Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

katholischen Kalender vom Jahre 1854 Seite 62, 63 und 64 die k k Findelanstalt scharf kritisiert habe, sei es wahrscheinlich, daß er die angegebenen Äußerungen gemacht habe. Er sei dazu nicht berufen, k k Anstalten seiner Kritik zu unterziehen. Außerdem seien die Vor würfe unwahr! Da Jarisch nicht dem Laienstande angehört, werde nicht die k k Staatsanwaltschaft bemüht, sondern der Fürster^isdiof ersucht, den genannten Priester hier über einzuvernehmen „und ihm die geeigneten Erin nerungen machen zu lassem" (Original) 161, 1854, Juli 25, Wien Protokoll, das beim fürsterzbisdiöflichen Konsi storium in Wien mit dem Lehrer im k k Taubstummen institut-Dr. Anton Jarisch, seit 1842 Weltpriester der Leitmeritzer Diözese, aufgenommen wurde. Gegen stand ist die Beschwerde der k k Statthalterei über die von demselben in seiner Predigt und im Kalender 1854 enthaltenen Ausfälle gegen das Allgemeine Kran kenhaus und die Findelanstalt. Er betont, daß sein Interesse am Wohl der Gesell schaft und der leidenden Menschheit durch seine bis herige Tätigkeit zur Genüge bewiesen sei. Es liege ihm auch das Seelenheil der Kranken im Allgemeinen Krankenhaus besonders am Herzen. Er verstünde unter dem Ausdruck Siechenhaus genau dasselbe wie Kran kenhaus. Der Passus „Winkel in der traurigen Fabrik, wo die leidende Menschheit fabriksmäßig geheilt oder nicht geheilt wird", soll nichts Verächtliches bezeichnen, sondern eine Lokalität, wohin man die Abteilung des Handlungskrankeninstitutes verlegte, unbeschadet der Tatsache, daß dieselben Lokalitäten gegenwärtig sich in besserem Zustand befinden mögen. Was die Zahl der Priester zur Krankenseelsorge betrifft, sei sie seines Eraditens zu gering. Ebenso sei der moralische Zustand der Krankenwärterinnen tadelnswert. Was die Sorge für den Leib betrifft, habe man einen taub stummen Knaben voll Läusen und anderem Ungeziefer nach Hause geschickt und ein zweiter habe vier Nächte infolge der Bisse des Ungeziefers nicht schlafen kön nen. Dies könnten die übrigen Vorsteher des Institutes bestätigen.Zum Vorwurf, daß er diese Dinge an he'iliger Stätte vorgebracht hätte, wolle er betonen, daß jenes Gotteshaus eine Hauskapelle mit geschlossenem Audi torium sei. Abschließend brachte ihm der Kanzleidirektor Leopold Stöger in Erinnerung, daß er künftighin solche oder ähnliche Bemerkungen an heiliger Stätte nicht vorzubringen habe. Zu den Vorwürfen bezüglich seines Tadels an der k k Findelanstalt wolle er feststellen, daß Mißstände längst öffentlich ausgesprochen seien, was auch die gegenwärtig zusammengestellte Kommission beweise. Das Findelhaus habe seine Grenzen überschritten, was durch stiftungswidrige Handlungsweise und schädliche Gebarung bewiesen sei. Außerdem habe er als Prie ster die Pflicht, die schreckliche überhandgenommene Demoralisierung des weiblichen Geschlechtes aufzu zeigen, da das Findelhaus eine Zufluchtsstätte nicht nur der gefallenen menschlichen Schwäche, sondern sogar dem öffentlichen Laster bietet, was mehr befördert als behindert wird.(!!) Das Elend der gefallenen Weibs personen und die oft dem Hungertod preisgegebenen Findlinge mache ihm das Schweigen unmöglich. Noch dazu habe eine medizinische Wochenschrift vor einigen Wochen ihre Grundidee bezüglich des Findelhauses mit den Worten ausgesprochen: „Wir leugnen, daß die Schwangerschaft lediger Frauenzimmer ein Laster oder die Folge eines Lasters sei" und so „für das Findel haus in der schmutzigen kommunistischen Richtung das Wort führe". Jarisch sei davon überzeugt, daß das Findelhaus in jetziger Gestalt sich in einem Zustand befinde, der dem Willen des Stifters widerspricht. Er halte es für seine heilige Pflicht, seine Stimme da gegen zu erheben. Sonst sei nichts mehr anzugeben. (Original) 162, 1854, Juli 30, Wien Der Erzbischof berichtet dem Statthalter der k k nö Statthalterei über die ausführlichen Aussagen des Weltpriesters Dr. Anton Jarisch bezüglich der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und seine im Protokoll nieder gelegte Verantwortung. Bezüglich des Krankenhauses sei er erinnert worden, künftighin an heiliger Stätte solche Dinge nicht vorzubringen. Bezüglich der Äuße rungen des Findelhauses habe er zu Protokoll gege ben, daß diese Anstalt im gegenwärtigen Zustand auf die Entsittlichung des weiblichen Geschlechtes den verderblichsten Einfluß ausübe und er sei vom gei stigen Elend der gefallenen Weibspersonen und dem traurigen Schicksal der oft dem Hungertode preisge gebenen Findlinge zutiefst ergriffen. Er als Erzbischof müsse allerdings bezeugen, daß der Priester Dr. Janisch in der Hauptsache die Wahr heit gesprochen habe. Dieses öffentliche Geburtshaus gewähre dem Laster alle mögliche Ermutigung und Bequemlichkeit und „unter den Zöglingen des Findel hauses wütet der Tod nach einem erschreckenden Maß stab." Er habe bei seiner unlängst vorgenommenen Visitation bei Untersuchung der Pfarrbücher traurige Beweise erhalten. „Für so beklagenswerte Ereignisse wird jährlich eine Summe von 600.000 f CM aufge wendet." Die ganze Anstalt kranke also offenbar an tiefliegenden Gebrechen und es sei höchst wünschens wert, eine gründliche Reorganisierung vorzunehmen. (Konzept) Hier enden leider die vorhandenen Unterlagen im Diözesanarchiv. Ebenso fehlen sie bezüglich des Taub stummeninstitutes über die Zeit des ausgehenden 18. Jhdts. vollständig und des beginnenden 19. Jahr hunderts weitgehend. Diese wären allerdings von be sonderer Bedeutung, weil sie die großen Leistungen der ersten Seelsorger im Taubstummeninstitut be richten und der Nachwelt in Erinnerung halten wür den, Herausgeber, Verleger und Eigentümer: Erzb. Ordinariat, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Verantwortlicher Schriftwalter: Univ.-Prof. Dr. Franz Loidl, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Druck und Versendung: Mechitharisten-Buchdruckerei, Wien VII, Mechitaristengasse 4. 32

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