Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

nennen. Genau denselben Gedankengang, ja fast die selben Sätze finden wir in einer Zuschrift, die ein rein jüdisches Montagsblatt, das sich sonst mit nicht immer sauberen Börsenspekulationen be faßt, von .einem hochstehenden Mitgliede des nieder österreichischen Klerus' erhalten haben will. Beide Artikel, sowohl der im antisemitischen ,D. V.' wie der im jüdischen Montagsblatt stammen von der näm lichen charaktervollen Feder. Das müßte ein sonder bares Mitglied des Klerus sein, das sich soweit ver gißt, in einem übelberüchtigten jüdischen Organe vor einem Forum von jüdischen Börsenspekulanten gegen kirchliche Entscheidungen in der gehässigsten Weise loszuziehen! Was übrigens das Judenblatt mit seiner unverfrorener Einmischung in katholische, rein kirch liche Angelegenheiten will, erhellt aus einer anderen Zuschrift .gleichfalls aus diesen Kreisen', die das er wähnte Blatt veröffentlicht. In dieser Zuschrift wird Koadjutor Bischof Dr. Nagl mit nicht zu verkennender Absicht als ein .Kampfbischof' hingestellt und der .Reichspost' der Vorwurf gemacht, daß ihr der .Man nesmut' fehlte, gegen seine Ernennung aufzutreten. Wir halten uns lieber an die für alle Katholiken geltenden, schon im Katechismus ausgesprochenen Vorschriften, von denen wir uns allerdings nicht .unabhängig' fühlen, als an die .geistlichen' Zuschrif ten eines jüdischen Blattes. Wir fühlen uns auch nicht als den .einzig berufenen Faktor zur Erörterung die ser Angelegenheit', sondern haben eben deshalb, weil wir die Presse nicht als einen bei Bischofsernennun gen zuständigen Faktor anerkennen, gegen die takt lose Einmengung besonders der jüdischen Presse Stellung genommen. Dieser unser Standpunkt hat uns nicht gehindert, die hervorragenden Verdienste Sr. Exz. des Weihbischofs Dr. Marschall, dessen streng kirchliche Gesinnung gelegentlich der jüngsten Erörterungen auch die verbissensten Kulturkampf blätter nicht in Zweifel zu ziehen gewagt haben, wiederholt in der rückhaltlosesten Weise anzuerken nen und die Kränkung des Kirchenfürsten, die durch die Art der Verlautbarung geschehen ist, zu bedauern.'""") Die Reichspost war es auch, die gleich ein paar Tage nach Nagls Ernennung in Erinnerung brachte, daß er nicht der erste Kirchenfürst sei, der vom alt ehrwürdigen Hirtensitz von San Giusto (Patron des Domes von Triest) auf den von St. Stephan gelangte. Wenigstens habe Petrus Bonomo (= Gutmensch), der Bischof von Triest war und später zum Kanzler und Präsidenten des Hofrates (von Nö.) ernannt wurde, die Wiener Diözese nach dem Verscheiden Georg V. Slatkonjas (1522) i. J. 1523 bis zur Ernennung Johannes I. v. Revellis das kleine Wiener Bistum administriert"'®). Wie bereits erwähnt -wurde, war Fürsterzbischof Hohenwart v. Gerlachstein auch zwei Jahre Triester Oberhirte gewesen. Anmerkungen: ^®) Wie Nr. 15. — -°) ö. St. A. Ka binettsarchiv Nr. 4204—1909. — AU. Kultusregistra tur 12—1910.