Beiträge zur Wiener Diözesangesdiidite BE I LÄQE DES WI ENER DIÖZESANBLATTES Nr. 7 (Juli 1965) 103. Jahrgang Nr. 4 Wien,am 1.Juli 1965 6.Jahrgang Inhalt: 15. Kardinal Franz Xaver Nagl, Fürsterzbischof von Wien (1911/1913). II. Seine Berufung als Erzbischof-Koadjutor von Wien, und seine Erhebung zum Fürsterzbischof (1910/1911). — 16. Der Wiener Pfarrer Möns. Johann Grill (t 1959). — 17. Pfarren und Patrozinien der Wiener Erz diözese (Fortsetzung). — 18. Regesten des Taubstummen-Institutes in Wien. 15. Kardinal Franz Xaver Nagl, Fürsterzbischof von Wien (1911/1913) II. Seine Berufung als Erzbischof-Koadjutor von Wien und seine Erhebung zum Fürsterzbischof (1910/1911) Dr. Franz Loidl Daß sich Nagl auch noch als Bischof von Triest und da gerade erst recht mit Wien und seiner katho lischen Einwohnerschaft verbunden fühlte, erscheint unter anderem durch sein tätiges Interesse für die Pilgerfahrten der Erzbruderschaft vom hl. Erzengel Michael nach Rom bestätigt. So übernahm er 1908 auf Ansuchen die Führung, vermittelte einem großen Teil der Pilger die Teilnahme an der Papstmesse und spendete ihnen dabei selbst die hl. Kommunion. Auch nahm er bei der Papstaudienz im Thronsaal die Vor stellung des Pilgerkomitees vor. Erwähnenswert ist das Antwortstelegramm, das Erzherzog Franz Ferdi nand d'Este an ihn richtete und das unter dem Jubel der Versammlung vom Kommandeur Schreiner vor gelesen wurde: „Euerer Exzellenz sowie allen Mit gliedern des österreichischen Jubiläumszuges (aus An laß der 60jährigen Regierung Kaiser Franz Josephs I. unternommen) danke ich hocherfreut und innigst für die Gebete am Grabe des hl. Franziskus sowie für die freundliche Versicherung der Anhänglichkeit und Liebe. Indem ich weitere glückliche und segensreiche Pilgerfahrt wünsche, bitte ich meiner und meiner Familie in Rom zu gedenken."^) Auch 1909 ließ sich Nagl durch das Präsidium für die bis dahin glänzendste Pilgerfahrt zur Heilig sprechung des sei. Klemens Maria Hofbauer und damit für die Führung des Zuges gewinnen, der am 14. Mai von der Hauptstadt abfuhr. Er stieg, von Triest kommend, aber erst in Padua zu. Über raschenderweise reiste auch der fast neunzigjährige Kardinal Gruscha von seinem Sommeraufenthalt Arco bei Riva (im ehemaligen Südtirol) nach, um laut Telegramm ebenfalls an der Kanonisationsfeierlichkeit teilzunehmen und die Pilger dem Hl. Vater per sönlich vorzustellen, was auch bei der großen all gemeinen Audienz im Beisein des Bischofs Nagl ge schah. „Wer hätte es gedacht", vermerkte nachträg lich der Chronist der Bruderschaft Möns. Prof. Wolny, „daß wir in kaum einer Jahresfrist so glücklich sein würden, den hochwürdigsten Herrn als ErzbischofKoadjutor der Wiener Erzdiözese zu begrüßen."®) Freilich sollte dies schon um die Jahreswende herum mit einer gewissen Dramatik geschehen und auch mit einer gewissen Tragik verbunden sein. Als der am 3. November 1820 geborene Feldvikar (genauer: Apostolischer Feldvikar der österreichischen Heere) Dr. Anton Joseph Gruscha lt. ah. Dekret vom 24. Jänner 1890 zum Wiener Erzbischof ernannt wor den war*), hatte er bereits über 70 Jahre gezählt. 1910 stand er somit vor der Vollendung seines 90. Le bensjahres, war also höchst betagt und zudem sehr sehbehindert. Er weilte zudem den weitaus größten Teil des Jahres fern von seinem Bischofsitz, und zwar während der warmen Jahreszeit im eb. Sommerschloß Kranichberg bei Gloggnitz (Nö.) und während des Winters in Arco bei Riva am Gardasee (Südtirol), das damals noch zur Österreich-Ungarischen Monarchie gehörte. Nach dem Abtreten des Generalvikars Weih bischof Dr. Eduard Angerer im Jahr 1896"*) hatte er Weihbischof Dr. Johann Baptist Schneider mit die sem Amte betraut, der es bis zu seinem Tod am 26. Jänner 1905 vorbildlich und getreu verwaltete^). Und nach ihm setzte er den bereits seit 1901 als Weihbischof tätigen ehemaligen ersten Propst der Votivkirche Dr. Godfried Marschall ein, der sich als aufgeschlossener und geschickter Stellvertreter und Helfer in der Diözesanleitung erwies und sich ob sei ner Konzilianz beim Klerus und ob seiner Leutselig keit beim Volke und vor allem bei den Wienern echter Beliebtheit erfreute®). So wurde auch allgemein erwar tet, daß Marschall einmal Gruscha auf dem Erz bischofstuhl nachfolgen werde'). Wie sich zeigte, kam es jedoch völlig anders und dies zu seiner Über raschung und dem Erstaunen der nicht weniger über raschten Öffentlichkeit. Ein Blick in das so abwechs lungsreiche Aktenmaterial ermöglicht noch heute ein Nacherleben dieser interessanten Vorgänge der Jahre 1909/1910/1911. Es sei daher in seinen aufschlußreich sten Teilen wörtlich dargeboten. Mit Datum vom 4. August 1909 liegt ein italieni sches Schreiben aus dem Vatikan vor, worin Papst Pius X. den Kaiser um seinen Rat und vielleicht auch um seine Hilfe bittet. Der Kardinal von Wien sei alt, seine Beschwerden hinderten ihn, für das geistliche Wohl des Klerus wie auch für die e. b. Mensa zu sorgen. Weihbischof Marschall sei nicht in der Lage, ihn, was die Disziplin des Klerus wie auch die Ver waltung der Mensa betreffe, vollkommen zu ersetzen. Wichtige Entscheidungen müßten immer für die Zu kunft aufgeschoben werden. 25
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