enthält folgende Adresse: ,Die ehrfurchtsvoll ergebe nen Stadtpfarrer von Wien sprechen anläßlich des beabsichtigten Scheidens Euer Exzellenz von dem bisherigen, von Gott so reich gesegneten Wirkungs kreise ihren lebhaft empfundenen Schmerz und ihre tiefe Betrübnis aus. Diese Gefühle wurzeln in dem aufrichtigen Danke für die sowohl dem einzelnen, wie der Gesamtheit der Wiener Pfarrer jederzeit bewie sene väterliche Liebe und tatkräftige Unterstützung; — sie sind begleitet von dem sehnlichsten Wunsche, die göttliche Vorsehung wolle Eure Exzellenz auch fernerhin der Regierung und Leitung der Erzdiözese erhalten. Immer aber möge der liebe Gott Eurer Exzellenz das Bewußtsein, mit unermüdlichem, weisem und unverdrossenem Eifer für das Wohl der katholi schen Kirche stets das Beste angestrebt zu haben, gnädigst verleihen und dadurch das liebevolle Herz Eurer Exzellenz trösten und erheitern. Die dankbarst ergebenen Stadtparrer von Wien bitten Eure Exzel lenz diese mit ihren Bildnissen versehene bescheidene Gabe als Zeichen des unerschütterlichen Vertrauens huldvollst anzunehmen und denselben auch fernerhin ein so gütiger und wohlwollender Ratgeber und Freund zu bleiben wie bisher.' Auf die Ansprache des Führers der Deputation erwiderte Weihbischof Mar schall in einer das Herz jedes einzelnen tief ergrei fenden Rede; die Mitglieder der Deputation, von denen die Mehrzahl an der Schwelle des Greisenalters steht, konnte die Tränen nicht unterdrücken, als Weih bischof Marschall das stets harmonische Zusammen wirken der Wiener Pfarrer mit ihm betonte. Er schloß: ,Bleiben wir auch fernerhin gute Freunde und Brüder und gedenket meiner, wenn ich im fernen Lande Zerstreuung und Erholung von der aufreiben den Arbeit der letzten Jahre suche.' Mit dem Bruder kusse verabschiedete Weihbischof Marschall die Mit glieder der Deputation.'"'-') Parallel zur zweifellos viele aufregenden Koadjutor-Ernennung suchte man natürlich auch vor allem von kirchlichen Kreisen aus aufklärend und beruhigend einzuwirken, wie es die Reichspost gleich am 1. Jänner unternahm, und zwar unter der Über schrift: „Die Bestellung des Koadjutors in der Wiener Erzdiözese", und meinte, daß die Angelegenheit viel von ihrer Auffälligkeit verliere, wenn man sie mit ähnlichen Fällen vergleiche. So sei z. B. schon unter Erzbischof Kutschker Dr. Angerer Weihbischof gewe sen, jedoch nicht Nachfolger geworden, sondern Prä lat Cölestin Gangibauer; und nach dessen Tod sei wiederum Angerer übergangen worden und Gruscha an die Reihe gekommen. „Es ist nämlich in der kirch lichen Organisation beinahe Regel, daß Weihbischöfe und auch Generalvikare (und man behauptet dies auch bei der Papstwahl vom Camerlengo) nicht auf den Hauptposten nachrücken, sondern bei Erledigung des Bistums auf ihrem Posten bleiben. Das soll nicht eine geringere Einschätzung der Verdienste des Be treffenden bedeuten." Nach dem Hinweis auf Bei spiele in anderen Diözesen''^) bemerkt sodann der Verfasser, „daß diese Tatsachen wohl deshalb leicht übersehen werden, weil die berechtigte große Liebe, die Weihbischof Dr. M. in den weitesten Kreisen genießt, durch die Form des Bekanntwerdens jener Tatsachen verletzt wurde.'""") Doch schon vier Tage später meldete sich eine Stimme, die einiges an obiger Aussage zu korrigie ren bestrebt war: Nach Rauschers Tod sei dessen Weihbischof und Generalvikar, eben Kutschker, Erz bischof geworden. Nach Kutschkers Tod sei Weih bischof und Generalvikar Angerer übergangen wor den und „ein Fremder, an den niemand gedacht hatte und der selbst nicht wollte", sei im eb. Palais eingezo gen, nämlich Prälat Gangibauer. Die Ursache der Präterierung Angerers sei in dem persönlich feind lichen Verhältnis zwischen Angerer und dem damali gen Statthalter gelegen. Gangibauer habe während seiner Wirksamkeit in Wien viel geweint und viel gelitten, weil es ihm nicht gelingen wollte, die kalte unfreundliche Stimmung, die man dem Fremden namentlich in seiner nächsten Umgebung, entgegen brachte, zu bezwingen. — Nach Gangibauers Tod habe Generalvikar Angerer erklärt, daß er fast ganz blind sei und deshalb auf keinen Fall eine Ernennung zum Erzbischof annehmen könne. Dieselbe Stelle versuchte auch die anderen oben angedeuteten ausländischen Fälle ins rechte Licht zu rücken'''). Daß sich vom Liberalismus, von der Los-vonRom-Bewegung, vom Marxismus und von anderen Schattierungen des Antiklerikalismus gespeiste Blätter und Blättchen boshaft und verwirrend einzuschalten suchten, war nicht verwunderlich, kann aber wegen der Raumbegrenzung hier nicht ausführlich behan delt werden. Wie sich die vornehm und gerecht urteilende und handelnde Reichspost wider Angriffe von daher verteidigte und damit ihre echt bistumsund kirchentreue Einstellung bewies, möge folgender Artikel „Die Erledigung der Wiener Koadjutorfrage und die Presse" an Stelle weiterer Ausführungen dartun: „Der Faktor, der für die Ernennung von Bischöfen allein maßgebend sein kann, wurde be kanntlich schon durch den göttlichen Stifter der Kirche genau bestimmt, und der Katholik, der kirchlich denkt — jeder andere Standpunkt ist aber in kirchlichen Fragen unzulässig — wird voll zogene Tatsachen auf dem bezeichneten Gebiete hin nehmen, aus Ehrfurcht vor der Autonomie der Kirche und auch, weil ihm jedes Anrecht auf Einspruch fehlt. Das ist der Standpunkt, den die katholische Presse auch gegenüber der vielbesprochenen Erledigung der Wiener Koadjutorfrage einzunehmen hatte und der sohin auch für die Haltung der „R e i c h s p o s t" allein in Betracht kam. Pflicht der katholischen Presse ist es, kirchliche Einrichtungen, kirchliche Entscheidun gen zu respektieren und gegebenenfalls zu verteidi gen, nicht in die Kritik Unbefugter oder in die gehässigen Angriffe der Kirchenfeinde einzustimmen. Unseren Lesern mag das als eine Selbstverständlich keit erscheinen, aber wir können trotzdem nicht um hin, an diesen Sachverhalt zu erinnern, da die „Reichspost" in Blättern, denen allerdings die Pflich ten der Katholiken und somit der katholischen Presse eine terra incognita sind, gehässig angegriffen wird, weil sie pflichtgemäß ablehnte, an der Ernennung des Bischofs Dr. Nagl zum Koadjutor in Wien Kritik zu üben. Eine Zuschrift angeblich ,aus geistlichen Krei sen' im ,D. V.' wagt es, wegen dieser unserer Hal tung unsere .Unabhängigkeit' zu bezweifeln und die ,Reichspost' ein .sogenanntes' christliches Blatt zu 36
RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=