auf der Straße einen von früher her ihm bekannten Handwerker ansprach^) oder gegen Mittag einen Be sucher in der Sprechstunde oder bei der Audienz kurzerhand, wie es in seiner bäuerlichen Heimat nach Brauch und Gastlichkeit geschah, im Dialekt einlud, „bleibens da auf a Maul voll Suppn", oder wenn er von der ihm als Bischof zustehenden Dispens vom Votum paupertatis keinen Gebrauch machte und wei terhin anspruchslos eben wie ein Mönch lebte-®). Auch das war für ihn bezeichnend. Er hinterließ ausgerech net nur 2000 fl., das ist so viel, wie für sein Studium einst ausgelegt worden war, um damit seine Dankes schuld anzuzeigen und abzustatten^). Anders ist natürlich die Frage nach den kirchen politischen Leistungen oder gar nach einer eventuellen Führerstellung zu beantworten. Wenn er nun keines wegs die markante Persönlichkeit war, die jene Periode gebraucht hätte, und er gewiß nicht an seinen zweiten berühmten Vorgänger Kardinal Rauscher oder an seinen wenigstens in der ersten Periode tüchtigen Nachfolger Kardinal Gruscha heranreichte, so ist ihm doch zugutezuhalten, daß er sich keinesfalls an das so verantwortungsvolle Amt herandrängte, ja es im Ge genteil abzuweisen versuchte und später oftmals, frei lich zu demutsvoll seine Unzulänglichkeit eingestand und beteuerte, weiters daß er stets guten Willens war, jeden arbeiten ließ und sich über Erfolge neidlos freute, daß er sich genugsam aufgeschlossen erwies, aber auch wiederum durch Alter und Kränklichkeit gehemmt wurde. Zuletzt darf nicht übersehen wer den, daß er doch als Diözesanfremdling nach Wien kam und auf den Rat und die Unterstützung mehr oder minder doch noch josefinisch angehauchter Mit arbeiter, wie des Generalvikars Angerer, des Kanzlers Kornheisl, einzelner Kanoniker und Konsistorialräte angewiesen war,daß er zudem ein weltlich nicht so er fahrener Ordensmann und weder Diplomat noch Jurist noch Politiker war und eine der größten und mit ihren Besonderheiten und Schwierigkeiten bedachten Diöze sen zu leiten hatte. Auch die nachwirkende josefinische Bevormundung und Einflußnahme durch Kaiser und Regierung und die vom Liberalismus bestimmte Kir chenpolitik bildeten nicht zu unterschätzende Mächte, mit denen zu rechnen war. Seine Devise: er werde nicht ins Vordertreffen des politischen Kampfes tre ten, er werde sein Hauptaugenmerk der Tätigkeit auf kirchlichem Gebiete zuwenden, er werde zuerst Bischof, dann Politiker sein"), wurde ihm später als Schwäche und Nachgiebigkeit und volljosefinische Einstellung ausgelegt, staatskirchlich auch, weil er wirklich Kaiser und Staat erstrangig einschätzte und beiden unbedingt zu gehorchen sich bemühte. Er ziehung und Milieu'^®) mögen ihm dies aber als Milde rung gelten lassen. Zeitkenner und gütigere Beurteiler dürften jedoch nicht ganz so unrecht behalten, wenn sie Gangibauer gerade ob seiner Konzilianz und Irenik als den wenigstens tragbaren Kirchenfürsten jener Periode zu bezeichnen oder zu rechtfertigen oder doch zu verstehen versuchen. Sicher aber ist es eine Verkennung und taten Gangibauer zeitgenössische Führer des Liberalismus unrecht, wenn sie ihn in ihrem liberalistisch-kapitalistischen Sprachorgan, das ist in der „Neuen Freien Presse", so wie beim Amtsantritt im September 1881^®) nun nach seinem Abscheiden als einen der Ihrigen fast mit Beschlag belegten oder als mit dem Zeitgeist Sympathisierenden undsomitals echtliberal hinstellten. Das „Vaterland" brandmarkte dies denn auch schärfstens als „Leichenschändung" und machte sich als führende katholische Zeitung zum temperament vollen, allerdings etwas auftrumpfenden Anwalt des „Geschändeten", wenn es schon nach zwei Tagen, d. i. am 17. Dezember, auf der Titelseite sich dagegen wandte und ausführte^®), daß es eine große Uberwin dung koste, an der Bahre des teuren Oberhirten das „Attestat" eines Blattes zurückweisen zu müssen, das als Vorkämpfer der materialistischen Weltanschauung jeder christlichen und damit auch jeder reicherhalten den Regierung die bitterste Feindschaft entgegensetzt. „Die NFrP. erdreistet sich, an der offenen Gruft des treuesten Sohnes der katholischen Kirche, des von Eifer für die Seelen der ihm Anvertrauten, vom Schmerz über die Verwüstung im Weinberge des Herrn verzehrten Kirchenfürsten ihn als den Ihrigen zu reclamieren; ihn der gemeinsamen Denkweise mit dem Organ des glaubenslosen Reformjudentums, des internationalen Mammonismus, des radicalen Republi kanismus zu beschuldigen. — Wahrlich, wenn eine Bezichtigung frevelhaft genannt werden muß,so ist es diese! Wer Zeuge war von dem Kummer des verewig ten Nachfolgers der Apostel über die Verachtung des Heiligsten, welche Tag für Tag durch kirchenfeind liches und sittenloses Federn in das christliche Volk ausgesät wird; wer seine Klagen gehört hat über die Verwilderung, der die christliche Jugend zugeführt wird, der erschrickt vor der gewissenlosen Dreistigkeit, mit welcher dieses liberale Blatt wagt, sich mit heuch lerischer Miene an die Bahre des Kardinals G. zu stellen". „Wir begreifen es", fährt sodann der Artikelschrei ber fort, und bietet zugleich durch seine schonungs lose Entlarvung dieses kirchen- und christenfeind lichen Systems seiner Zeit einen Einblick in die schwierigen Verhältnisse, in die Gangibauers Episko patsjahre fielen, „daß die NFrP. mit einiger Besorgnis in die Zukunft blickt. Das christliche Volk, so lange betört durch die trügerischen Phrasen von Freiheit, Fortschritt, Aufklärung im Banne des Judenliberalis mus gefangen, beginnt sich zu emancipieren; materiell ausgesogen, geistig verarmt, sittlich arg gefährdet, blickt es mit Reue auf den Irrweg zurück, auf den es sich hat verlocken lassen, mit Entsetzen auf den Ab grund, der sich vor ihm öffnet. Es will sich freimachen von den schimpflichen Banden, in welche man es ge schlagen, und es wird sich freimachen. Der erste kraft volle Anlauf dazu geschah unter den Auspizien unse res Oberhirten, des Kardinals G. Die Papstfeier der „Vereinigten Christen" im vorigen Winter vollzog sich unter seinem Präsidium und von dem Augenblick an war das Banner des christlichen Volkes gesegnet, sieg reich, in welcher Wahlschlacht immer es voraneile. Und ihn, den hingeschiedenen teuren Hirten, wagt man jetzt zu beschuldigen, daß sein Denken, Wollen und Streben im Gegensatz gestanden sei zu jenen Bischöfen, deren Andenken den österreichischen Katholiken ewig teuer sein wird, zu Rudigier®') und Gasser®^)! Ihn beschuldigt pietätloser Frevel, daß er gleichgültig gewesen sei für das Leid des ihm anver trauten Volkes! Doch genug davon! Das Andenken Gangibauers bedarf nicht unserer Verteidigung gegen 43
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