Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

durch das Stift Rein, wohin sich jener bereits für seine Wiener Kollegiatkapitel-Stiftung gewendet hatte"'*). Der gleiche Papst Innozenz VI. verlieh am 30. April 1360 allen frommen Besuchern des neuen Heiligtums von Straßengel in der Salzburger Diözese für die vier Hauptfeste der seligsten Jungfrau einen Ablaß von 140 Tagen«»). Ein halbes Jahr vor seinem Grazer Aufenthalt hatte Herzog Rudolf der Stifter am 9. Juli 1359 erst eine Urkunde darüber ausgestellt, daß er für den Er weiterungsbau der St. Stephanskirche am vorangehen den 11. März den ersten Spatenstich und am 7. April die Grundsteinlegung vorgenommen habe"®). Diese Er weiterung erstreckt sich auch auf die Turmanlage"^). Dafür konnte nun der schon im Bau befindliche Turm von Straßengel die kleine Probe auf das große Exempel abgeben. Außer der Anbringung des herzoglichen Wappens am Turmgeschoße daselbst erfahren wir von ihm noch von der Errichtung eines Altares inmitten der Kirche wieder nach dem Vorbilde des Wiener Domes. In der Steiermark aber war dieser Gottes leichnams- oder Fronleichnamsaltar mit der Euchari stie- und Guttod-Heiligen Barbara zudem auch noch dem hl. Morandus geweiht, der nach des Herzogs eige nen Worten: „...unseres geslechtes gewesen ist"'^). Rudolf hatte die Gebeine dieses Hausheiligen aus dem Elsaß nach Wien bringen lassen. Die nördliche der Westkapellen beim Eingang in den Stephansdom wurde ihm geweiht''^). Fürwahr ein ganz greifbares Beispiel des Einflusses der vorderösterreichischen Länder über Wien nach InnerÖsterreich! Dasselbe kann man selbst verständlich auch hinsichtlich des Turmes von Maria Straßengel geltend machen,der nach dem Prototyp von Freiburg im Breisgau über den in der Wiener Bau hütte vorliegenden Plan in Österreich allererste Wirk lichkeit wurde. Nadi Entgegennahme der Erbhuldigung in seinen Ländern nahm Rudolf IV. die Grenzmarkierungen des Weidlinger Forstes nördlich des Wienflusses und der Reisestraße Wien-West—Purkersdorf vor, um St. Ste phan mit dem nötigen Holzbedarf zu versorgen"'^). Das geschah am 14. Juli 1360. Mitte März 1363 konnte sich der unermüdliche Stifterherzog von dem Empor wachsen der lichtdurehfluteten obersten Teile des Turmes am Bergvorsprung in das Straßengier Becken überzeugen. Am 14. und 16. März dieses Jahres lesen wir nämlich den Namen des Abtes Siegfrid oder Seyfrid von Rein in zwei zu Graz ausgestellten Urkunden als ersten Zeugen an der Seite des Herzogs. Bei dieser Gelegenheit mag das Ausmaß der Zuwendungen für die Stiftung einer täglichen Messe auf seinem Altar, näm lich „den Altar Er selber unser genaediger Herre der vorgenante Herzog gestift hat", bestimmt worden sein. Seine Urkunde darüber datiert vom 9. März in Wien und die Reversurkunde dazu von Rein, dem 23. März dieses Jahres, das auch das des allzu frühen Todes des rastlos dem Wohle und der Größe seines Landes dienenden Fürsten sein sollte. Das Spiel des Lichtes durch die sich aufsteigend verjüngenden Fenster des durchbrochenen Turmhelmes läßt auch etwas von sei nem Ruhmesglänze der Nachwelt erstrahlen. Die große Bautätigkeit in Maria Straßengel näherte sich im Jahre 1366 mit der Fertigstellung des einzigartigen Turmes über der Apside an der Ostsüd seite der großen Hochaltarapsis ihrem Ende zu. Das ergibt sich aus einer Ablaßurkunde, die Bischof Ulrich von