lieh, oft auch zur Nachtzeit, bei schlechtem Weg und Wetter — es war ja Winter — zu Fuß dorthin eilen, um den Schwerkranken und Sterbenden beizustehen. „Wer als Seelsorger schon in Fabriken Funktionen vor zunehmen hatte", führt der Schreiber im Nachruf aus, „der wird wissen, was das bedeutet. Abgesehen von dem furchtbar großen Elend, das man daselbst ge wöhnlich vorfindet und das dem Priester so tief zu Herzen geht, gehört auch sonst eine große Uberwin dung dazu, in diese so oft ekelhaften Löcher, in denen nicht selten die ärgste Unreinlichkeit herrscht, hineinzugehen". Der junge Idealist tat dies aber, fährt der Zeuge fort, „mit wahrer Herzensfreude. Ja, er begnügte sich nicht mit den vielen pflichtgemäßen Visiten, sondern machte, auch wenn kein Verseh gang war, täglich — dieser Ausdruck ist ganz wört lich zu nehmen — in der Fabrik seinen Kranken besuch. Er tat, was er konnte, um die Seelen dieser Armen möglichst für den Himmel zu gewinnen. Auch sorgte er während der Epidemie für das leibliche Wohl der kranken Fabriksarbeiter, so gut er nur konnte: er ließ in mehreren Häusern für sie kochen, und zwar auf seine Kosten; er brachte die größeren Kinder die ser heimgesuchten Arbeiterfamilien bei Bauers- und Handwerksleuten unter, bettelte für die kleineren Kin der persönlich in besseren Häusern um Wäsche, Schuhe, Kleider, Brot und dergleichen mehr und strahlte vor Freude, wenn er ein recht großes Bündel zusammenbrachte, das er sodann mit eigener Hand in die Fabrik trug und unter die Bedürftigsten verteilte. Auch dem moralischen Elend suchte er nach Möglich keit zu steuern, besonders war ihm, wie erzählt wird, die Sanierung sogenannter wilder Ehen eine Herzens sache. Brauchinger war also, obwohl allein stehend, für diese Armen ein ganzer Waisen-Hilfs- und Vincentiusverein".^^) Sich in dieser Sorge verzehrend und wie ein echter Seelenhirte auch nicht auf die Ansteckungsgefahr achtend, wurde er selbst von der Seuche erfaßt und starb laut Totenbeschaubefund am 18. Februar (sieben Uhr abends) 1870 an „Typhösem Leiden des Gehirns",^®) erst 28 Jahre alt und wurde zwei Tage darauf unter den von ihm betreuten Typhusopfern^'^) auf dem Friedhof in Seefeld bestattet, wo noch heute seine gepflegte Grabstätte wie ein Denkmal von seiner kurzen, aber echt seelsorglichen Wirksamkeit Zeugnis ablegt. Quellen und Literatur: Personalstand der Wiener Erzdiözese 1868, S. 251, 295; Wiener Diözesanblatt 1869, S. 183; 1870, S. 48; Pfarr-Ingedenk-Buch von Seefeld; Sterbebuch der Pfarre Seefeld (v. 1. V. 1765 bis 1. I. 1872) tom II fol 285—293; Correspondenz des PriesterGebetsvereines „Associatio perseverantiae sacerdotalis" 1882 (III. Jg.). Nr. 2 (S. 27—30); Donin Ludwig, Der Stephansdom und seine Diener, Wien 1874, S. 236; Topographie von Nö. IV (1903), S. 1; Mitteilungen des derzeitigen Pfarrers Wilhelm Kügler. Anmerkungen: ^) Grab Nr. 78, rechte Seite. Auch in: Correspondenz, S. 28. — Anton Löffler, geb. 1810 in Reichenberg (CSSR), Pr. 1834, 35 Jahre Pfarrer in Seefeld, gest. am 27. November 1879 und hier begra ben. — Daß er scheinbar nicht viel vom ChronikSchreiben hielt, ist auch daraus ersichtlich, daß 1873 hier eine Primiz war — übrigens die letzte! — und darüber kein Wort vermerkt ist. — ^) Darin steht nur: 1868: der H. Coop. Kugler Anton wurde auf Anord nung des hochw. f. e. Konsist. als solcher nach Röschitz versetzt und an dessen Stelle