Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

betreut. Der Kurat wird von der Fabrik bezahlt. Seine Herde zählt etwa 500 Seelen. Es sind Arbeiter, die aus allen Teilen des Reiches kommen. Viele wur den erst zum katholischen Glauben bekehrt. Zum Großteil- muß man sie zur „faex hominum" rechnen. Es ist erstaunlich, daß Döller so gut mit ihnen aus kommt, da er eigentlich nicht so fähig und begabt zur Menschenführung ist. Da Döller auf eine kaiser liche Pfarre außerhalb der Diözese befördert wurde, hat der Erzdechant „proprio munere" den Salzburger Priester Aufhammer als Fabrikskaplan bestimmt. Der Pfarrer von Weidmannsfeld, Franz Josef Löw, 50 Jahre alt, seit 12 Jahren dort, ist eifrig. Wegen der geringen Einkünfte ist kein Kaplan an der Pfarre und so betreut der Pfarrer die ausgedehnte Pfarre mit ihrer Filiale nach bester Möglichkeit. Der Pfarrhof ist eine menschenunwürdige Ruine. Allein der Patronatsherr, Graf von Hoyos, hält mit leeren Ausreden hin, während das Pfarrhaus mehr und mehr verfällt... Der Pfarrer von Dreystätten, Josef Ignaz Dunzinger, 70 Jahre alt, 39 Jahre an der Pfarre, hat das Herz am rechten Fleck. Obwohl er selbst nichts hat, sorgt er wegen seines Alters für einen Kaplan. Das Pfarrhaus ist so klein, daß der Kaplan mit dem Pfarrer in derselben Stube leben und im selben Bett schlafen muß. Der jetzt 38jährige Kaplan Mathias Anton Mayr ist sechs Jahre an der Pfarre. Er wäre gut und eifrig, wenn er nicht gegen den anderen Kuraten in Waldegg Ränke spänne. An der Filiale Waldegg ist Anton Lebitschnigg ausgesetzt. Er lebt armselig nur von den Stipendien, die ihm die MariaSeelen-Hilf-Bruderschaft zukommen läßt. Die Expositur wurde erst vor zwei Jahren geschaffen. Da aber die Bedingungen so elend sind imd der Ort so entlegen, mußten bereits drei Kuraten wegen ihrer Skandale ausgestoßen werden. Die Pfarre hat 600 Seelen. Die Mehrzahl — gegen Waldegg hin — sind Köhler, die ihre Produkte nach Wien führen. Sie sind schlecht, ungehorsam und ungezügelt. Piesting ist eine kleine Pfarre mit etwa 350 Seelen. Pfarrer ist Sebastian Spitzer, 41 Jahre alt, im ersten Jahr an der Pfarre. Der Pfarrer von Eggendorf, Anton Filiasch^°), 73 Jahre alt, seit 35 Jahren dort Pfarrer, ist bei seinen Leuten nicht sehr beliebt. Mutmannsdorff ist dem Zisterzienserkloster zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit in Wiener Neustadt inkorporiert. Der Pfarrverweser P. Raymundus Rebenspurger ist ein guter Prediger. Die Pfarre hat etwa 1100 Seelen. Die Pfarre Vischau liegt am oberen Steinfeld und hat etwa 1000 Seelen. Seit 11 Jahren ist Josef Franz Paradeiser, jetzt 60 Jahre alt, Pfarrer. Über die Gläubigen wurde keine Klage gehört. Gegen das Herkommen hält der Pfarrer von Weikerstorff, Josef von Neüburg, 53 Jahre alt, aus lauter Eifer einen Kaplan. Dies ist Franz Linde, 30 Jahre alt, im 6. Priesterjahr. Die Pfarre ist bezüg lich der Ausdehnung und der Einkünfte sehr klein und eines solchen Pfarrers schier unwürdig. Sie hat etwa 580 Seelen. Auf Betreiben des Vogteipräfekten wurde