Sedcau am Montag, dem 1. Juni 13G6, zu Graz allen Anzeichen nacli erfolgter Weihehandlung im nahe gelegenen Judendorf-Straßengel ausstellte"")- Man nahm bisher das „Datum in Gretz in die Nicomedis Martyris Ao Dni MCCC Sexagesimo Sexto" der Urkunde für den 15. September an. Hier ist es jedodi nic^it schwer, sich für den 1. Juni zu entscheiden, an welchem Tag verschiedentlich ebenfalls dieses Märty rer-Gedächtnis gefeiert wurde, weil der Stiftsabt in der Regel Mitte September in Citeaux beim General kapitel weilen mußte, wo er sich ohnehin zehn Jahre vorher einen Gnadenbrief für den Turmbau in Straß engel erboten hatte. Nun aber tritt wieder der gleiche Seckauer Bischof auf den Plan, der vor elf Jahren, am 7. September 1355, die Kirchweihe zu Straßengel, da mals zur Diözese Salzburg gehörend, vorgenommen hatte. Für deren Jahrtagsfeier verlieh er aber erst jetzt einen Ablaß von 40 Tagen nach getaner Buße, ebenso für andere kirchliche Hauptfeste, darunter auch für den neueingeführten Fronleichnamstag, für den Straßengel inmitten seines Neubaues den vom Herzog gestifteten Altar hatte. Der Ablaß beinhaltete selbst verständlich alle Marienfeste, für die bereits die päpst liche Ablaßbulle von 140 Tagen seit 30. April 1360 galt. Es werden auch noch im allgemeinen die Festtage der Apostel und Evangelisten, weiters verschiedener aus drücklich genannter Heiliger und der Besuch der in der Kirche errichteten Altäre für die Ablaßgewinnung angeführt. Der Tenor dieser Urkunde erinnert an den großen Ablaßbrief, wie ihn der Weihbischof von Pas sau am Konsekrationstage des für Straßengel vorbild lichen albertinischen Hallenchores in Wien ausstellte'"). Wenn nun eine ähnliche Verleihung vom Seckauer Bischof erst 1366 gegeben wurde, so war dafür eben ein besonderer Anlaß vorhanden. Leider gab es für die Vollendung eines Turmes keinen eigenen Weiheritus. Dafür stellt aber die Bischofsurkunde einen zu Ehren der Hl. Drei Könige geweihten Altar besonders in das Blickfeld für die Ablaßgewinnung aller, die an diesem Altare der hl. Messe beiwohnen und ihre Opfergaben darbringen. In der Stiftskirche stand ebenfalls ein solcher Altar, der sich in der gleichen Lage wie in Straßengel am Abschluß des linken Seitenschiffes be fand"^'). Es ist anzunehmen, daß man unter'dem Turme von Straßengel erst nach dessen Vollendung einen Altar aufstellte. Wir hören in der Tat nach dieser für die ganze Kirche getroffenen Verfügung und als Ab schluß gegebenen Ablaßgewährung vom 1. Juni 1366 lange Zeit nichts mehr von Begünstigungen, die mit dem Kirchenbau in direktem Zusammenhange stehen. XJbrigens starb der Abt, unter dem der Bau des Gottes hauses zur Vollendung kam, bereits ein Jahr darauf, nämlich Siegfrid oder Seifrid von Waldstein, der von 1349 bis 1367 die Geschicke des Stiftes Rein lenkte. Anläßlich der sechshundertsten Jahrfeier der Kirchweihe von Maria Straßengel im Jahre 1955 machte der sdion sehr defekte Zustand des berühmten Turmes große Sorgen. Der neue Landeskonservator der Steier mark, Dr. Ulrich Ocherbauer, organisierte aber tat kräftig die dringend notwendig gewordenen Restau rierungsarbeiten, die gerade im Jahre 1966 ihren Ab schluß fanden, das mit dem sechshundertjährigen Ge denken an die glückliche Vollendung dieses Turmes von 1366 zusammenfiel. Eine Auswirkung von Maria 26

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=