hin, die auch mitgespielt haben dürften und zu denen Marschall sogar selbst einiges beigetragen haben mag. So haben oder konnten seine allzu kurze und die Auftraggeber unbefriedigende Visitationsart des Stif tes Klosterneuburg im Juli 1904°'), darauf Roms Befürchtung, daß er kurialen Anordnungen zu wenig Nachdruck verleihen werde und, was damals beson ders aktuell imd verdachterregend war, zu wenig energisch gegen modernistische Erscheinungen vor gehen werde, weiterhin seine nicht gerade kluge ab lehnende Haltung gegenüber den Bestimmungen des neuen Ehedekretes „Ne temere" vom 2. August 1907 (mit Rechtskraft vom 19. April 1908), da er als General vikar einfach erklärte, in seiner Diözese bleibe es bei der bisherigen Übung, und die Publizierung des ge nannten Dekretes verweigerte^®), und sein Zögern in der Aufsehen erregenden Wahrmund-Affäre®®) dazu beigetragen und bewirkt haben, die in Rom unerläß liche Qualifikation einer persona grata, wenn schon nicht ins Gegenteil zu verkehren, doch so abzuschwä chen oder gar zweifelhaft zu machen, daß sie im ent scheidenden Moment, wie es tatsächlich auch geschah, einer besser qualifizierten Persönlichkeit gegenüber nicht mehr standzuhalten vermochte. Schließlich darf aber bei allem doch nicht übersehen werden, daß Marschall bereits im 70. Lebensjahr, Nagl mit seinen 54 Jahren doch erst im besten Mannesalter stand und, wie es bereits im ministeriellen Vortrag für die kai serliche Audienz am 27. September 1909 hieß, mitten in voller Schaffenskraft sich befand.®®) Und der Auf fassung waren®^) und sind auch andere Eingeweihte.®^) Marschalls Verärgerung und Verhalten, die Treue kundgebungen seiner großen Anhängerschar, die sich einschaltende liberale und mißgünstige Presse und alle mit einer so überraschenden Koadjutorernennung zusammenhängenden Umstände bildeten für den Neu ernannten wahrlich keine Anreize für ein freudiges Kommen und auch keine Voraussetzungen für eine herzliche Aufnahme und ein freudevolles und leich tes Beginnen. Sprach es die Arbeiterzeitung am 29. Dezember 1909 unverblümt aus, es könne dem prinzipiellen Gegner nur angenehm sein, daß eine unsympathische Sache einen unsympathischen Ver treter erhalte®®), so muß gerechterweise auch fest gestellt werden, daß der greise Kardinal Gruscha und manche seiner Umgebung sich nicht gerade erfreut zeigten und sich passiv verhielten®^). Einzelne Schrei ben z. B. aus diesen bewegten Wochen spiegeln am besten die Lage wider. So ein anonymer, aber „mit ganz vertraulich" überschriebener Brief über das Gerede um oben ge nannten P. Augustin W. v. Galen®®): „Ich erlaube mir E. Exz. eine Femspruch-Information beizulegen, welche eine sehr deutliche Antwort auf hiesige Vor gänge enthält; auch kann ich nicht unterlassen, auf die tendenzweise Verbreitung der Nachricht, P. G. sei zum Weihbischof in Wien ausersehen, ein kleines Licht zur vorläufigen Orientierung zu werfen. — Von zwei Sachen sagte mir H. Erzdechant Joseph Groß von Falkenau®®): In kurzer Zeit werdet Ihr in Wien P. G. als Fürsterzbischof(?) haben. Bei meiner Verwunde rung darüber gab er mir zur Antwort; P. G. habe die Zusicherung dafür schriftlich vom Erzherzog Thron folger. Seit dieser Zeit schwur ich der Tätigkeit des P. G. in Wien zu, der mehr hier als in Prag ist, und sowohl in Regierungskreisen, auf der Nuntiatur, beim Thronfolger, bei Abgeordneten, sich gebeten und unge beten bemerkbar macht. Als der Bischofsitz in Linz frei war®"^), hat bereits eine Action für ihn stattgefun den, die ohne Resultat blieb. Bisher war aber von keiner Seite P. G. für eine kirchliche Würde in Wien genannt worden. Die Juden blätter hatten gar keine Veranlassung, ihn — von sich aus — als künftigen Weihbischof zu bekämpfen, und dennoch taucht dieser Mann in den Judenblättern hartnäckig auf. Vom Stephansplatz ist er nicht genannt worden, von der Nuntiatur auch nicht, von Euer Exz. erst recht nicht! Woher dann diese Conjektur? Es besteht die begründete Vermutung, daß diese Nach richt in die feindliche Presse von irgend jemand lan ciert worden ist, um sie vor allem einmal in die Öffentlichkeit zu bringen, und selbst um den Preis, daß sie von der schlechten Presse bekämpft wird, populär zu machen. Kommen E. Exz. recht bald, damit das Intrigenspiel ein Ende hat!" Auch die zwei folgenden, mit M. H.®®) unterzeich neten Abschriften®®) gewähren einen Einblick, und zwar in das Wohnungsproblem für den Koadjutor: „Wien, 22. Jänner 1910 Euer Exzellenz! Hochwürdigster und gnädigster Herr Bischof! Sehr geehrt durch das geschätzte Schreiben vom 20. 1. M. eile ich mitzuteilen, daß eine Entscheidung über die Wohnungsfrage nicht getroffen worden ist und nach meinem Dahinhalten bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge auch nicht getroffen werden konnte. Im Ministerium bestand und besteht die Auffassung, daß in dem gegen die Wollzeile gelegenen Trakte des f. e. Palais ohne Schwierigkeit eine entsprechende Wohnung für Euer Exzellenz ausgemittelt werden könnte. Irgend ein Raum wird sich dort auch als Küche adaptieren lassen. Ich sprach darüber zweimal mit dem Kardinal, ohne jedoch ein näheres Eingehen auf den Gedanken erzielen zu können. Nun äußerte der Nuntius (Granito di Belmonte) einmal gesprächs weise den mir recht sonderbar vorkommenden Plan, es wäre am besten, wenn Euer Exzellenz eine Woh nung im Kapuzinerkloster (am Neuen Markt, Wien I) nehmen würden. Aus dieser Äußerung ersah ich, daß Msgr. Belmonte den ersteren Plan beim Kardinal nicht vertreten würde. Ich denke mir also, daß die Verhand lungen erst dann aufgenommen werden können, bis Exzellenz etwa zum Informativprozesse hierher kommen und aus diesem Anlaße den Kardinal besu chen und mit ihm darüber sprechen. Marschall scheint ihm die Idee zu suggerieren, daß er Euer Exzellenz St. Veit (Sommerschloß, Wien XIII) als Wohnung antragen möge. Ich weiß nicht, ob es praktikabel wäre. Jedenfalls brauchten Euer Exzellenz dann noch ein Appartement zum Absteigen und zur Amtsführung im Palais, und in diesem Falle sollte doch auch noch ein Schlafzimmer etz. dort gefunden werden können. Sind die Verhandlungen einmal im Gange, so besteht das Kompelle Seiner Eminenz gegenüber darin, ihm zu eröffnen, daß Ihre Dotation eben um die Woh nungsmiete sofort erhöht würde, falls sich die Unter bringung im Palais nicht durchführen ließe.
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