Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

eine größere Sorgfalt zugewendet werden soll, mit einem Worte Schulen, welche unserem teuersten Kleinode, den uns von Gott anvertrauten Kindern, einen Unterricht vermitteln, welcher ebenso auf der Höhe der Zeit und ihrer Anforderungen steht, als er gemäß unserer schweren Verantwortung gegen Gott und Vaterland in den jugendlichen Herzen die Liebe zur Kirche... mächtig zu pflegen und zu för dern geeignet ist""®). Als Sprachorgan dieses Vereines sollte die mit 15. Jänner 1887 erscheinende Zeitschrift „Die christliche Familie" mit der Beigabe für die Kleinen „Das gute Kind" dienen"®). Weitblickend und richtig zukunftweisend war der Gedanke dieses höchst aktuellen Vereines, durch die Errichtung eines katho lischen Lehrerseminars für tüchtigen und verläßlichen katholischen Lehrernachwuchs zu sorgen. Im Juli 1888 wurde daher auch von der Zentralleitung in einer Ein gabe ans eb. Ordinariat um Bewilligung einer jähr lichen Kirchensammlung ersucht und zur Kenntnis gebracht, „daß schon im Juni in der Michaelergasse im Vorort Währing (Wien XVIII.) ein 414 Quadrat-Klaf ter großes Grundstück für den Neubau eines katholi schen Lehrerseminars samt Pensionat um 20.000 Gul den gekauft worden und die Konzessionierung nach Staatsgrundgesetz Art. 17 und § 68 des Reichsvolks schulgesetzes verbürgt sei. Was die erste provisorische Anstellung der daraus hervorgehenden Lehrer an öffentlichen Schulen anbelange, so falle diese nach § 49 des Reichsvolksschulgesetzes in den Rechtsbereich des Bezirksschulrates und sei bei der großen Anzahl der konservativen Bezirksräte in den verschiedenen Kronländern nicht der entfernteste Grund einer Be sorgnis für deren Unterbringung. Es sei vielmehr vor auszusehen, daß eine oder zwei solcher Anstalten dem Bedarf und deren Ansprüchen auch nicht annähernd gewachsen sein werden"'). Protektor Gangibauer konnte freilich die Vollendung dieses Werkes nicht mehr erleben, da erst 1896 die Lehrerbildungsanstalt und im Jahr darauf die als Ubungsschule angeschlos sene Volks- und auch die Bürgerschule (heute Haupt schule) daselbst samt Internaten eröffnet wurden, deren Leitung erst die Marienbrüder, dann die Schul brüder und ab 1904 die Gesellschaft des Göttlichen Wortes mit P. Dr. Heinrich Giese (t 1937) an der Spitze übernahmen"®). Da in staatlichen Schulen Religion wie jeder andere Lehrgegenstand nur auf sein bestimmtes Stundenausmaß eingeschränkt war, mußte auf die Erteilung des Religionsunterrichtes"®) und die Aus nützung der Zeit sehr geachtet werden, was auch geschah, wie wiederum die Jahrgänge 1881/89 des Diözesanblattes erkennen lassen, worin die betreffen den Gesetze und deren Auslegungen ausführlich be handelt wurden'®®). Wie man sich kirchlicherseits um den Religionslehr- und -lernstoff selbst sorgte, bezeu gen die langen Listen von zugelassenen Religions büchern'®'). Für die Weiterbildung der Religionslehrer wurde durch immmer wieder empfohlene Zeitschriften gesorgt'®®). Ins letzte Lebensjahr Gangibauers fiel noch der II. gesamtösterreichische Katholikentag in Wien, der bereits im Mai 1888 geplant und für die Zeit vom 26, bis 29. November d. J. ausgeschrieben war, infolge politischer Entwicklungen im christlichen Lager und wegen des ausdrücklichen kaiserlichen Wunsches, daß