die Schwestern der göttlichen Vorsehung konnten ihre Volks-, Bürger- und Handelsschulen, Internate, Horte, Kindergärten, Waisenhäuser etc. erweitern und neuzeitlich ausgestalten. Es kam auch zu Neugründun gen. Den religiösen und sozialkaritativen Vereinigun gen wurde eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt und sie erlebten daher alle einen Aufstieg, nachweis bar aus der Mitgliederzahl und den Leistungen. Woh nungselend, Armut und andere soziale Nöte half der St.-Vinzenz-Verein als stärkste Vereinigung lindern, während sich das „Werk des hl. Franziskus Regis" um die Sanierung der nicht wenigen wilden Ehen und der Legitimierung deren unehelicher Kinder annahm. Dieser Verein und der 1903 zum Schütze der katholi schen Auswanderer gestiftete St.-Raphaels-Verein, die im selben Jahr für alleinreisende Mädchen eingeführte Bahnhofsmission erwiesen sich gerade in der Hafen stadt der österreichisch-ungarischen Monarchie als sehr dringend und segensreich. Die Antonius-Brot spenden und die Aktion Klostersuppe wurden anläß lich des Generalstreiks i. J. 1906 für viele Arbeiter familien zum überbrückenden Lebensunterhalt. Daß auch dem katholischen Pressewesen, den Büchereien und der Bildung der Katholiken ein erhöhtes Augenmerk gewidmet wurde, sei nur ange merkt. Nicht übersehen sei die Missionsförderung, wofür gerade in Triest, „dieser Handelspforte des Morgenlandes, durch die sehr viele Missionäre nach fernen Ländern zogen", nicht nur Verständnis, son dern auch nachahmenswerte Gebefreudigkeit selbst verständlich waren. Auch im außerkirchlichen Vereinsleben begann es sich in dieser Periode zu regen, vor allem bei den Italienern, deren verschiedenartige Gruppen sich in der „Federazione triestina istriana"zusammenschlössen, um gemeinsam vorzugehen, die Vereinstätigkeit und das katholische Leben in der Diözese zu fördern und auch im politischen Raum christlich-soziales Gedan kengut und Forderungen durchzusetzen. Genannte Federazione begann ab 1906 mit einem jährlichen Katholikentag, der ansteigend von mehreren Tausend Männern besucht war. Damit ist aber als heikelstes Problem die Natio nalitäten- und Sprachenfrage genannt, waren doch in der Diözese vier Nationen vertreten: Italiener, Slo wenen, Kroaten und Deutsche (etwa 7000), wozu sogar noch eine Anzahl Rumänen kam. Erforderten die ständigen Reibungen zwischen Italienern und Slowe nen vom Bischof schon ein ruhiges und kluges Vor gehen, so noch mehr,der mit lebhafter Agitation be triebene Streit um die altslawische Kirchensprache in den slowenischen Pfarren, da nicht ungefährliche schismatische Tendenzen damit verbunden waren. Nagl kündigte sein richtiges Verhalten in seinem Wap penspruch: Pacem et veritatem, unmißverständlich an und legte dies auch tatsächlich an den Tag. Um intensiver auf die ihm anvertraute polyglotte Herde wieder einwirken zu können, erlernte er die kroatische und die slowenische Sprache — der italienischen war er längst mächtig — und brachte es darin so weit, daß er in diesen Idiomen auch das Wort Gottes zu verkünden vermochte®«). Zum Sekretär nahm er sich Josef Anton Ujöic, der eben i. J. 1902 zum Priester geweiht worden war®'). Mit diesem anläßlich der Erneuerimg des Doktor diploms 1958 an der theologischen Fakultät der Wiener Universität persönlich bekannt geworden, wandte sich der Verfasser am 12. Februar 1964 an ihn, um aus berufenstem Munde Näheres und Charakteristisches über Nagl als Oberhirten zu erfahren, worauf Ujöic in seiner noblen Art Im Brief vom 24. Februar ant wortete, daß die Informationen vollkommen stimmten, er aber jetzt leider seit Wochen ans Krankenbett gefesselt sei und im Alter von 84 Jahren stehe, wo alles labor et dolor sei. Sobald er sich jedoch etwas wohler fühle, werde er nicht ermangeln, entspre chende Angaben über Nagl zu schicken, denn er habe ihn in sehr dankbarer Erinnerung. Leider ver starb der hochbetagte edle Erzbischof am 24. März. Damit war die seltene Gelegenheit begraben, einen intimen und verläßlichen Zeugen für die schwierigen und für den Außenstehenden kaum richtig zu beurtei lenden Verhältnisse in der Triester Diözese und vor allem für die Persönlichkeit und Wirksamkeit Nagls zu befragen und Auskünfte zu erhalten, wie sie nur der Sekretär zu geben imstande war. Nun gibt aber zum Glück das Amtsblatt der Diözese „Curia episcopalis", das monatlich zwei bis drei Druckbogen stark m lateinischer Sprache erschien, wenigstens einiger maßen auch Einblicke, da es alle römischen und Diözesanakten, die Diözesanchronik und andere Informa tionen bringt. Mochte sich nun Bischof Nagl doch, weil nicht aus der Diözese hervorgegangen, als Fremdling und nicht in allem voll und ganz verstanden und bedankt gefühlt haben, Papst und Kaiser sahen in ihm stets den Mann treuester, unbeirrbarer Pflichterfüllung auf einem richtigen Bewährungsposten und belohnten ihm dies durch Ehrungen und Dankesbezeigungen: der Hl. Vater Pius X., durch ein besonderes Geschenk am 19. Oktober 1904®«), der Monarch durch die Ernennung zum Wirklichen Geheimen Rat am 20. Jänner 1906®«), und beide vor allem durch die Erhebung zum Fürsterzbischof von Wien, der Reichs-, Haupt- und Resi denzstadt der Völkermonarchie, wobei man sich daran erinnern mag, daß die Wiener Diözesangeschichte be reits auf einen Fall verweisen kann, daß schon ein Wiener Oberhirte von Triest über St. Pölten berufen wurde: es ist dies Nagl siebenter Vorgänger in Wien, Fürsterzbischof Sigmund II. Anton Graf von Hohen wart in Gerlachstein, der von 1792—1794 Bischof von Triest und von 1794—1803 in St. Pölten gewesen war und in Wien von 1803—1820 regiert hatte®«). Wichtigste Quellen und Literatur: Matriken der Pfarre Röhrenbach, N. ö. (lt. Mitteilung von Pfarr vikar P. Pirmin Wind O. S. B.); der Pfarre St. Rochus und Sebastian (Wien III); des St. Pöltener Priester seminars (It. MitteUung von Regens Kan. W. Mantler); Personalstände der Diözese St. Pölten und der Erz diözese Wien; Wiener Diözesanblatt; Prospectus beneficiorum ecclesiasticorum et status personalis cleri unitarum Tergestinae et Justinopolitanae 1907; Cölestin Wolfsgruber, Die k. u. k. Hofburgkapelle und die k. u. k. Geistliche HofkapeUe, Wien 1905; Hugo Mioni, Das soziale Wirken der katholischen Kirche in Österreich, Bd. IV., Heft 2. Diözese TriestCapo d'Istria, Wien 1909; Josef Lenzenweger, Sancta Maria deH'Anima, Erste und zweite Gründung. Wien— Rom 1959. Anmerkungen: «) Heute Landstraßer Hauptstraße Nr. 109, ein zweistöckiges Bürgei'haus mit Werk21
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