Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

ein und wurde am nächsten Tag von Kooperator Eduard Mittler^) in der zuständigen Pfarrkirche Sankt Rochus und Sebastian^) auf die Namen Franz Xaver Leopold getauft^), was wie ein günstiges Vorzeichen gelten mochte, indem der erste Name seinen ihn spä ter verzehrenden Berufseifer vorausdeuten konnte und der zweite als ein Hinweis auf die Stätte seiner Wirk samkeit angesehen werden durfte, es ist Wien und Niederösterreich, die in St. Leopold ihren ersten Schutz- und Landespatron verehren. Seine Eltern Leopold Nagl®) und Barbara geb. Kloiber®) hatten am 29. April 1855 in der Pfarrkirche St. Rochus und Sebastian geheiratet.') Beide stammten aus Filialen (Tautendorf und Feinfeld) der dem Bene diktinerstift Altenburg (Bezirk Horn, Nö.) inkorpo rierten Pfarre Röhrenbach, Dekanat Horn in der Diözese St. Pölten, die um 1860 etwa 885 Seelen zählte®).Der Vater war Tagportier in der Schmid'schen Maschinenfabrik im III. Bezirk®), übersiedelte aber bald mit seiner Familie nach Gobelsdorf Nr. 11, einer Filiale der Heimatpfarre Röhrenbach, um sich wie derum der ihn mehr ansprechenden und alle besser nährenden Landwirtschaft als Wirtschaftsbesitzer toi widmen'®). Er starb als Ausnehmer am Vormittag des 27. Jänner 1898 in Gobelsdorf Nr. 4 an Marasmus senilis und wurde zwei Tage darauf auf dem Orts friedhof von Röhrenbach beerdigt"), während ihn seine Gattin Barbara, also Nagls Mutter, um mehr als siebzehn Jahre überlebte, denn sie verschied am 20. April 1915 in derselben Wohnung und wurde eben falls zwei Tage darauf auf dem Ortsfriedhof bestattet'2). Im ländlichen Gobelsdorf verbrachte der Knabe mit seiner um fast fünf Jahre jüngeren, d. i. am 19. Oktober 1861 daselbst geborenen Schwester Bar bara'®) sdine Kindheit und wanderte von dem kleinen Weiler aus zur Volksschule in dem eine halbe Stunde entfernten Pfarrort Röhrenbach, die etwa 140 Kinder bevölkerten'"'). Am 1. Oktober des unseligen Kriegsjahres 1866 trat der bald Elfjährige ins Knabenseminar ein, das damals noch in Krems provisorisch untergebracht war, von wo aus er fünf Jahre lang das Gymnasium als Vorzugsschüler besuchte'®). Als sodann 1871 das neue Gebäude des bischöflichen Knabenseminars „Marianum" in Seitenstetten eröffnet wurde, übersiedelte er mit den anderen Mitseminaristen dorthin, besuchte von da aus das Stiftsgynamsium von der sechsten bis zur achten Klasse und maturierte 1874 mit ausgezeich netem Erfolg. Er war unter neunzehn Maturanten der zweite'®). Unbeirrt dem Priestertum als Ziel zugewandt, scheint der junge Nagl mit 30. September 1874 unter acht Neueintretenden als Alumne des bischöflichen Priesterseminars und der Theologischen Diözesanlehranstalt der Bischofstadt St. Pölten auf"), wo er alle seine Studien mit der Note Eminenter absolvierte'®), nach der Tonsur am 22. November 1874, den niederen Weihen am 21. Februar 1875, dem Subdiakonat am 9. Juli 1878 und dem Diakonat am 12. Juli, am 14. Juli aus der Hand des Bischofs Matthäus Josef Binder (1873—1893) die Priesterweihe empfing'®). Darauf war er für kurze Zeit Kooperator in dem bekannten Eisenbahnerort Amstetten, wurde jedoch schon im Jahr darauf im Höheren Weltpriester-Bilgungsinstitut zum hl. Augustin oder Frintaneum (Wien I)'^®) zum theologischen Weiterstudium an der kathol.-theol. Fakultät in der Kaiserstadt aufgenom men, wo er vom 29. September 1879 bis 23. Oktober 1882 verblieb. Er legte als fleißiger und hervorragender Frintanist nicht erst, wie die strenge Hausordnung als unumgänglich vorschrieb, innerhalb von drei Jahren, sondern bereits in zwei Jahren die Rigorosen ab und wurde mit einem belobenden Zeugnis entlassen"), um dann sofort als Kaplan an die „Deutsche National stiftung S. Maria dell'Anima" nach Rom zu gehen, und erwarb 1883 an der päpstlichen Universität Gregoriana das Baccalaureat und Licentiat der Christ lichen (Thomistischen) Philosophie®''). Nachdem er in zwischen mit Datum vom 27. Februar 1883 im Fach gebiet Altes Testament beim damaligen Professor hie für und späteren Weihbischof Hermann Zschokke die Dissertation „Symbolico-typica significatio tabernaculi sacri Antiqui Testamenti cum suis utensibilibus" (154 Seiten) eingereicht und der genannte Beurteiler sie „mit recht gut" klassifiziert hatte, erfolgte am 1. März ihre Annahme durch das Professorenkolle gium®®) und am 10. d. M. die Promotion des Kan didaten zum Doktor der Theologie an der Wiener Universität"). Mit Ordinariatsdekret vom 27. August 1883 (ZI. 4867 und nach Rom adressiert) wurde Nagl be nachrichtigt, daß er nach St. Pölten auf die Lehr kanzel für neutestamentliche Exegese berufen sei®®). Dieses Dekret dürfte er aber nicht mehr in die Hand bekommen haben, da er am 5. September schon in St. Pölten gewesen sein muß. An diesem Tag wurde nämlich das Dekret neu ausgestellt, mit Ausstellungs datum vom 1. September (ZI. 5015). Mit 0-5399 vom 24. September erhielt er dann den Lehrauftrag für die neueingeführten Vorlesungen über Thomistische Philosophie®®). Er hatte dieses Fach im X. und II. Jahr gang mit je zwei Stunden wöchentlich zu tradieren®'). Die kurze Lehrtätigkeit ließ den jungen Professor je doch keine Zeit für wissenschaftliche Arbeiten und Publikationen übrig®®). Denn schon nach zwei Jahren sollte er in seine Geburts- und Kaiserstadt zurück kehren. Am 27. August 1885 wurde nämlich dem a. o. Pro fessor für Fundamentaltheologie Hofkaplan und Hof burgpfarrvikar Dr. Johann Baptist Schneider die Hofund Stadtpfarre St. Augustin (Wien I) verliehen®"). Nun brachte der Hof- und Burgpfarrer Prälat Laurenz Mayer Professor Nagl als bewährten Alt-Frintanisten, der zudem vom Ordinarius Bischof M. J. Binder hiefür aufs beste empfohlen war, am 8. September in Vor schlag®®), und schon am 20. d. M. erfolgte dessen Ernennung zum Hofkaplan. Er war in der langen Reihe seit 1304 der 355. Inhaber dieses begehrten kirchlichen Hofamtes®'). Als nicht uninteressant sei hier vermerkt, daß sich Nagl damals um die Nach folge Schneiders auf der Lehrkanzel für Fundamental theologie mit dem Wiener Alumnatsdirektor Dr.Gustav Müller, dem Hofkaplan Dr. Josef Seywald und dem Kuratbenefiziaten von St. Peter Dr. Johann Pauliczek bewarb, aber nicht zum Zuge kam, da Müller zum a. 0. Professor ernannt wurde"®). Dafür rückte er 18

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