Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Wie in Deutschland und England so war auch in Österreich die wirtschaftliche Notlage — hervorge rufen durch den Staatsbankrott im März 1811 imd dann durch „das Fehljahr 1817" — die Triebfeder gewesen, dem Sparkassen-Problem Aufmerksamkeitzu schenken, das durch ähnliche Institute wie die kumulativen Waisenkassen der Patrimonialgerichte irgendwie schon vorbereitet war. Die Anregung hiezu ging von dem damaligen Minister des Innern (Obrist-Kanzler) Grafen v. Saurau aus, der selbst wiederum durch eine Publi kation über alle wichtigen englischen Sparinstitute im Februar 1819 dafür interessiert worden und sich an einige angesehene Bürger in der Leopoldstadt wandte^). Der dies sogleich zu verwirklichen suchte, war der Vorsteher der Hauptpfarre in diesem Bezirk, Pfarrer Weber, der Jahre später in der Pfarrchronik von Mannswörth, wo er von 1831 bis 1839 weilte, eigenhändig vermerkte, daß im Jahre 1819 die Erste österreichische Sparkasse durch ihn ins Leben ge treten sei. Dasselbe bestätigte die Chronik der Pfarre St. Leopold, deren Verfasser es doch wissen mußte, worin es heißt, daß man Weber, „ohne der Wahrheit zu nahe zu treten, wirklich den Gründer nennen dürfe, denn er war das Organ, das die bemittelten Bürger der Leopoldstadt bewog, diesem Verein beizutreten und durch ihre Einlagen ihn ins Leben zu bringen". Weber packte nämlich gleich zu,ließ zur Schaffung des grundlegenden Fonds daselbst einen Subskriptionsbogen auflegen, in den sich innerhalb von wenigen Tagen eine stattliche Anzahl wohlhabender Leopold städter (Handelsleute und Gutsbesitzer) eintrug, die Beträge von 100 bis 1000 fl., insgesamt an die lO.OOO fl.. C. M.zeichneten; ein Beweis für das Ansehen und den Einfluß Pfarrers Weber. Mit ihm an der Spitze waren es im Jahre 1819 bereits 53 Mitglieder, die im Laufe der Zeit die verschiedenen Funktionen (eines Vorstehers, Kuraten, Ausschusses beziehungsweise deren Stellvertreters oder Ersatzmannes) bekleideten. Freilich schieden später zwanzig dieser Urmitglieder wieder aus und nur vier überlebten Weber ^). Nach zwei Besprechungen der Subskribenten im Mai dieses Jahres wurden schon die Statuten des Vereines der „Ersten österreichischen Spar-Casse in der Leopoldstadt in Wien" durch eine Deputation der Vereinsmitglieder bei der Hofkanzlei eingereicht und diese „in einer für den Vormärz jedenfalls seltenen Weise"") im Juli von der n. ö. Landesregierung be stätigt, was dafür spricht, daß man diese junge, ge meinnützige und zeitgemäße Einrichtung zu würdigen wußte. Hierauf schritt man zur Wahl der Vereins funktionäre, stellte nötiges Personal ein, arbeitete die Instruktionen und die Geschäftsordnung aus und be gann mit der Propaganda. In der „österr.-kaiserl. pri vilegierten Wiener-Zeitung" und im „österr. Beobachter" wurden mit 30. August Statuten und Ge schäftsordnung publiziert und „alle Obrigkeiten, Seel sorger, Schullehrer, Hausväter und Dienstherren ein geladen", mit dem Verein den idealen Zweck zu ver folgen. Am 4. Oktober, dem Namenstag des Kaisers Franz I., fand programmgemäß die feierliche Instituts eröffnung statt. Ausschußmitglied Pfarrer Weber zelebrierte in seiner Kirche zum hl. Leopold einen Festgottesdienst und hielt dabei eine „zweckmäßige Kanzelrede" in Anwesenheit Fürsterzbischofs