Hände streckten sich dem Scheidenden entgegen, und gerührt sah der Bischof auf die große Zahl der Getreuen. Er trat, umbrandet von der Menge, die ihn durch laute Zurufe begrüßte, in die große Bahnhofs halle, in der ihn eine vielhundertköpfige Menge mit stürmischen Hochrufen begrüßte. Dort hatte auch der Knabenhort des 12. Bezirkes mit Fahne und Musik unter Führung des Direktors Kö p p 1 und Kapell meisters Marinowsky Aufstellung genommen. Die strammen Jungen leisteten die Ehrenbezeigung und die Musik stimmte eine Festkantate an, deren Töne hallend den großen Raum erfüllten. Nun ging es an ein großes Abschiednehmen. Durch Deputationen begrüßten hier den Bischof sämt liche katholischen Vereine Wiens, speziell die Abord nungen der Kirchen, um deren Errichtung sich Bi schof Dr. Marschall verdient gemacht. Fahnen imd Standarten senkten sich vor dem Palästinapüger und Bischof Dr. Marschall konnte kaum seine Rührung über diese begeisterten Ovationen bemeistem. Die Menge umdrängte ihn und Dr. Marschall rief den Ver ehrern Abschiedsgrüße zu. Nur langsam konnte sich der Scheidende den Weg durch die Massen zur Treppe bahnen, die gleichfalls überfüllt war. Er schritt, von den Freunden gefolgt, zum Abfahrtsperron, auf dem sich Erzbischof-Koadjutor Dr. Nagl mit f.-e. Sekre tär Kamprath und f.-e. Zeremoniär Merinsky, Domkapitular Prälat Cec c o n i, die Stadtdechanten Roth und Flandorfer, die Wiener Stadtpfarrer Eisterer,Just,Schnabl,Raab, Gold, Watzger, Sedlaczek und Zins e r, die Religionspro fessoren Zehetbauer und Kratochwil, f.-e. Kurpriester Wi m m er, viele Kooperatoren, zahlreiche Deputationen, ferner persönliche Freunde des Schei denden und namhafte Persönlichkeiten wie Hoch schulprofessoren, Generale, Abgeordnete, Mitglieder des Landesschulrates usw., dann Abordnungen des katholischen Gesellenvereins Meidling, des Reichsbun des der christlichen Jugend Österreichs, des Freund schaftsbundes „Lueger", sämtliche in Wien weilende Familienmitglieder und viele andere. Alle Korporatio nen und Anstalten, in denen Dr. Marschall durch Jahre in leitender Stellung verdienstlich gewirkt, so die Poliklinik etc., waren vertreten. Man schätzt die Zahl der Freunde, die bis hieher vorgedrungen waren, um Abschied zu nehmen, auf rund 1500 Personen. Es waren alle Stände der katholischen Bevölkerung vertreten. Weihbischof Dr. Marschall nahm von den Abordnungen und den persönlichen Freunden herz lichen Abschied. Abordnungen des katholischen Gesel lenvereines und zahlreicher humanitärer Vereine überreichten dem Kirchenfürsten Blumen ohne Zahl, die in das Coup§ gebracht wurden. Schließlich drängte die Zeit. Dr. Marschall mußte einsteigen und nach scholl ihm der Begeisterungsjubel all der Hunderte. Er zeigte sich nochmals vom Coupe aus und um 7 Uhr 20 Minuten fuhr der Zug unter donnerndem Hochruf aus der Halle. Weihbischof Dr. Marschall tritt die Reise nach Palästina über Triest und Alexandrien in Begleitung seiner Freunde, des ehemaligen Redakteurs Tasch ner, des Gymnasialprofessors Dr. Knaflitsch und des Schottenpriesters Professor König, sowie seiner beiden Nichten, den Fräuleins Garnhaft, an. Sein Zeremoniär F ors t er war beruflich verhindert, die Fahrt mitzumachen. Während seines Aufenthaltes im Orient wird Dr. Marschall in Jerusalem, Beyrut und Kairo längeren Aufenthalt nehmen. Ende April gedenkt er hieher zurückzukehren."