Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

T^nHlifh konnte die „Reichspost" am 17. d. M. vermelden, am morgigen Donnerstag (18. d. M.) treffe Exz. Nagl in Wien ein, „um nach dem heute erfolgten Erhalt des päpstlichen Breves, welches ihn zur Über nahme des Amtes anweist, seinen neuen Posten anzu treten", und fügt dann gewiß nicht unbegründet und unnötig mit einer captatio benevolentiae (Bitte um günstige Beurteilung) bei: „Bischof Dr. Nagl findet bei seinem Amtsantritte einen großen Schatz persönlichen Vertrauens vor, und es ist nicht zu zweifeln, daß es seiner milden takt vollen Art gelingen wird, durch alle Schwierigkeiten seiner Stellung sich einen Weg zu bahnen. Der neue Koadjutor ist ein Wiener Kind, er keimt die Verhältnisse der Wiener Erzdiözese, mit der er in einem regen geistigen Kontakt geblieben; die großen Bewegungen und modernen Arbeiten der Katholiken, die hier in Wien sein besonderes Augenmerk erfor dern, haben an ihm schon in Triest einen warmherzi gen und kräftigen Förderer gefunden. In Triest haben alle, die im katholischen Leben tätig waren, an Bischof Dr. Nagl den außerordentlichen, beharrlichen Fleiß, das hohe Wissen, die feine Herzensbildung und seine priesterliche Güte dankbar gerühmt; seine her vorragenden Eigenschstften werden diesen Mann auch befähigen, der Wiener Erzdiözese ein wahrer Hirte zu werden. Wir vereinigen uns mit allen Katholiken der Diözese, wenn wir dem Kirchenfürsten bei seinem Amtsantritt in Wien die wärmsten Wünsche darbrin gen und ihn in Ergebenheit und Ehrfurcht begrü ßen."»®) Zur Begrüßung bei der Ankunft mit dem Früh schnellzug am Wiener Südbahnhof hatte sich in Ver tretung des Kardinals Gruscha dessen Sekretär Doktor Franz Kamprath eingefunden, der den Koadjutor in die eigens für ihn instandgesetzten Appartements (im gegen die WoUzeile hin gelegenen Trakt) geleitete. Der Neuankömmling — und dies ist wohl mehr als be zeichnend für seine innere Einstellung — begab sich dann in die Redemptoristenkirche zu Maria Stiegen, um am Altar des Apostels von Wien, des hl. Klemens Maria Hofbauer»«)(am 20.Mai1909 heiliggesprochen),»"^) die Messe zu lesen. Hierauf wurde er vom Kardinal empfangen, präsentierte diesem die von Rom einge langten Bullen»») imd legte in dessen Hände in der Hauskapelle (zu Maria Himmelfahrt und zum hl. Au reas, einst Achatius) des f. e. Palais den vorgeschrie benen Eid ab und trat damit das Amt eines Koadjutors offiziell an. (Noch am gleichen Tag stattete er zahlreiche Visitationen ab.)»®) Nr. 4 des Wiener Diözesanblattes brachte dann in lapidarer Kürze den Vermerk darüber: „Hievon wer den das hochwürdigste Metropolitankapitel, die hoch würdige Geistlichkeit und die Gläubigen der Erz diözese in Kenntnis gesetzt, in der sicheren Anhoffnung, daß sie jederzeit bestrebt sein werden, dem hochwürdigsten Herrn Koadjutor Ehrfurcht und schuldigen Gehorsam entgegenzubringen."®") Am Freitag (19. d. M.) zelebrierte der Koadjutor am Hochaltar des Stephansdomes eine stille Messe, zu der er am Hauptportal vom Kur- und Chormeister Ehrenkanonikus Sixt empfangen wurde, unter der Assistenz des Kardinals-Zeremoniärs Wenzel Merinsky und zweier Alumnen, wozu die zahlreichen Andächtir gen das Meßlied „Hier liegt vor deiner Majestät" sangen. Vormittags nahm er die offizielle Vorstellung des Domkapitels mit Weihbischof Marschall an der Spitze, der Kurgeistlichkeit und des Alumnates ent gegen und stattete hierauf dem nö. Statthalter Grafen Kielmansegg seinen Besuch ab.®^) Am Tag darauf (Samstag) machte der erste Vizebürgermeister Doktor Neumayer im Namen der Gemeinde Wien — Bürger meister Lueger lag bereits an seiner Todeskrankheit darnieder — seine Aufwartung, und gab die Mehrzahl der Minister, der Präsidenten der obersten Behörden, der Mitglieder des Landtages etc. ihre Karten ab. Eine Abordnung der theologischen Fakultät mit Rektor Swoboda und Dekan Pölzl stellte sich am Sonntag vor. Die überaus gut besuchte Betstunde bei St. Stephan an diesem Tag (21. d. M.) war der erste Gottesdienst, an dem der Koadjutor offiziell teilnahm. Wieder war er vom Domkapitel mit Bischof Marschall an der Spitze und den Alumnen zum Hochaltar geleitet wor den.®^ Am Montag den 22. fand die Audienz beim Kaiser statt.®») Nur sechs Tage blieb Koadjutor Nagl in Wien, dann reiste er zum letzenmal für kurze Zeit nach Triest, um dort die Geschäfte der Amtsübergabe zu ordnen.®^) Zum Kapitelvikar wurde vom Domkapitel Kanonikus Möns. Petronio gewählt, v/ie es bekanntlich innerhalb von acht Tagen bei Verwaisung der Diözese zu geschehen hatte.®®) Für Montag, den 28. Februar war, wie die „Triester Zeitung" angab, der definitive Abschied®®) des bisherigen Oberhirten von Triest und Justinopolis vorgesehen, nachdem er bereits zwölf Tage vorher, d. i.' am 16." Jähnef, Sich' züm Tetztentttal in einem kurzen lateinischen Abschiedsschreiben an den Klerus von Triest und Justinopolis gewandt hatte.®"') Folgen wir nun dem aufschlußreichen Eigen bericht der „Reichspost" vom 28. d. M. mit dem Rück blick auf Nagls ersprießliche Wirksamkeit; „Ein Wink, ein Signal, ein Zischen und Brausen. Ein tausendfaches, donnerndes E v v i v a. Ein nichtendenwollendes Schwenken von Hüten und Tü chern... Und unsere Diözese hat ihren Bischof Doktor Nagl verloren. Tiefer und fester als in Granit und Bronze wird im Herzen aller unser sein Andenken gemeißelt blei ben; wohl ist er kaum acht Jahre in unserer Mitte geblieben, aber in diesen acht Jahren hat Bischof Dr. Nagl so Vieles, so Außerordentliches zustande gebracht, daß ein anderer wohl kaum in einem dop pelten Zeiträume dasselbe hätte schaffen können. Es sei hier nicht die Rede von der Ausführung jener Aufgaben, die jedem Bischöfe am Herzen liegen müs sen. Aber es sei hervorgehoben, daß Exzellenz Doktor Nagl in jeder Hinsicht auf religiös-sozialem Gebiete tief und musterhaft in Triest eingegriffen hat. Es sei nur die Pfarrkirche zu S. Vinzenz, die vom Grund aus erbaute neue Jesuitenkirche in Via del Ronco, die bald fertige Kirche der Salesianer in Via dellTstria, das neue Franziskanerheim in Via dell'Istituto, das herrliche Pensionat der Schulschwestern in Via Besenghi als Werke Dr. Nagls erwähnt. Seine außeror dentlich freigebigen Spenden zugunsten des Salesia10

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