Verlag,Wien (1964),S.190.— ®)Diese u. noch andere Mitteilungen von Pfr. Josef Nowak und den oben genannten Schwesternvorsteherinnen. — ^) Taufbuch d. Pfr. Etsdorf tom. VI, fol. 96, RZ. 5. — Vater Franz St., Mutter: Maria geb. Blauensteiner, beide vermählt am 6. 6. 1905. — ®) H. Groer, „Hundert Jahre Knabenseminar der Erzd. Wien, Hollabrunn" (1956), S. 166. — ®) Mitt. der Alumnatsdirektion. — ■') Personalstand d. Wr. Erzd. — ®) Wie ®). — O) Lt. frdl. Mtlg. Prämonstratenserinnen Etsdorf. — Wiener Kir chenblatt 1930, Nr. 28. — Pfarrer war Josef Meixner seit 1913. — '®) Personalstand; Wr. Diözbl. 1930, S. 117. — ") Personalstand; Wr. Diözbl, 1933, S. 39. — "^) Ebda. 1936, S. 128. — '®) Gedenkbuch d. Pfr. E. II, S. 25. — '•'l Siehe: Reimund Schnabel, „Die Frommen in der Hölle". Röderberg-Verlag, Frankfurt a. M. (1965), S. 79 ff. — Walter von Baeyer (Prof. f. Psychiatrie u. Neurologie, Heidelberg): „Die Bestätigung der NSIdeologie in der Medizin unter bes. Berücksichtigung der Euthanasie" in: Universitätstage 1966: „National sozialismus u. die Deutsche Universität", W. de Gruyter & Co., Berlin 1966, S. 63 ff. — '®) Gedenkbuch a. a. O. — Hier wurden -an die 30.000 Menschen als unwerte Leben vergast. Nun ersteht seit 1965 als Sühne- und Gedächtnismal vor dem seit 1889 als Pflegeheim ver wendeten und durch den NS so entwürdigten Schloß ein Neubau für ein Kinderheim. „Kinderdorfkalender St. Isidor", Leonding b. Linz (1967), S. 37 f. — '®) Ge denkbuch a. a. O.; Wr. Diözbl. 1941, S. 41; 1946, S. 225; Sterbeurkunde d. St. A. Hartheim, Oberdonau, Nr. 54/ 75, Zeit: 3.20 Uhr. Darauf erscheint nur die Mutter angegeben. Anzeige des Leiters der Landesanstalt Staud. Todesursache: Phlegmone, Sepsis (?!). — ") Pfar rer ab 1935. — '®) Sterbebuch d. Pfr. E. tom V, fol. 146; Gedenkbuch a. a. O. — '®) Sterbebuch d. Pfr. E. tom. VI, fol. 33. Stammte aus Kollersdorf b. Tulln und stand im 72. Lebensjahr. — Gedenkbuch d. Pfr. E. a. a. O., S. 74/75. — '^) Prämonstratenserschwestern. 1953 in der Wr. Erdzd. kanonisch errichtet mit dem Mutter haus „Mediatrix", Wien XVIII, Währinger Güterl 77. — NB. Steurer folgten als Opfer des NS-Regimes aus dem Weihejahrgang 1930: Anton Grois, der am 20. 3. 1942 als WehrmachtsPfr. an der Ostfront fiel, erst 37 Jahre alt und nur 12 Jahre Priester, und Kaplan Alexander Sträußl, der als SanSoldat in Stalingrad vermißt ist. 38

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=