—22)Ebda; WDA,Karton,Nagl. Abschrift. — '•") WDBl. 1910, Nr. 1. — Z. B. Wiener Zeitung 1910, 5. I.; Reichspost 1910, 5. I. — Wie Nr. 22. — 26) Wiener Zeitung 1910, 5. I. — ^7) "wdA, Karton Nagl. — j^r. 22. — 2®) WDA, Karton Nagl, Abschrift. — ■'°) Ebda. — •"") Reichspost 1909, 24. XII. — ^2) Ebda 1910, Nr. 2, 3. I., S. 5. — "3) Ebda Nr. 6, 7. I., S. 5. — '") Ebda, Nr. 8, S. 11. — ^5) Ebda Nr. 10, 11. I., S. 9. — -6) Ebda 12. I., S. 9 f. — ^') Ebda Nr. 17, 18. I., S. 10. — 3®) Ebda Nr. 20, 21. I., S. 11. — «») Neu dorf bei Staatz, Viertel unterm Manhartsberg, geb. am 1. X. 1840. — ""j Reichspost 1910, Nr. 26, 27. I., S. 12. — ''^) Ebda Nr. 40, 10. II., S. 10 f. — Zu unterschei den von der Casino-Kundgebung. — "'3) Ebda Nr. 45, S. 10 f. — ^^) Ebda Nr. 66, S. 10. — So in Prag, Olmütz, Köln, Jerusalem. — ■"") Ebda Nr. 1, S. 12. — '") Ebda Nr. 4, 5. I., S. 9. — Darin heißt es unter Kor rektur des Obigen Nr. 45): „Daß in'Olmütz und Prag gewöhnlich die Weihbischöfe übergangen werren, ist bald zu begreifen, wenn man bedenkt, daß in Olmütz keine Ernennung, sondern eine freie Wahl erfolgt, in Prag aber regelmäßig nur Mitglieder des Hochadels den erzbischöflichen Stuhl erhalten. Was Köln anbelangt, hat Kardinal Kremenz den Stadt pfarrer Doktor Schmitz von Krefeld zum zweiten Weihbischof neben Weihbischof Fischer ernannt. Ge neralvikar war Schmitz nie. Nach dem Tode des Kar dinals Kremenz' wurde Simar Erzbischof, Weih bischof Schmitz erkrankte schwer und starb noch in demselben Jahre, l'/o Jahre später starb Simar und Fischer wurde nun Erzbischof. In Salzburg wurde Weihbischof Dr. Katschthaler Erzbischof." — ^®) Ebda Nr. 9, 10. I-, S. 5. — •">) Ebda Nr. 4, 5. I., S. 9; Ernst Tomek, Kirchengeschichte Österreichs II (1949), S. 223, 238 f. 20. „Universität und Stadtverwaltung" Ehrung von Theologen Anläßlich der 600-Jahr-Feier der Wiener Universi tät "wurde in einer Reihe historischer Abhandlungen einen> weiten Kreise an der Geschichte Wiens Inter essierter gezeigt, was die Universität als erste Kultur stätte der Stadt für die kulturelle Weltgeltung Wiens geleistet hat. Was sie aber für die Stadt in ihrer Ge samtheit, für das Leben, für die Bürger der Stadt und ihre Vertreter in der Stadtverwaltung war, ist in ihrer ganzen Breite und Tiefe noch nicht behandelt worden. Universität und Stadtverwaltung hatten durch sechs Jahrhunderte eine'gemeinsame Geschichte, die an dutzenden Beispielen aus der Geschichte der Stadt und der Universität aufgezeigt werden können. Aus diesem umfangreichen Thema hat nun der um die Wiener Geschichte sehr verdiente Universitätsdozent Oberarchivrat im Archiv der Stadt Wien Dr. Rudolf Till in einer in der Österreich-Reihe des Bergland Ver lages Wien erschienenen Abhandlung „Universität und Stadverwaltung" (1965, Bd. 285/286, 8®, 81 Seiten + 30 Bildbeigaben) ein interessantes, bisher kaum be achtetes und behandeltes Teilgebiet herausgegriffen und die gegenseitigen Beziehungen zwischen Univer sität und Stadtverwaltung seit 1848, weitgehend auf Quellenforschung fußend, behandelt. Im I. Abschnitt wird gezeigt, wie weit Universi tätsprofessoren als Ratgeber, Helfer und Mitgestalter der Geschicke der Stadt als Funktionäre in der Stadt verwaltung tätig waren. Im II. Abschnitt schildert der Verfasser, wie weit die Stadtverwaltung durch Verleihung kommunaler Auszeichnimgen Universi tätsprofessoren als Kulturträger Wiens geehrt hat. Die seit dem Revolutionsjahr 1848 mit wenigen kurzen Unterbrechungen bestehende freigewählte Stadtvertretung zählt bis heute gegen zweitausend Gemeinderäte. Achtundzwanzig von ihnen waren Pro fessoren oder Dozenten der Universität. Davon ge hörte nur einer der kathol.-theol. Falkultät an. Es 37

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