Beiträge Diözesangesdiidite BE ILAQE DES WIENER DIÖZESANBLATTES Nr. 7 {Juli 1966) 104. Jahrgang Nr.4 Wien,am 1.Juli 1966 7.Jahrgang Inhalt: 39. Das Bauprogramm von St. Stephan in Wien in seiner Auswirkung auf die Wallfahrtskirche Maria Straßengel (Fortsetzung). — 40. Von den in Wien als ns. Opfern 1943/45 hingerichteten geistlichen Personen. — 41. Wiener Diözesangeschichte: Ihre Voraussetzung. — 42. Weitere Mitarbeiter am Kopallikschen Regestenwerk. — 43. Regesten des Taubstummen-Instituts in Wien. 39. Das Bauprogramm von St. Stephan in Wien In seiner Auswirkung auf die Wallfahrtskirche Maria Straßengel Dr.P. Leopold Grill OCist. In der Geschichte des Turmbaues von Maria Straß engel bedeutet 1360 ein Jahr entscheidenden Fort schrittes. Herzog Rudolf IV. begab sich anfangs dieses Jahres in seine innerösterreichischen Lande, um die Erbhuldigung entgegenzunehmen, rechtliche Akte und Privilegien zu erteilen, wovon das Archiv der nordwestlich der steirischen Residenzstadt gelegenen Cisterze mehrere Urkunden bewahrt*^®). Schon am 31. Jänner, das ist „Geben ze Gretz am freitag vor unserer frown tag ze de lichtmesse anno domini 1360" erließ er den Grundholden des Stiftes Rein das March futter (Haferlieferung), solange sie das Stift ebenso abgabenfrei läßt. Wenn Rein seine infolge der Pest menschenleeren Huben wieder zu besiedeln imstande ist, so braucht davon zwei oder drei Jahre ebenfalls kein Marchfutter geliefert werden, solange eben kein grundherrlicher Zins gefordert wird, wie dies bereits Herzog Albrecht II., Rudolfs Vater, der steirischen Abtei verbrieft hatte'^^). Daraus ersehen wir schlag artig deren schwierige materielle Lage infolge des Mas sensterbens durch die Pest von 1348 und besonders 1349. Straßengel, dem der neue Herzog vor allem seine Aufmerksamkeit zuwandte, lag direkt oberhalb der damaligen Reisestraße nach Graz, wo er vom 29. Jän ner bis zum 26. Februar weilte®'^). Mit dem Datum Graz, den 3. Februar 1360 — vielleicht war der Vortag Maria Lichtmeß einer gottesdienstlichen Feier vor dem Herzog in Maria Straßengel reserviert — bestätigte dieser vier ältere Reiner Privilegien zugleich, darunter das vierte wieder von Rudolf des Stifters Vater, Her zog Albrecht IT., vom Jahre 1338, also zwei Jahre vor Vollendung des albertinischen Chores der Stephanskirche®^). AndiesergroßenBestätigunghängtdasPrunk siegel Rudolfs IV., das er vorher auch an seiner Bau urkunde für St. Stephan anbringen ließ. Der steirische Panther erscheint hier am Pferde linksseitig ganz im Vordergrund. Die herrlichen Heitersiegel dieses Her zogs von Österreich bedeuten einen Höhepunkt von künstlerischem Ausdruck an Bewegung und Aufwärtsriditung, wie ihn die Hochgotik in erster Linie an ihren Bauten entwickelte®'^). Auf diese Weise fügt sich eine Nachbildung dieses Siegels in Stein ausgezeichnet in die Umrahmung der Blendarkaden des zweiten Geschoßes am Turme von Straßengel®®). Den durch das Einfahrtstor Ankommenden sieht ein wie von einem unsichtbaren Reiter schräge gehaltener österreichischer Bindenschild entgegen, über dem in wellenförmiger Bewegung vom Helm mit Blätterkrone ein steinernes Tuch zu flattern scheint, während der Pfauenstoß dar über hoch emporragt. Die Steinstatue Herzog Rudolf des Stifters am Singertor des Stephansdomes hat einen eigenen Schildknappen daneben. Unter dem Pfauen stoß senkt sich hier das Helmtuch in ruhiger Lage. Im Schilde darunter erscheinen in Doppelausführung der österreichische Bindenschild und das Wappen des elsässischen Pfirt®®). Die sichtlich ältere Darstellung von Straßengel mußte aber zum Ausgleich auch in die dritte Blendarkade rechts des großen Mittel stückes ebenfalls ein Wappenschild als Gegenstück des steirischen Panthers anbringen, in das man in goti scher Majuskelschrift ein großes „R" meißelte. Selbst verständlich gibt es die Initiale des herzoglichen Namens wieder. Doch kann man ein ähnlidies „R" neben einer sitzenden Muttergottes mit dem Kinde auch auf dem ältesten Konventsiegel von Rein („R"una) wahrnehmen®'). Doch auf Rudolf weist dieser Buch stabe in erstgedachter Beziehung wegen seines ent scheidenden Anteils an der Weiterführung des Straßengler Turmes. Ein analoger Fall dazu findet sich auf einer Konsole unter dem Gesims an der Außenseite der südlichen Seitenhalle des albertinischen Chores der Stephanskirche; nämlich als Erinnerungszeichen an Rudolfs Vater, Herzog Albrecht II., der Großbuch stabe „A". Jede der Blendarkaden im Oktogon des zweiten Turmgeschosses von Straßengel schließt nach oben in je drei Rundbögen. Auffallend analog sehen wir diese archaisierenden Formen bei den vorher konzipierten Sitznischen an den Innenwänden des Kirchenraumes. Das gleiche Konzept kann auch als Hinweis für die unmittelbare Aufeinanderfolge von Kirchenbau und Turmkonstruktion dienen. Hinsichtlich der verschie denen Köpfe an den Konsolen der zwei unteren Turm geschosse neigte man sehr zur Ansicht, daß dabei Steinmetzen der Bauhütte von St. Stephan am Werke waren. Dieser intensiven Bauperiode am Turme von Straßengel in engster Fühlungnahme mit Herzog Rudolf IV. dem Stifter entspricht schließlich die Ein holung einer päpstlichen Ablaßbulle von Avignon 25
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