^^®) Am 15. März abends reiste auch Kardinal Gruscha auf der Südbahn nach seinem langjährigen Kurort Arco bei Riva ab, um vier Wochen dort zu verbringen. Diesmal war er bloß von einem Priester aus der Gesellschaft des Göttlichen Wort^ von St. Gabriel bei MÖdhng und einem Barmherzigen Bruder begleitet."Ü Amnerkimgen:'®) WDBl. 1910, Nr. 3 (Sexagesima), S. 25—27. — Reichspost 1910, Nr. 29. Dritter Nach folger Marschalls an der Votivkirche. Kam diesem Auftrag Ende Jänner nach (ebda Nr. 29), führte aber die von ihm geplante Installierimg selbst nicht durch, sondern betraute damit den zuständigen Dechanten. Ebda Nr. 45 (15. II.). — WDBl. 1910, S. 28 f. — '®) Ebda Nr. 4, S. 37. —'') Bekannter Männer-Seel sorger und Prediger bei den Mariazeller Männerwallfahrten. — '®) Reichspost 1910, Nr. 24 (25. I., S. 9). — Ebda Nr. 40 (10. II.). — ®®) Ebda Nr. 47 (17. II.). — ®^) Ebda Nr. 50 (20. II.). Erzbischof M. Dvornik hatte ob seiner schweren Erkrankung und obwohl er sich erholt glaubte, durch „Eingreifen einer stärkeren Hand", Bischof Dr. V. Pulisic von Sebenico, der als tüchtiger Theologieprofessor und umsichtiger Würden träger angesehen war imd bei allen Parteien be ruhigend wirkte, als Apostolischen Administrator vor gesetzt erhalten. Ebda; ebda Nr. 59 (1. III.). Erstattete beim Ministerpräsidenten Freiherrn von Bienert in Wien Bericht über einige Vorkommnisse anläßlich sei nes Rücktrittes (ebda) und beklagte sich beim Miriister für Kultus und Unterricht, daß er sich der von Rom verfügten Amtsenthebung nicht ohne weiteres fügen könne, da ihm schweres Unrecht widerfahren sei, und er sich von seiner Krankheit völlig erholt habe und demnach für seine Demission kein Grund vorliege. Minister Graf Stürghk empfing aber den Eindruck, daß der Erzbischof noch an den Folgen seiner Krank heit leide, vertröstete diesen jedoch, die Regierung sei geneigt, ihm gegenüber das weitestgehendste Ent gegenkommen zu üben, und sprach die Hoffnung aus, ihn zum Aufgeben seines Widerstandes zu bewegen (ebda Nr. 63, 5. III.). — Ebda Nr. 41. — »®) Ebda Nr. 42. — »Ü Ebda Nr. 45. — ®®) Ebda Nr. 47. — ®®) Ebda Nr. 48 (18. II.). — 8^) Eduard Hosp, Der hl. Klemens Maria Hofbauer (Wien 1951), S. 235. Siehe WDBl. 1910, Nr. 4 und 5, Artikel zu diesem Anlaß. — 88) Reichspost 1910, Nr. 48 und 49. Vermerkt wird, daß der Inhalt der Bullen weisungsgemäß als Amts geheimnis erklärt werde, eine Veröffentlichung jedoch in den nächsten Tagen offiziell stattfinden dürfte. Schon am Tag darauf hieß es: Diese päpstlichen Schriftstücke enthielten: die Ernennxmg Nagls zum Erzbischof i. p. inf. mit dem Titel von Tyrus (Phö nizierstadt); ferner die Verlautbarung, daß der Erz bischof gleichzeitig zum Koadjutor cum futura successione — wie der offizielle Ausdruck laute — des Wiener Erzbischofes erklärt werde. Die Bullen sind vom Kanzler des Apostolischen Stuhles, Kardinal Agliardi, gezeichnet und in traditioneller Weise an denjenigen gerichtet, der in herkömmlicher Art von einem derartigen Akt verständigt wird, also an den Kardinal, an das Domkapitel, an den Klerus und an das Volk. Hervorgehoben zu werden verdiene, daß die Bullen den regelmäßigen Text aufweisen. Die Ver öffentlichung der Bullen von den Kanzeln der Wiener Erzdiözese solle aber nicht erfolgen. Bemei-kenswert sei noch, daß die Ernennung Sr. Exzellenz Dr. Nagls zum Erzb^chof schon aus dem Grunde erfolgte, weil 13
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