(Dienstag) um Uhr nachts®'). Weihbischof Dr. Pfluger, noch am selben Tag zum Kapitelvikar gewählt®®), fiel nun die Entgegennahme der zahllosen Kondolenzschreiben®®) und die Vorbereitung der Leichenfeierlichkelten zu®°), die dann am 7. d. M. um 3 Uhr nachmittags unter größter Beteiligung vor sich gingen®!). Nun erst wurde richtig die Krankheitsgeschichte des Verstorbenen bekannt®^), die ihm selbst verheim licht worden war, wie die „Reichspost" enthüllte: „Kardinal Nagl war eine hohe, breitschulterige Er scheinung, bis in die letzte Zeit das Bild der vollen Manneskraft. Sein graues Auge verriet Güte und Scharfblick, jede Linie des Gesichtes Entschlossen heit. Er war ein guter Redner; begabt mit einer wohl lautenden Stimme, sprach er auch aus dem Stegreif leicht und populär verständlich. Seine letzte öffent liche Rede hielt er am 20. Dezember in der Herren hausdebatte über die Ehereform, in der er dem Herrenhausmitglied Grabmayr mit der ganzen Würde seines Amtes entgegentrat. Freunde bemerkten schon damals, daß der Kardinal auffallend schlecht aussehe; er hielt aber trotz seiner sichtbaren Ermüdung wäh rend der ganzen damaligen Sitzung aus, zu der ihn sein Hausarzt nur mit Sorge und mit der strikten Weisung, alsbald zurückzukehren, hatte ziehen lassen. Als er dem Arzt für den Christtag das Zugeständnis abrang, noch das Hochamt in der Stephanskirche hal ten zu können, und dazu noch eine zweite der an die sem Tag üblichen drei Messen des Priesters las, freute er sich über diesen Sieg, den er über seine Um gebung und der Schwäche der menschlichen Natur errungen hat, wie an einem großen Geschenk. Leider war es eine seiner letzten Freuden. Seine nähere Um gebung wußte schon seit Weihnachten, wie ernst die Situation war. Man durfte aber in der „Reichspost" hierüber nichts veröffentlichen, da er das Blatt bis zuletzt noch regelmäßig las®®). Als er einmal in einem anderen Blatt, das ihm zufällig zur Hand kam, die Nachfolge-Frage erörtert fand, sagte er, ohne zu er schrecken: „Ah, da erfahre ich ja erst, wie es mit mir steht". Es vmrde der Umgebung schwer, dem Patien ten die Todesgedanken auszureden. Die Art, wie er die Krankheit ertrug, war seines ganzen Lebens wür dig und rührte seine ganze Umgebung®'^)." Bleibt nun noch übrig, einige der zahlieidien Nach rufe zum Verständnis seiner Persönlichkeit und Würdigxing seiner Leistungen vorzulegen. Allen gemein sam ist das Urteil, das der Wiener Kirchenhistoriker Ernst Tomek, der unter Nagl als Studienpräfekt und Subregens des Priesterseminars am Stephansplatz nächster Beobachter und als Habilitant der Kirchen geschichte und Diözesanhistoriker berufenster Zeuge®^) war, kurz zusammenfaßte: daß seine Tätigkeit alsErzbischof die allgemeine Bewunderung erregte. Hätte er eine so lange Regierungszeit erlebt, wie z. B. sein Vorgänger Gruscha, er hätte viel Großes geschaffen und würde zu den größten Erzbischöfen Wiens zählen. So war es ihm nur gegönnt, anzufangen, aber in diesen Anfängen sah man mit Staunen, welch großer Geist in Nagl waltete®®). Gleich lobend, jedoch noch ausführ licher lauteten auch die anderen Nachrufe, die alle immer wieder voll Bedauern auf die Tragik seiner so überaus kurzen Regierung und Wirksamkeit verwie sen — nicht umsonst sei das sprechende Bild in seinem Wappenschild von einem Dornenkranz umwunden — die aber so viel hätte erwarten lassen®^). Beschlossen sei dieses Lebensbild mit dem passenden Gedicht®®) von Richard Seyß-Inquart®®): „Du warst uns Vater, lange nicht, doch ganz! Das