man aus Anlaß des vierzigjährigen Regierungsjubi läums auf jede öffentliche Kundgebung verzichten möge, erst vom 29. April bis 2. Mai 1889 abgehalten werden konnte'®®). „Vorbei sind die Zeiten, in welchen es dem einfachen Gläubigen vergönnt war, auf seine Privatangelegenheiten sich zu beschränken", heißt es im Aufruf hiezu. „Heute nötigt jeden Katholiken die Lage der Kirche zur Verteidigung der höchsten Inter essen, der Zustand der Menschheit zu ernster sozialer Arbeit. Dazu brauchen wir Klärung der Ideen, Ein tracht im Streben, Begeisterung zu männlicher Tat... Große Fragen der Gegenwart sollen zur Behandlung kommen. Die berechtigte Forderung nach konfessionel ler Schule, die Pflege von Kunst und Wissenschaft, die Notwendigkeit der Presse und Literatur, alles, was wir als katholisches Leben und katholische Vereinstätig keit bezeichnen können, vor allem aber soll der bren nendsten von allen Fragen, der sozialen Frage, die eingehendste Aufmerksamkeit gewidmet werden"'®'). Dies geschah auch. Schon waren katholische Sozialpolitiker, Theore tiker wie Praktiker, Laien wie Kleriker am Werk: Karl Johann Freiherr v. Vogelsang, der einflußreiche Hauptredakteur des konservativen „Wiener Vater land", der „rote Prinz" Aloys von und zu Liechten stein, der Volksnaann und spätere Bürgermeister Dok tor Karl Lueger, der .Schöpfer und Leiter der sog. „Enten-Abende"(d. s. Dienstag-Runden einer bestimm ten Anzahl katholischer Akademiker im Hotel „Zur goldenen Ente" (Wien I.) Univ.Prof. Dr. Martin Schindler'®^), der erste Wiener Gemeinderat und Arbeiterinnen-Seelsorger Adam Latschka'®®), der Jugend- und Lehrerseelsorger Franz. X. Stauracz'®') u. n. a. Auch war politisch schon manches erreicht und gesetzlich verankert worden'®®) Hatte der unpolitisch eingestellte'®®) und auch als Mitglied des Herrenhauses im österreichischen Reichs rat sowie des nö. Landtages nur wenig hervortretende, nunmehr alternde und kränkelnde Kardinal keinen direkten Zugang mehr zur aufsteigenden christlich sozialen Bewegung und ihren Führern gefunden, so ließ doch sein letzter Fastenhirtenbrief vom 20. Fe bruar 1889'®®) Gedanken über die soziale und Arbei ter-Frage anklingen, die dann auf dem Katholikentag „der sozialen Frage", wie man diese Versammlung bezeichnete, das Hauptthema bildeten. Ergänzend darf hiezu bemerkt werden, daß Gangibauer sich stets für die Sorgen und Nöte des Volkes und besonders der davon Betroffenen aufgeschlossen zeigte und das Amts- und Publikationsorgan der Erzdiözese zur Ver fügung stellte'"). Ohne noch auf manches einzugehen, sei nur hin gewiesen, daß unter Kardinal Gangibauer durch die Beauftragung des Ordinarius für Kirchengeschichte an der theologischen Fakultät Dr. Josef Kopallik mit der Erforschung und Darstellung der Wiener Diözesangeschichte die Wiener Bistumsgeschichte richtig in Schwung kam, da es genanntem Professor geläng, eine Anzahl von Welt- und Ordensklerikern zur Mit arbeit an seinem großangelegten Regestenwerk zu gewinnen'®®) und sie und andere zur Abfassung von kirchlichen Lokalgeschlchtswerken anzuregen'®®). Auch der andere bedeutende Diözesangeschichtsforscher und -darsteller Univ.Prof. P. Dr. Cölestin Wolfsgruber'"), der wie der Kardinal gebürtiger Oberösterreicher und 37

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