Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Glocken rufen im Festesklang. Doch Tausenden, ja Hunderttausenden ist in den dicht bevölkerten Vor orten der Residenz die Teilnahme an Gottesdienst und Predigt nicht möglich; sie finden in den Kirchen kei nen Platz. — Katholiken Wiens! Das kann, das darf nicht so bleiben; ich wäre kein Hirte, wenn ich nicht auf Abhilfe dächte. Schon seit mich Gott in Eure Mitte gerufen, habe ich diese meine hl. Pflicht mir vorgehalten und nach vielseitiger Überlegung die Bil dung eines solchen Vereines ins Auge gefaßt. Seine Majestät haben huldvollst auf dieses Bestreben zu blicken und das Protektorat zu übernehmen geruht; hervorragende Persönlichkeiten, Korporationen und Vereine sichern tätige Mitwirkung zu. Und nunmehr wende ich mich an Euch mit der dringenden Bitte, diesem Verein beizutreten und ihn nach Vermögen mit Beiträgen zu unterstützen. — Katholiken Wiens! Ich wende mich nicht umsonst an Euch, denn Ihr fühlt meinen Kummer, Ihr kennt das unabweisbare Bedürf nis so gut wie ich. Ihr habt ja mehrfach selbst Kirchenbauvereine gegründet^'^) und manches Gotteshaus verkündet laut Eure Opferwilligkeit und Euren Eifer. Gott wird es lohnen! Doch dauernde Hilfe und wirk liche Abhilfe kann nur durch einheitliches, plan mäßiges Vorgehen und ein Sammeln aller Kräfte er reicht werden." Er spricht dann vom kleinen Jahres beitrag und davon, daß durch Einmütigkeit das Kleine groß werde; hofft, daß man bald nicht nur an einer Kirche bauen werde. Wien werde nach Auflassung der Linienwälle rasch wachsen und in seiner Entwicklung hinter keiner Stadt zurückbleiben... Darum sollen alle durch Wort und Schrift und Tat die Ziele des Kirchenbauvereines fördern... Denn: „Unsere Ahnen haben den Stephansdom gebaut und um ihn ihr Wien; wir wollen neue Kirchen bauen und um sie das neue Wien zum Wachstum und zur Verherrlichung des alten Wien...""). Wie der schon mehrmals zitierte Biograph und Mitinsasse des Stiftes Kremsmünster P. Sebastian Mayr erklärt, habe er sich bei wiederholten Privat unterredungen mit dem Erzbischof überzeugen kön nen, für wie wichtig dieser auch das katholische Ver einswesen hielt, mit welcher Liebe und Sorge er sich immer um das Wirken und Leben einzelner katholi scher Vereine erkundigte"). Und das konnte auch gar nicht anders sein im Zeitalter der immer mehr auf strebenden und sich verzweigenden Vereine, die den Katholiken nicht nur einen engeren Zusammenschluß, sondern auch die Erreichung verschiedenartigster Ziele erst ermöglichten, und dies auf religiös-kulturel lem, kirchlichem, seelsorglichem, caritativem und öffentlich-politischem Gebiete. Eine Anzahl von kirchlichen Vereinigungen be stand bereits. Sie wurden gefördert und empfohlen. So die Marianischen Kongregationen, Dritte Ordens-Gemeinschaften, die Namen Jesu- und die U. L. Fr. vom hl. Herzen-Bruderschaft, der „Verein zur beständigen Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes und zur Ausstattung armer Kirchen in Wien'®)." Alljährlich wurde zur Kollekte für den „Marienverein für Cen trai-Afrika", für den „Unbefleckten-Empfängnisverein für Katholiken in der Türkei'"®), für den „St.Raphaelsverein zum Schutz der katholischen Auswanderer" aufgerufen"), nicht zu übersehen die seit 1828 be stehende und äußerst segensreich wirkende „Leopoldinen-Stiftung zur Unterstützung der amerikanischen Missionen'"®). Einer besonderen Aufmerksamkeit und Unterstützung erfreuten sich der Waisenhilfsverein'®) und der „Verein vom hl. Vinzenz von Paul zur Armen pflege" mit seinen Konferenzen in den einzelnen Pfar reien bzw. Bezirken, dessen Vorstehung sich „ange sichts der in erschreckender Weise umsichgreifenden Armut und der sie begleitenden Entsittlichung" in einem Appell an den Klerus wandte®®) und den der Fürsterzbischof im Fastenhirtenbrief v. J. 1887 imd nun neuerdings wärmstens der möglichsten Förderung empfahl®'). Als besonders aktuell galt die St. MichaelsErzbruderschaft, die sich die Aufgabe gestellt hatte, den des Kirchenstaates i. J. 1870 beraubten Papst auch materiell zu unterstützen. Die Einsammlung der „Liebesgaben" erfolgte alljährlich an einem Fasten sonntag. Die Säkularfeier d. J. 1883 bot Gangibauer den passenden Anlaß, diese Bruderschaft erneut zum Beitritt zu empfehlen®^), zumal sich die finanzielle Lage des Hl. Vaters von Jahr zu Jahr schwieriger ge stalte und es ihm daher immer schwerer falle, vor allem die Missionen in dem Maße zu fördern, wie es das Heil der Seelen erfordere®®). Voll interessierte sich der Oberhirte aus seinem wohlwollenden Bischofsherzen heraus natürlich für alle Bestrebungen seines Klerus und übernahm des halb schon am 25. September 1881, also vierzehn Tage nach seinem Regierungsantritt, das Protektorat über den rührigen und weit über Wien hinaus segensreich wirkenden Priester-Gebetsverein „Associatio perseverantiae sacerdotalis" mit der Versicherung, „daß er dieses sein Schutzamt vorzüglich im täglichen Gebete beim hl. Meßopfer üben werde"®^). Seine bereits im Begrüßungshirtenbrief ausge sprochene Sorge um seine Diözesanen bekundete er stets in seiner Aufgeschlossenheit allen Seelsorgsbelangen gegenüber und suchte er immer die persön liche Begegnung, sei es am Schluß der Volksmissionen, sei es bei Festveranstaltungen. So fand er sich öfter bei dem vom Wiener Jugendapostel P. Franz Tendier SCCR. gestifteten Katholischen Jünglingsverein®®), bei dem die aus Ried i. Innkreis stammenden Brüder Schmalzhofer®®) tüchtigst mitwirkten, bei dem für die Ursulinen-Zöglinge gegründeten und dann vom Kano nikus Anton Schöpfleuthner erfolgreich geleiteten „Apostolat der christlichen Tochter", das gerade in dieser Periode seinen eigentlichen Aufschwung nahm®'), ein. Dasselbe galt von den Korporationen, in denen sich katholische Universitätsstudenten zusam menschlössen, d. s. die 1876 gestiftete „Austria" und die 1883 errichtete „Norika", als deren Protektor er sich bereitwilligst erklärte®®). Daß er auch an der eben erfolgten Gründung des Vereins zur Verwirklichung einer katholischen Universität in Salzburg Anteil nahm und sogleich durch einen Aufruf darauf aufmerksam machte®®), war für ihn als Sohn des hl.Benedikt selbst verständlich. Auch dem Ordens- und Klosterwesen und den Ordensleuten selbst ließ der erzbischöfliche Ordens mann seine Förderung angedeihen, wie er schon in seinem Begrüßungshirtenschreiben angekündigt hatte. Daher ist auch auf diesem Gebiete einiges zu vermer ken. 1889 wurde die von P. Anton Maria Schwartz gegründete „Kongregation für die christlichen Arbei ter vom hl Josef v. Calasanza"(= der Kalasantiner) 35

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