Hohenwart, des n. ö. Re gierungspräsidenten Freiherrn v. Reichmann und einer großen Anzahl von Bewohnern der Residenz. Hernach begann sofort „die Amtierung der Spar-Casse" in dem vom Pfarrherrn unentgeltlich zur Verfügung gestell ten und aus Küche und Wohnung der Dienstleute um gestalteten Amtslokal im Parterre des Pfarrhofes; und schon in wenigen Stunden waren mehrere Tausend Gulden C. M. und ebenso mehrere Tausend Gulden Wiener-Währung von verschiedenen Individuen einge gangen""). „Um die Eröffnung der Anstalt mit einem Wohl tätigkeitsakt zu verbinden und dem jungen Institut die Huld des Kaisers zu sichern", hatten die ersten zwei Obervorsteher bereits im September dem Verein einen Betrag von 500 fl. C. M. und 1250 fl. W. W. mit dem Ersuchen angeboten, daraus die ersten Einlage bücher, und zwar je fünfzig, zu bilden und dem Herrscher zur Verteilung an würdige Kinder der unteren Klassen von zwölf bis fünfzehn Jahren zu unterbreiten". Als dann am 7. Oktober dem Kaiser in einer Audienz besagte Einlagebücher überreicht werden durften, führte Ausschußmitglied Pfarrer Weber als Sprecher der dreiköpfigen Abordnung in damals gebräuchlicher Schwülstigkeit aus: daß Se. Majestät über die hundert Einlagebücher huld reichst verfügen möge, die Deputierten voU Freude von einem erwarteten Erfolg ihres Institutes melden könnten und an dessen glücklicher Fortdauer nicht zu zweifeln sei, wenn Se. Majestät als Vater seines ihn treuliebenden Volkes diese Anstalt durch eine väter liche Handlung auf ewig heilige'^). Damit war, so schließt der Bericht, die erste und somit älteste Spar kasse mit dem Wahlspruch: „Mit Gott, Landesfürst und Vaterland!" ins Leben getreten. „Besonders für die dienenden Menschenklassen", so heißt es in der Pfarrchronik von St. Leopold, „zum Zwecke errichtet, kleine Kapitalien sicher zu stellen, diese mäßig zu verzinsen, die davon entfallenden Inter essen, die nicht behoben werden, wieder nutzbringend zum Kapital zuzuschlagen und zu erheben und die ganzen Einlagen auf jedesmaliges Verlangen wieder zurückzubezahlen, fand diese Anstalt ein herrliches Gedeihen", wie ein Vergleich zwischen dem Stand im Gründungsjahr 1819 und dem im Todesjahr Webers 1848 deutlich macht®); und diese Aufwärtsentwicklung dauerte „trotz schlechter Zeiten und böser Stürme" bis in die Gegenwart an "). Weber blieb auch fernerhin nicht nur an dieser Stiftung interessiert, sondern half stets aktiv an der weitei*en Förderung und Ausbreitung des Werkes mit. So war er es, der sich an der Spitze einer Aus schußdeputation um die Gewinnung einer prominenten Persönlichkeit, zum Beispiel des lombardisch-venezia nischen Hofkanzlers Grafen Goeß, bemühte, und ihn zur Übernahme der obersten Leitung bewog. Dies war zur Ansehenserhöhung des Institutes notwendig. Weber betätigte sich auch schriftstellerisch und ließ, nachdem schon 1820 im Verschleiße der Sparkasse und anonym die kleine Schrift: „Errichtet Spar-Cassen! Worte eines Menschenfreundes an alle Altern, Seelsorger, Schul lehrer, Fabriks-, Gewerbs- und Dienst-Herren" (ge druckt bei Anton Strauß, Wien, 16 S.) herausgebracht war, seine ebenso anonyme und der Kaiserin Karoline Auguste gewidmete Broschüre 1821 erscheinen mit dem Titel: „Die Spar-Casse, eine faßliche Darstellung

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