zusammen mit dem Neustädter Quästor und dem Ortspfarrer die Kirchenrechnung erledigt. Der Pfarrer führte den Vorsitz, doch mußte er dazu durch ein eigenes Dekret als Kommissär der Salzburger Kurie ermächtigt werden, da sonst der Neustädter Quästor ihm die Präzedenz verweigert hätte. In der Pfarre zum Hl. Ägidius am Steinfeld ist der ehemalige Neustädter Kanoniker Ignaz Karl ■ Löw von Löwenberg, 43 Jahre alt, Pfarrer. Er ist sehr auf seine Titel erpicht und sehr sparsam. Des halb hält es kein Kaplan bei ihm aus. Jakob Rotten steiner, 54 Jahre alt, seit einem Jahr Kaplan in St. Egyden, hat um Versetzung nach Maria Schutz angesucht. Diesem Ansuchen wurde entsprochen, da in Maria Schutz ein gesetzter, ruhiger und tadelloser Vikar nötig ist. Der Kaplan kann nicht ersetzt wer den, einfach weil keiner da ist. Die Pfarre hat zwei Filialen. Um 1750 wurde die Pfarre Rottengrub von St. Egyden abgetrennt. Pfarrverweser ist P. Romanus Schmid SOCist. Die Pfarre ist sehr klein, sie hat etwa 330 Seelen. Johann Konrad Schnemayr, 61 Jahre alt, seit 19 Jahren in Grünbach ist ein „homo bibulus" und auf Grund seiner Gelage mit den Pfarrkindern viel zu familiär. Die Seelsorge in der Gebirgspfarre ist recht mühsam. Es gibt zirka 1050 Parochianen. In Pu c h b e r g ist das Patronatsrecht ungeklärt. Seit etwa einem Jahrhundert schon gibt es einen Streit zwischen den Grafen von Hoyos und dem Neu städter Bischof. An eine ordnungsgemäße Besetzung der Pfarre ist daher nicht zu denken. Provisor ist Johannes Rossi, 39 Jahre alt, im 14. Priesterjahr. Er widmet sich auch jetzt noch den Studien. Der Kaplan Johann Raimund Kaschutnigg, 31 Jahre alt, seit fünf Jahren in Puchberg. Er ist pünktlich in seinen Ver richtungen, doch war er dem Trunk ergeben. Nach einem Verweis soll er sich gebessert haben. Die Gebirgspfarre hat etwa 1400 Einwohner, meist Koh lenbrenner, die ihre Ware nach Wien führen. Auf Grund ihres Berufes führen sie zum Teil ein ungutes Leben. In Neünkirchen ist der P. Guardian des Minoritenkonvents der Pfarrverweser. Er wird alle drei Jahre vom Kapitel neu bestellt. Im Konvent sind 12 Patres, die Pfarre zählt etwa 1900 Seelen. — Die Pfarre mit ihren reichen Einkünften wurde vor etwa eineinhalb Jahrhunderten von den Grafen Hoyos mit Zustimmung und Bekräftigung des damaligen Fürsterzbischofs Paris, fei. rec., den Minoriten über geben „ad nutum cuiuscunque Celsissimi Domini Ordinarij, adeoque revocabiliter". — Patron dürfte nach wie vor der Landesfürst sein, wenngleich die Ausübung des Rechtes von Kaiser Ferdinand IT. dem damaligen Grafen Hoyos zugestanden wurde. — Dem Dechanten in Kirchschlag muß P. Guardian 9 oder 10 fl. jährlich Anerkennungszins zahlen. (Fortsetzung folgt) Herausgeber, Verleger und Eigentümer: Erz. Ordinariat, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Verantwortlicher Schriftwalter; Univ.-Prof. Dr. Franz Loidl, Wien I, Rotenturmstraße 2. — Druck und VersendungMechitharisten-Buchdruckerei, Wien VII, Mechitaristengasse 4 16

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