Beiträge zur Wiener Diözesangesdiichte BE ILAQE DES WIENER DIÖZESANBLATTES Nr. 7 (Juli 1967) 105. Jahrgang Nr.4 Wien, am 1. Juli 1967 8.Jahrgang Inhalt: 64. Kooperator Josef Brauchinger (t 1870) (Ein frühvollendeter Arbeiter-Seelsorger?). — 65. Rektor Joseph Schnitt, Retter und zweimaliger Erwecker des Wiener Sängerknaben-Institutes (f 1955). — 66. Architekten-Bericht über den Bau der neuen Hauskapelle im Augarten-Palais, Wien II. — 67. Die Verhältnisse im Neustädter Distrikt des Salzburger Erzbistums Anno 1760. — 68. Regesten des Taubstummen-Instituts in Wien. 64. Kooperator losef Brauchinger (t 1870) (Ein frühvollendeter Arbeiter-Seelsorger?) Dr. Franz Loidl Wie ihr Stifter sind auch Kirche und Priestertum nicht in erster und alleiniger Linie da und verpflich tet, materiell zu helfen und sozial-caritativ zu wirken. Ihre Hauptaufgabe ist und bleibt die Seelsorge, wie sie der gute Hirte übte, und dies sogar bis zum Äußersten und selbst zur Hinopferung des Lebens. Und weil sie allumfassend vorgöht, ist sie doch auch sozial ausge richtet und vollbringt diese Leistungen, ohne vielleicht gleich und immer das Wort sozial in den Mund zu nehmen und programmatisch zu betonen. Darum kann im Jahrhundert des sozialen Ringens und Fortschritts auch auf Priester hingewiesen werden, die im kleinen bedrückenden Alltag auf ihre Art als Sozialapostel hic et nunc Sozialbedürftigen tätige Hilfe an Leib und Seele brachten. Zu ihnen darf gewiß auch irgendwie dieser schlidite und körperlich kleine Kooperator ge zählt werden, der sich während seiner kaum einein halb Jahre währenden Wirksamkeit ein solches Ge dächtnis schuf, daß ihm die dankbare Gemeinde Seefeld-Großkadolz schon zwölf Jahre nach seinem „Be rufstod" einen Grabstein mit folgender, sprachlich etwas holpriger, aber ehrlich gemeinter Inschrift wid mete; Ruhestätte des hochw. Herrn Cooperators Josef Brauchinger, geb. zu Wien, 16. März 1842, gest. hier 18. Februar 1870. Voll des heiligen Eifers für das Heil der Seelen, Voll der reinsten Liebe für das Wohl der Armen, Hat er als Priester voll der Frömmigkeit Hier angewendet Hab, Gut und Zeit, Bis zu Gott im Himmel seine schöne Seele kehrt zurück, wo bei den Engeln sie sich freut im ewigen Glück. Selig sind die Toten, die im Herrn sterben. Denn ihre Werke folgen ihnen nach. Offb. 14, 13. In Liebe und Dankbarkeit gewidmet von den Gemeinden Seefeld und Kadolz^). Ein Vergleich mit der mehr als dürftigen Ein tragung des damaligen Pfarrers^) in der Chronik®) läßt den sicheren Schluß zu, daß nicht ihm das Ver dienst zukommt, sondern Anregung, Anschaffung und Textierung aus dem dankbaren Gedenken der ganzen Gemeinde herauswuchsen, was allerdings auch andere bezeugen. Denn einige Wirtschaftsbesitzer schafften den Grabstein auf ihre Kosten aus Wien herbei, der damals tatsächlich aus dem Gottesacker hervorstach und dessen Aufstellung ein richtiges Gemeindeanliegen bildete und als Gemeindefest begangen wurde."^) Sohn eines Wiener Bürgers und Hausbesitzers®) und nach dem üblichen Studiengang und Vorberei tungsweg als Zögling des f. e. Alumnates auf dem Stephansplatz wurde Brauchinger als Alphabetserster nach dem Subdiakonat (15. Juli) und Diakonat (20. Juli) mit achtzehn Mitdiakonen, darunter auch der spätere verdiente Prälat Kanonikus Anton Schöpfleuthner, am 25. Juli 1868 im Stephansdom zum Priester geweiht und kam als Kooperator nach See feld, das mit der Filiale Groß-Kadolz über 2100 Seelen®) zur Betreuung auswies, um hier seinen ersten und letzten Posten zu finden. Während der Pfarrer, der sichtlich auf ChronikAufzeichnungen gar nichts hielt, nur anzumerken wußte: „Brauchinger war in jeder Hinsicht ein muster hafter Priester",®) belobte ihn der biographische Nach ruf zwölf Jahre nach dem Tod, d. i. 1832,®) ob seines Eifers, da er vor jedem Sonn- und Feiertag wie der fleißigste und peinlichste Mesner eigenhändig Gottes haus und Altar zur Feier säuberte und schmückte und bereitmachte, an den Vorabenden hö'herer Feiertage „immer fleißig Beichte hörte", was bei der sich damals häufig mit der Osterbeichte begnügenden Seelsorge und Praxis der Hauptmasse der Gläubigen auffallend war, weiters daß er die sonntägliche Maiandacht mit Predigt einführte u. n. a."^") Betont und ausführlich aber, und deshalb sei seiner hier gedacht, wurde ihm seine aufopfernde Sorge um Fabriksarbeiter und deren Angehörige und überhaupt um die Armen und Not leidenden so hoch angerechnet und trug ihm dies die rührende Anhänglichkeit und dauernde Erinnerung dieser kleinen Leute ein, wie Nachfolger Brauchingers noch zu bestätigen vermochten.^^) Im etwa zweieinhalb Kilometer entfernten Kadolz^^) war eben eine Fabrik erbaut worden, die als Zuckerraffinerie geplant war, aber von Anfang an auf Spirituserzeugung aus Melasse umgestellt wurde.^®) Vom Herbst 1869 bis Frühjahr 1870 wütete in dieser Fabrik unter den Arbeitern eine schwere Typhusepidemie.^') Kooperator Brauchinger mußte fast täg25
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