fühlten wir beim Scheiden angstbeklommen. Uns hielt nicht fern dein stolzer Purpurglanz, In jeder Not sind wir zu dir gekommen. Wie vielen hast du sanft den Dornenkranz Vom sorgenmüden Scheitel weggenommen. Das war dein höchstes GlücJc, uns, deinen Kindern Geheimen Gram, verborgnes Leid zu lindern. Und leidbefangen nahet auch mein Sang — Dem du ein Gönner warst in hellen Tagen — Dem hohen Sarge, um bewegten Dank für deine Vatermilde dir zu sagen. Um zitternd dir den letzten, wehen Klang An deine stumme Bahre hinzutragen. Den letzten Klang aus wirrem Weltgetriebe, Den letzten Gruß verwaister Kindesliebe". Anmerkungen: ''^") Empfehlungen eines Kirchen kalenders „als sehr zeitgemäße Neujahrgabe" (WDBl. 1911, S.22), der kath. Zeitschriften und vor allem der schöngeistigen Literatur wie des „Gral" (ebda. S 74 f.), des vom Dichter Sichert geleiteten „Gralbundes" (ebda. S. 196), des Organs des kathol. österr. Lehrer bundes, der „österr. pädagogischen Warte" (ebda.1912, S. 19), der so wichtigen Hauskrankenpflege (ebda. S. 156 f.), der Anti-Alkoholbewegung, des sog. kathol. Kreuzbündnisses und des Schutzengelbundes durdi Aneiferung zur Gründung von Ortsgruppen (ebda. S. 98 f.) etc. — 27) Ebda. 1911, S. 81 f., 94 f., 121 f., 120. — 2®) Ebda. S. 75, Vortrag: Priesterbildung und Kirchen musik. — 29) Ebda. S. 138. — ®®) Ebda. S. 204 f. — ®!) Ebda. 1912, S. 39, 233. — Ebda. 1911, S. 138 f. Aufruf zur Mitarbeit am Führer der relig.-kirchl. Kunst in Österreich. — ®®) Ebda. 1912, S. 124. — ®^) Ebda. S. 135 (Ablehnung des Eternits aus Grün den der Ästhetik und des Heimatschutzes). — S. 140 (Entfeuchung der Kirchen). — ®®) Ebda. 1911, S. 205/9, Statuten der Zentralkommission für Denkmalpflege. — 3ö) Ebda. 1912, S. 95: der Hl. Vater über den Denkmal schutz. — ®!) Sh. Aufruf (ebda. 1911, S. 72 f.) und Programm (ebda. S. 174 f.). — Im August war ein Sonderzug zur 58. Generalversammlung in Mainz vom Wiener Westbahnhof abgegangen. Ebda. S. 97. — ®®) War selbst ein ernsthafter Förderer der aufstre benden „Reichspost". Funder Friedr., Vom Gestern ins Heute, W. 1952, S. 324. — ®®) WDBI. 1911 (Nr. 21), S. 193 ff. — 4®) Acta ApSed. 1911, pg. 305 ss, 391, 352 s; 1912, pg. 340 s. in WDBl. 1911, S. 125 f., 154, 167 f.; 1912, S. 107 f. — «)Ebda. (Nr. 5) S. 53 f. — '2) Sh. Funder a. a. O., S. 346 ff. — !®) Ebda. S. 348. — Gerhard Schultes, Der „Reichsbund der kathol. deutschen Jugend Österreichs". Seine Entstehung und Ge schichte. Theol. Diss., Wien 1965, S. 131/137. — ^!®) Punder a. a. O., S. 350. — -i®) WDBl. 1910 (Nr. 18), S. 203/7. — !!) Ebda. S. 259 f.; 1911 (Nr. 4), S. 37/41. — •18) Ebda. 1910, S. 229 f.; 1912, S. 153 f. — "i®) Ebda. S. 191. — 80) Ebda. 1911, S. 75 f., 97. — ®!) Ebda. S. 71 f. — 52) Ebda. S. 119. — Karl Kammel (Chefredakteur). Bericht über den XXIII. Internatio nalen Eucharistischen Kongreß. Wien, 12. bis 15. Sept. 1912. W. 1913, S. 2 und 3. WDBl. 1911, S. 119 f. — 55) Bericht, S. 4. — ®8) WDBl. 1911, S. 138. — 57) Ebda. (Nr. 24) S. 227/32. — 5®) Gebet, sh. ebda. S. 233. — 5®) Ebda. 1912, S. 57. — ®0) Ebda. S. 66 ff. — «!) Ebda. (Nr. 11) S. 117/22. — ®2) Ebda. S. 115. — «®) Ebda. S. 153. — «••) Ebda. S. 168. — «5) Ebda. S. 170 f., 188. — 8®) Ebda. S. 139, 167 f., 189 f. (Breve). — e^) Ebda. S. 139. — 88) Ebda. (Nr. 16) S. 165 ff. — 8®) Druck und Verlag St. Norbertus-Druckerei, Wien III, Seidi gasse 8. — ■'8) WDBl. 1912 (Nr. 19), S. 119 f. — ") Ebda. S. 200. — Funder a. a. O., S. 354. — 6
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