Die wenigen der persönlichen Entschließung des Kar dinals vorbehaltenen Agenden werden nur mit starker Verspätung, manchmal gar nicht abgewickelt. Von Mißständen in der Temporalien-Verwaltung geben amtliche Nachrichten keinen Aufschluß. Aller dings scheint die Erhaltung des Bauzustandes nament lich bei den Patronats-Objekten zu wünschen übrig zu lassen und es ist nicht ausgeschlossen, daß die Waldbestände in den Herrschaften am Wechsel rela tiv stark in Anspruch genommen worden sind. Voraussetzungen für Bestellung eines Koadjutors jedenfalls gegeben (unterstrichen). Initiative dazu ge genüber dem Kardinal wäre dem Hl. Stuhl zu über lassen. Anläßlich der Bestellung eines Koadjutors dürften mit Bedacht auf die Stellung Gruschas an der Spitze des österreichischen Episkopates und angesichts seiner früheren Verdienste S. M. sich bewogen fühlen, die Verleihung des Groß-Kreuzes des SanktStephans-Ordens in Betracht zu ziehen (letzteres un terstrichen). Bestellung des Koadjutors hätte cum jure successionis zu erfolgen (unterstrichen), um dessen Posi tion dem Kardinal wie dem Diözesanklerus gegen über zu fixieren. Da der Hl. Stuhl auf Abnahme der Mensal-Verwaltung (unterstrichen) Gewicht zu legen scheint und dies von der Regierung nur genehm gehalten werden könnte, dürfte in Aussicht zu neh men sein, dem Kardinal eine fixe Rente aus den Mensal-Einkünften (unterstrichen) von c. 50.000, even tuell 60.000 Kronen sowie den Genuß der Wohnung im Wiener Palais und des Schlosses Kranichberg (un terstrichen) anzuweisen. Über die Details wäre noch eine weitere Verhandlung mit dem Hl. Stuhl (unter strichen) auf Grund der Anträge der Interessenten vorzubehalten. Der Kardinal hätte wohl im Woll zeilentrakte des Palais genügend Raum, behielte das Schloß Ober-St. Veit zur Verfügung und würde über den Rest des Mensal-Einkommens von eben 70.000 Kr. jährlich disponieren können. Person des Koadjutors (unterstrichen). Der von S. M. genannte Bischof von Triest-Capo d'lstria, Dr. Franz Xaver Nagl, ein gebürtiger Wiener, 54 Jahre alt, seit 7 Jahren Bischof, übertrifft alle sonst in Frage kommenden Kandidaten durch sein stets be währtes festes und doch vorsichtiges und korrektes Auftreten. In allen bisher bekleideten Ämtern hat er sich binnen kürzester Frist eine Position zu schaffen gewußt. Mit wissenschaftlicher und allgemeiner Bil dung verbindet er ausgezeichnete Formen, weiß würdevoll aufzutreten, schreibt und spricht vortreff lich und hat sich oft bei schwierigen Verhandlungen als guter Diplomat mit weitem Blick und Sinn für das Wesentliche seiner Aufgabe bewährt. Er kennt von seiner vieljährigen Tätigkeit als Agent des Episkopa tes in Rom die Verhältnisse sämtlicher Diözesen aufs beste und ist dadurch zu einer führenden Rolle in den Bischofskonferenzen prädestiniert. Er ist streng dynastisch und patriotisch gesinnt sowie auch in Rom bestens akkreditiert. Neben Nagl käme im österrei chischen Episkopat vielleicht noch Graf Huyn von Brünn in Betracht, der aber als Oberhaupt einer über wiegend slawischen Diözese jetzt in Wien kaum gerne gesehen wäre und Nagl an Erfahrung und Vorsicht nachsteht. Bischof Rößler (1894—1927) von St. Pölten wäre den Wiener Verhältnissen und namentlich der Sorge für eine gute Disziplin im Klerus kaum gewachsen. Bischof Hittmair (1909—1915) von Linz hat erst vor einigen Monaten die Regierung seiner Diözese über nommen und wird sich wohl zunächst in ihr zu be währen haben. — Im Wiener Metropolitankapitel ent faltet Weihbischof Dr. Marschall zwar eine große Arbeitskraft zur Bewältigung der laufenden Ge schäfte, wäre aber doch für die Aufgabe einer füh renden Stellung kaum die volle Persönlichkeit und vermöchte auch bei manchen reformbedürftigen An gelegenheiten der Wiener Erzdiözese nicht entspre chen durchzugreifen, da er in denselben von früher engagiert ist. Nagl übertrifft ihn sicher an Klugheit, Takt und an Beliebtheit in Rom und steht noch mitten in voller Schaffenskraft, da er vierzehn Jahre jünger ist. Sektionschef Prälat Zschokke^i) ist bei allen Ver diensten kaum mehr frisch genug für das Einarbeiten in Agenden eines so verantwortungsvollen Postens. Prälat Dr. Müller"^^) ist seit einiger Zeit kränklich und entbehrt wohl auch der nötigen Erfahrung für die Leitung eines Bistums. Unter den nö. Ordens prälaten dürfte jetztwohl kaum einer in Betracht gezo gen werden können, unter den Professoren der Theolo gie ragt zwar Hofrat Franz M. Schindleri*') in einem Maße hervor, daß er vielleicht für ein einfaches Bis tum etwa in seiner nordböhmischen Heimat in Be tracht genommen werden könnte, gegen Najgl steht er aber sicher zurück. Form des Vorganges (unterstrichen): Es ist zwar nicht zu zweifeln, daß Msgr. Nagl einer Berufung Folge leisten wird,^ doch wäre möglich, daß er hin sichtlich mancher Einzelheiten bei der Aktion Anre gungen zu geben hätte, die in Erwägung zu nehmen wären. Daher dürfte zunächst ein vertrauliches Be nehmen mit Msgr. Nagl am Platze sein. Sodann dürfte das Schreiben Sr. H. mit der prinzipiellen Zustim mung zur Bestellung zum Koadjutor mit dem Rechte der Nachfolge (unterstrichen) und der ebenfalls prinzipiellen Zustimmung zu der Person (unterstri chen) Msgr. Nagl zu beantworten und dem Papste anheimzugeben sein, Kardinal Gruscha in rücksichts voller Form zur Einbringung eines Gesuches bei Sr. M. um Bestellung eines Koadjutors (unterstrichen) zu veranlassen. Sobald dieses Gesuch vorliegt, dürfte es geboten sein, den Statthalter in Nö. zu vernehmen, da sämtliche einschlägigen Verhältnisse ohnehin be kannt sind; sodann dürfte sofort der Antrag auf Er nennung Msgr. Nagls zum Koadjutor mit dem Rechte der Nachfolge bei E. M. zu stellen sein. Nach Voll ziehung dieser Ernennung, mit welcher gleichzeitig die Auszeichnung des Kardinals event. erfolgen könnte, wäre das übliche Nominationsschreiben der Kurie zu übermitteln und die Ernennung amtlich zu publizie ren. Wahrscheinlich dürfte S. H. Msgr. Nagl aus die sem Anlaß auf ein Titular-Erzbistum transferieren, wodurch die Vakanz der Diözese (unterstrichen) Triest-Capo d'lstria eintreten würde. Ihi-e Wiederbe setzung dürfte wohl erst nach dem Amtsantritt Msgr. Nagls in Wien in der üblichen Form, d. i. nach Be fragung des küstenländischen Episkopates und Be27
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