Kräfte zur Ehre Gottes und zum Heile der Seelen zu verwenden und stets das Wohl der Kirche und des Staates zu fördern. Ich erbitte mir jetzt schon das ge neigte Mitwirken der hohen Kultusverwaltung, damit die im gemeinsamen Wirkungskreise liegenden Agen den zum Wohl und Nutzen der kirchlichen wie der staatlichen Interessen erledigt werden können. Mit dem Ausdruck ganz besonderer Hochachtung bin ich E. Ex. ganz ergebener Fr. N. B. v. Triest, ernannter Koadjutor für Wien".®®) Mit gleicher Post wie an Kardinal Gruscha, d. i. am 5. Jänner, hatte Nagl von Triest aus an Weihbi schof Generalvikar Dr.Godfried Marschall geschrieben, daß er nach Verlautbarung der Ernennung sich er hoffe, sie beide würden an der Seite des Kardinals zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen arbeiten, und daß er Wert darauf lege zu versichern, daß ihn in dieser Hoffnung auch die Auslassungen der Tages presse nicht wankend machen könnten. Nicht weni ger entgegenkommend sah auch die Unterzeichnung aus: „Mit bestem Gruß und Ausdrucke besonderer Hochachtung E. Ex. verehrungsvoll ergebener Dok tor Nagl".®^) Die Antwort Marschalls darauf am nächsten Tage war jedoch eine strikte und unmißverständliche Ab sage. Sachlich-nüchtern heißt es darin. „E. Ex. Hochwürdigster Herr Bischof! Für das Schreiben v. 5. d. M. spreche ich E. Ex. den Dank aus! — Da wir (das Domkapitel) durch Se. Eminenz auf unsere Bitte noch früher über das kommende Ereignis, das in den Zeitungen bekannt gemacht wurde, unterrichtet wur den, erklärte ich dem Herrn Minister und dem Herrn Sektionschef v. Hussarek, daß ich bemüßigt bin, die Consequenzen zu ziehen. Bei diesem wohl erwogenen Entschluß muß ich bleiben und ersuche E. Ex. davon Kenntnis nehmen zu wollen. In besonderer Hochach tung verharrt Euer Ex. hochwürdigster Herr Bischof ergebenster Dr. G. Marschall".®^) Nun hatte Kardinal Gruscha am 23. Dezember 1909, dem richtigen Lostag in der ganzen Koadjutorenangelegenheit, dem f. e. Konsistorium die bevor stehende Ernennung Nagls angekündigt. Am Tag dar auf bestätigte Marschall dies dem Redakteur der „Reichspost" gegenüber und erklärte, daß er auf seine Würde als Generalvikar verzichten wM*de.''^) Es soll dies dem Vernehmen nach mit einem etwas drasti schen Ausdruck geschehen sein, wie es seiner popu lären Umgangsweise auch entsprach. Und davon mochten ihn auch die nun folgenden zahlreichen und verschiedentlichen Vertrauenskundgebungen einzelner Persönlichkeiten und sogar ganzer Vereinsgruppen nicht abzubringen, wie sich zeigen sollte. Da nun diese ganze causa und vor allem die Äuße rungen der freundlichen und mehr noch der feindli chen Presse an anderer Stelle noch eingehend unter sucht und dargestellt werden sollen, sei hier nur eini ges vorgelegt, und zwar aus der von dem edlen, ab solut kirchentreuen und vermittelnden Chefredakteur Dr. Friedrich Funder redigierten „Reichspost". Sie ver meldete schon am 3. Jänner, aus kirchlichen Kreisen sei ihr geschrieben worden, die Nachricht von dem beabsichtigten Rücktritt Marschalls habe in den Krei sen der Wiener Bevölkerung eine tiefgehende Bewe gung verursacht. Gegenwärtig zirkulierten Unterschriftenbogen, um den allbeliebten Generalvikar zu bewegen, seine Absicht des Rücktrittes nicht durch zuführen und auf dem Posten des Weihbischofs zu verbleiben.-'"-) Schon am 7. Jänner wußte die „Korrespondenz Wilhelm" zu melden: „Ein gestern abends auf Veran lassung des Katholischen Volksbundes in der Augu stinerkirche stattgehabter Gottesdienst, bei dem P. Abel die Predigt hielt, schloß mit dem feierlichen Pontifikalsegen Sr. Ex. Bischofs Dr. Marschall ab.Als dieser aus der Sakristei auf die Straße trat, wurde er von der die Augustinerstraße in ihrer Länge besetzt haltenden Menge der Kirchenbesucher mit stürmi schen Hochrufen begrüßt. Vielfach hörte man auch Rufe: Bei uns bleiben! Nicht fortgehen! Aushalten! Diese Kundgebungen wiederholten sich auf dem Wege, den Se. Ex. durch die Innenstadt nach seiner Wohnung nahm", Am 9. Jänner brachte die Reichspost den Wort laut des oben genannten Vereins-Zirkulars: „Das letzte große Werk, mit welchem der General vikar und Weihbischof Dr. Godfried Marschall am Ende seiner von unermüdlicher Arbeit und zahllosen herrlichen Werken christlicher Nächstenliebe erfüllten Laufbahn seine Wiener erfreut hat, bildet bekanntlich die wunderschöne, der Königin des Rosenkranzes ge weihte Marienkirche in Hetzendorf. Deshalb fühlt sich auf Ersuchen des Damenkomitees zur Errichtung einer Marienkirche, geweiht der Königin des Rosen kranzes in Wien, der itirchenbauverein in Hetzendorf Wien verpflichtet, an alle christlichen und bürgerli chen Vereine und Korporationen Wiens mit der An regung heranzutreten, den scheidenden von ganz Wien geliebten und verehrten Kirchenfürsten durch eine große Sympathiekundgebung in solenner Weise zu ehren. Ein Komitee, in welchem alle an der Sympathiekundgebung teilnehmenden Vereine und Korporationen durch je einen Delegierten oder eine Delegierte vertreten sein sollen, wird so rasch als möglich zu beschließen haben, in welcher Weise die in großem Stile geplante Kundgebung der Verehrung und Liebe für Seine Exzellenz den hoch würdigsten Herrn Weihbischof Dr. Godfried Mar schall durchgeführt werden soll. Es sei besonders betont, daß diese geplante Kundgebung keine an dere Tendenz, keinen Zweck verfolgt, als dem um die Wiener so reich verdienten Kirchenfür sten zu zeigen, wie sehr ihn unsere Bevölkerung liebt und achtet. Anmeldungen zur Teilnahme sind erbeten binnen acht Tagen an Herrn Karl W e s s e1 y, Oberrevident in Wien, Xll/a Hetzendorferstraße Nr. 55, oder an die Vorsitzende des Damenkomitees Frau Her mine Duschek, Wien, XIII/4 Hetzendorferstraße. Zwei Tage darauf meldete dieselbe Quelle unter Berufung auf die „Austria", daß noch am 9. d. M. eine Deputation Weihbischof Marschall eine von nahe zu 200 Vereinen und Korporationen unterschriebene Adresse überreichte, „in welcher ihm die Dankbarkeit und das Vertrauen der katholischen Bevölkerung Wiens ausgedrückt und die Bitte ausgesprochen wurde,er wolle den Vereinen auch fernerhin sein Wohl34
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