Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

65. Die Verhältnisse im Neustädter Distrikt des Salzburger Erzbistums Anno 1760 Peter Schlor, Prigglitz In bezug auf die Einkünfte der Pfründe und Kirche von Sebenstein ist der weltliche Graf von Pergen Pfarrer. Mit welchem Recht, ist unbekannt. Die 110 Seelen läßt er durch einen Minoriten von Neunkirchen betreuen. Sonst verweigert er jede Ein schau. Die Pfarre zum Hl. Laurentius ain Steinfeld ist dem Zisterzienserkloster in Neustadt inkorporiert. Die ausgedehnte Pfarre hat die Filialen St. Johann und Würflach; 2200 Menschen wohnen dort. Pfarr verweser ist P. Antonius Hinterleitner SOCist., 72 Jahre alt, seit 18 Jahren dort. Die Kapläne P. Gulielmus Ziememer, 31 Jahre alt, imd p. Stephanus Lischkutin, 51 Jahre alt, betreuen die Filialen. St. Valentin ob Neünkirchen hat 1040 Seelen. Pfarrverweser ist P. Godefridus Hussar SOCist., 51 Jahre alt, ein rechtschaffener und gütiger Mann. An Gicht leidet der Pfarrer von Potschach, Franz Leopold Ditl,") 65 Jahre alt; er ist seit 10 Jah ren an der Pfarre. Vor zwei Jahren hatte er verdäch tigen Umgang mit einer Person anderen Geschlechtes. Doch seit diese Frau von der Pfarre weg ist, gibt es keine Klage. Wegen des Priestermangels kann ihm kein Kaplan gegeben werden, obwohl er einen sol chen als Zeugen seines Lebenswandels, wie auch als Helfer in der Seelsorge an den 2219 Schäfchen benö tigte. Die Gebirgspfarre Prigglitz hat 626 Seelen. Pfarrer ist Leopold Pokomy, 49 Jahre alt, seit zwei Jahren hier. Er ist ein kluger, eifriger und gebildeter Mann. In Pr ei n ist Johann Michael Heissenberger, 45 Jahre alt, seit 16 Jahren Pfarrer. Er ist gut und eif rig. Die Pfarre liegt in den Alpen und hat etwa 276 Seelen. Wegen Geisteskrankheit war der Pfarrer von CIamm und Schottwienn Ferdinand Pruggner, 52 Jahre alt, seit 19 Jahren dort, von Seelsorge und Meßopfer suspendiert. Er ist zwar wieder geheilt, doch ist die Gefahr eines Rückfalles nicht ausgeschlossen. Charakterlich ist er grob und läßt sich durch das Ge rede der Leute leicht gegen seine Oberen aufbringen. Seit zwei Jahren ist Johann Bapt. Traindt, 28 Jahre alt, Kaplan an der Pfarre. Klamm und Schottwien ha ben etwa 1800 Seelen. Maria Schutz (Pro memoria.) Innerhalb der Pfarrgrenzen und auch der Pfarre unterstellt liegt die Kirche mit dem Gnadenbild „BMV Protectricis". Ein Vikar mit mehreren Kuraten sorgt für die zahlreichen Wallfahrer. Für die Priester ist ein schönes Haus errichtet. Die Kuraten helfen in Schottwien aus. Ihr Einkommen beziehen sie aus den Stipendien und Opfergeldern, worüber sie dem Dechant, Pfarrer und Vogteipräfekten Rechnung legen. Weil der Vikar Franz de Paula Zerbon, 38 Jahre alt — ein fähiger Mann — recht heftig ist und daher mit seinen Kuraten ständig Verdruß und Streit hatte, wurde er als Kaplan nach Lanzenkirchen versetzt.Das Amt des Vikars versieht jetzt der Kaplan von Klamm. Die Kuraten Anton Menagucci aus Graz, 26 Jahre alt und sein Bruder Franz Xaver, 27 Jahre alt, sind gut. Johann Rameshoffer, 29 Jahre alt, war „in studiis debilis", trunksüchtig und pflegte schlechten Um gang. Schon als er in Kirchschlag war, fehlte er in gleicher Weise. Daher wurde er nach Weizberg zitiert, erhielt Exerzitien bei Wasser und Brot, wonach er sich sehr zerknirscht zeigte. Aber in Weikersdorf ging das alte Leben weiter; er wurde nach Maria Schutz versetzt, damit ihm die Gelegenheit zu schlechten Um gang genommen werde. Der junge Mann besserte sich aber nicht, sondern unternahm heimliche Ausflüge nach Weikersdorf (zu einer gewissen Frau) und wurde deshalb endlich aus dem ganzen Distrikt ausgestoßen. Der Kurat Johann Spicker, ein Schweizer, mußte be reits nach zwei Monaten aus dem Distrikt entfernt werden. Die letzte Pfarre in diesem Bericht ist R ä c h. Pfarrer Thomas May starb im 73. Lebensjahr, Provi sor ist Johann Hubert, 46 Jahre alt; er ist eifrig fromm und gewissenhaft. Obwohl die Pfarre klein ist (422 Seelen), ist sie wegen ihrer Gebirgslage schwierig zu betreuen. Summarium Zwanzig Jahre vor der durchgreifenden Reform Josefs II. verfaßt, zeigt der Bericht Schwierigkeiten und Übelstände auf. 1. Viele Pfarren waren zu groß. Eine geordnete Seelsorge war daher in den Gebirgspfarren nicht im mer möglich. 2. Es kommt der Priestermangel dazu, der es un möglich machte, alle notwendigen Posten zu besetzen. 3. Die meisten Pfarren waren sehr arm. Nur zwei Pfarren im ganzen Distrikt, nämlich Neunkirchen und Prigglitz, waren gut dotiert; in den Pfarren Kirchberg, St. Egyden und Zöbem reichten die Pfründeneinkom men gerade aus, während bei den anderen Weltprie sterpfarren die „tenues redditus" hervorgehoben wer den. 4. Von Anfang an war das Neustädter Bistum eine unglückliche Konstruktion. Seine dreihundert jährige Geschichte ist eine Kette von Rechtsstreitig keiten und Prozessen. Was dem Bischof an Jurisdik tion abging, suchte er sich über den Umweg seines Patronatsrechtes zu verschaffen. 5. Die verhältnismäßig hohe Anzahl an Kaplänen erklärt sich nicht nur aus der Größe der Pfarren. Bination oder gar Trination war damals durchaus nicht üblich. Viele Kapläne waren nur Messeleser. Ihre geringe Beschäftigung ist Ursache mancher Skan dale. (Fortsetzung folgt) Herausgeber, Verleger und Eigentümer: Erz. Ordinariat, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Verantwortlicher Schriftwalter: Univ.-Prof. Dr. Franz Loidl, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Druck und Versendung: Mechitharisten-Buchdruckerei, Wien VII, Mechitaristengasse 4. 24

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