üben, wie sie nach den bestehenden Vorschriften sein müssen, damit nicht die Sünde und die Strafe des Ungehorsams euch alle treffe; denn der Bischof und der Priester sind wie alle Gläu bigen dem Papste Gehorsam schuldig. Sie haben das Recht und die Pflicht, den Gläubigen die Wahrheit zu verkünden und über das richtige Verhältnis zwi schen den kirchlichen Vorstehern und kirchlich Unter gebenen gebührend aufzuklären. Als ich vernahm, daß in einem Teile der Diözese die Aufregung gegen das kirchliche Gebot gerade zu der Zeit hervorgebracht wurde, als die Kunde be kannt wurde, daß die Vorsehung eurem Bi schöfe einen anderen größeren Wirkungs kreis angewiesen hat, da erfaßte mein Herz Traurigkeit über das gläubige, aber national aufgeregte Volk und es kamen mir in den Sinn die Worte des Völkerapostels: .Siehe, ich weiß, daß ihr mein Angesicht nicht mehr sehen werdet, ihr alle, unter denen ich dahingewandelt bin, predigend das Reich (Gottes). Darum bezeuge ich es euch an dem heutigen Tage, daß ich rein bin von dem Blute aller. Habet acht auf euch selbst und auf die gesamte Herde, in welcher euch der Heilige Geist gesetzt hat als Bischöfe zu weiden die Kirche Gottes, die er erwor ben hat durch sein eigen Blut. Ich weiß, es werden nach meinem Weggange reißende Wölfe zu euch kom men, die der Herde nicht schonen. Und aus euch sel ber werden Männer aufstehen, welche Verk^rtes reden, um die Jünger nach sich fortzureißen. Deshalb seid wachsam und bleibet eingedenk, daß ich drei Jahre hindurch nicht aufgehört habe, unter Tränen jeglichem von euch zu Herzen zu reden. Und nun empfehle ich euch Gott und dem Worte seiner Gnade.'"i»®) Die Ankunft in Wien gestaltete sich natürlich ein facher und stand nicht ganz unter einem glücklichen Stern, ja war überschattet, da Wiens und vielleicht Österreichs populärster Politiker vmd Bürgermeister, Dr. Karl Lueger, im Sterben lag und nach dreizehn jähriger Stadtregierung am 10. März verschied.^''^) Nach nicht ganz drei Jahren schon sollte ihm — wer hätte es damals zu denken gewagt — Nagl im Tode nachfolgen. Doch nun begann der dem Koadjutor gleich nach gesagte und tatkräftige Einsatz mit Personalverände rungen in seiner nächsten Mitarbeiterschaft im f. e. Ordinariat. Da Weihbischof Marschall sich als Gene ralvikar versagt hatte, behielt Nagl selbst erst dieses Amt mit der Begründung bei, die am 9. April (1910) an Möns. Dr. Josef Pfluger, Domkapitular, f. e. KR. etc. ausgesprochen wurde: „Aus der schweren Ver pflichtung, die Erzdiözese Wien zu leiten, ergibt sich für mich die Notwendigkeit, die Verhältnisse und die Personen genau kennen zu lernen. Damit nun dies möglich ist, sehe ich mich veranlaßt, auch die Arbei ten des Generalvikars selbst fortzuführen, sowie ich es in diesen Wochen getan habe. — Damit aber der geregelte Gang der Arbeiten keine Einbuße erleide, übertrage ich Ihnen, Hochwürdigster H. Kanonikus, für den Fall meiner Abwesenheit von Wien oder mei ner Verhinderung die Fakultäten, welche sonst der Generalvikar hat, und ebenso die Erledigung und Un terzeichnung der betreffenden Ordinariatsakten. — Möge Gott der Herr diesen Beschluß mit Seinem be sonderen Segen begleiten!"'^®^) Nachdem Domkapitular Prälat Franz Kornheisl, der 43 Jahre lang, von 1877 an, den Kardinälen Rau scher, Kutschker, Gangibauer und Gruscha gedient hatte,'•®^) auf sein Ansuchen von der Direktion der f. e. Ordinariatskanzlei enthoben war, rückte KR. Dr. Franz Kamprath in dieser Stelle auf.^°'') Femer wurde der f. e. Zeremoniär Wenzel Merinsky zum ersten f: e. Ordinariatssekretär^°^) und der Kooperator von Aspang Josef Wagner zum f. e. Zeremoniär ernannt.^®®) Gleich darauf wurden Merinsky und Wag ner auch mit der Leitung des Allgemeinen Wiener Kirchenbauvereins betraut, und zwar der erste als dessen Direktor und der zweite als dessen Sekretär.^®') Am 11. Dezember d. J. sollte sodann Dr. Hermann Zschokke als Titular-Bischof von Cäsarea Philippi zum zweiten Weihbischof geweiht werden, wobei der Erzbischof-Koadjutor als Konsekrator und als Mitkonsekratoren der äußerst unternehmende Feldbischof Dr. Koloman Belopotoczky und Weihbischof Mar schall fungierten.^®®) Letztgenannter hatte sich inzwischen jedoch zeit weise deprimiert von der Öffentlichkeit zurückgezo gen^®®) und nur mehr ganz selten eine kirchliche Funktion übemommen.^^®) Dafür entschloß er sich am 9. März zu einer Pilgerfahrt ins Hl. Land, die mehrmals in der Presse angekündigt wurde.^^^) Sie begann mit einer Abschiedsmesse am Herz-Jesu-Altar im Stephansdom. „Geraume Zeit vor Beginn hatten sich ungemein zahlreiche Andächtige, darunter Depu tationen vieler katholischer Vereine, voran eine Depu tation der Kur- und Chorgeistlichkeit, der Kirchen bediensteten von St. Stephan sowie viele Welt- und Klostergeistliche eingefunden." Beim Verlassen der Sakristei, heißt es, wurden ihm von einer zahlreichen Menge neuerliche Ovationen bereitet.^^^) Und die setzten sich mit ungewöhnlicher Herzlichkeit fort. Lassen wir wiederum die „Reichspost" unter der Überschrift „Weihbischof Dr. Marschalls Abschied. Seine Reise ins Hl. Land", ausführlich berichten: „Unter begeisterten Ovationen der Diözesanen hat heute abend um 7 Uhr 20 Minuten Weihbischof Doktor Godfried Marschall, nachdem er vormittags noch vom Kardinal Dr. Gruscha, vom Koadjutor Erzbischof Dr. Nagl sowie dem Domkapitel sich verabschiedet hatte, seine Reise nach dem Orient an getreten. Nachdem Weihbischof Dr. Marschall schon auf der Fahrt zum Südbahnhofe Gegenstand herzlicher Kund gebungen gewesen, erschien er kurz vor Abgang des Abendschnellzuges in Begleitung seines Zeremoniärs Forster vor dem Südbahnhofe. Beim Portal begrüßte ihn schon eine vielhundertköpfige Menschenmenge. An der Spdtze befanden sich der Hetzendorfer Kirchenbauverein und die Bezirksvertretung von Meidling, das ihm für die Errichtung der Rosenkranzkirche den innigsten Dank schuldet. Bezirksvorsteher Donner begrüßte Seine Exzellenz sehr herzlich. Hunderte 12
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