wurde der hochw. H. J. Br. hieher beordert. — 1869: In diesem Jahr ist in der hiesigen Pfarrkirche zum ersten Male die Mai andacht abgehalten worden zur Verehrung der selig sten Jungfrau Maria. Diese Andacht wurde an jedem Sonntag im Monat Mai abgehalten nach dem nach mittägigen hl. Segen und sehr viele Gläubige haben andächtig beigewohnt. — 1870: Der H. Coop. J. Br. ist am 18. Februar d. J. allhier gestorben und auf dem hiesigen Friedhof beerdigt worden. Er war in jeder Hinsicht ein musterhafter Priester. An Stelle des Ver storbenen wurde H. Leopold Zimmermann beordert. — U Correspondenz S. 28. — °) Vater: Friedrich Br., Mutter: Anna geb. Lang. Sterbebuch tom II fol 293. — ") Lt. Personalstand d. J. — ") Vgl. oben Nr. 3. — ®) Ebd. Pfarr-Ingedenk-Budi. — ®) Correspondenz S. 27—30. — Ebd. S. 29. — Auch Pfarr-IngedenkBuch. — Sh. Correspondenz S. 28 f. — Kirche stöht am Westrand von Seefeld und die „Fabrik" am Ostrand von Kadolz. — '^^) Zur „Fabrik": Sie heißt im Volksmund noch immer Fabrik, ist aber keine mehr, sondern beherbergt den Masdiinen- und Wagen bzw. Traktorenpark der Herrschaft, die Werkstätten (Schmied, Schlosser, Mechaniker, Tischler), Lagerräume, Getreidespeicher, Trockenanlage für Getreide und auch das Verwaltungsgebäude des Gutsbetriebes (Rentamt) mit der Güterdirektorswohnung. Die Bezeichnung lautet heute noch: „Graf Hardegg'sche Spiritusfabrik". Mitteilungen d. H. Pfrs. — ")Sog. Flecktyphus, in der Correspondenz „Hungertyphus" genannt, S. 29. — ^®) Ebd. Aus dieser Bemerkung könnte der Schluß auf Schöpfleuthner als Schreiber berechtigt sein und das unterstreicht die Verläßlichkeit des ganzen Nachrufs. — ^®) Sterbebuch tom II fol 293 RZ. 14. — ^') Das Sterbebuch tom II fol 285—293 weist im Jänner und Februar 1869 bei je dreizehn Todesfällen je vier in der Fabrik aus, alle Verstorbenen Taglöhner und im besten Alter zwischen 32 und 52 Jahren stehend und aus Mähren oder Böhmen gebürtig. Unter 90 Todesfällen in beiden Orten scheinen am meisten auf: Typhus (11), Durchfall (11), Wassersucht (5), dann Lungenkrank heiten, Erschöpfung, Lähmung, auch „Verwahrlosigkeit" etc. Typhusfälle kamen auch im folgenden Jahr vor. Die Versehgänge fielen in der Regel in die Nachtund Morgenstunden. 65. Rektor Joseph Schnitt, Retter und zweimaliger Erwecker des Wiener Sängerknaben-Institutes(t 1955) Dr. Franz Loidl Das Dezennium seines Todes und die Vollendung der neuen Kapelle im Augarten-Palais lassen es an gebracht erscheinen, einige biographische Daten und Notizen über das nicht alltägliche und in die Welt öffentlichkeit weit hineinwirkende Leben dieser Welt priesterpersönlichkeit der Wiener Erzdiözese in Er innerung zu rufen und festzuhalten. Das im fruchtbaren Weinviertel gelegene und als Pfarrei dem Souveränen Malteser-Ritterorden inkor porierte Mailberg (Dekanat und Gerichtsbezirk Haugsdorf, politischer Bezirk Hollabrunn, Nö.)^) ist und blieb dem Halblehnerssohn Schnitt unvergessene Heimat, zu der er sich wiederum in Liebe und Treue bekannte, wie er, der wahrhaft Weltgereiste, kurz vor seinem Tod eingestand: „Solange wir jung sind, verlassen wir Bauernsöhne oft bedenkenlos die heimatliche Scholle, gerne und frohgemut ziehen wir hinaus in die weite Welt und die Welt mit ihrer interessanten Arbeit nimmt unsere ganze Kraft für sich in Anspruch, und die Welt mit 26
RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=