Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Unsere Kirche erscheint zum erstenmal im Jahre 1012 als eine eben neuerbaute; Pfarrkirche dürfte sie vor 1123 geworden sein. Die Pfarre als solche wird aber erst 1215 genannt®). Ursprünglich wird die Kirche zum Sprengel des Gotteshauses auf dem Michelsberg, das in die Zeit von Karl dem Großen zurückgehen soll, gehört haben. Als der Bischof von Passau den Sitz der Pfarre vom Berge herab nach Niederhollabrunn ver legt hat, was noch im 11. Jahrhundert geschehen sein mag, dürfte er-auch Stockerau zu einer Pfarre er hoben haben. Und so haben wir in unserer Gegend ein Beispiel für die alte Brauchübung, in der Nähe von Stephanskirchen auch solche des hl. Laurentius oder umgekehrt erbauen zu lassen. Ist ja Niederholla brunn dem letzteren Heiligen, in dessen Kirche zu Rom auch die Reliquien des hl. Stephanus aus Jeru salem übertragen worden sind, geweiht. Wolf meint, die vom Bischof Berengar von Passau auf Grund der königlichen Grundschenkung von 10i4 errichtete Pfarre Uotzinesee sei in Stockerau zu suchen. Ent weder sei der Standort der Pfarre Uotzinesee in der Folge vom heutigen Jedlesee nach Stockerau verlegt worden oder es handle sich bei diesem verschollenen Pfarrorte um eine von der Donau zerstörte Siedlung^). Nun gibt es eine' sumpfige Flur Uitzensee östlich der Schule von Zaine. In dieser Flur vermutet neuestens der beste Kenner auf dem Gebiete der Orts- und Flurnamenkunde, Dr. Heinrich Weigl, den Standort der zugrundegegangfenen Pfarrkirche Uotzinesee®). Aus Stockerau selber sind vor oder nach 1300 die jetzigen Pfarren Senning, Groß-Mugl und Leitzersdorf hervorgegangen®). Von Sierndorf darf man eher die Auspfarrung von Hausleiten annehmen'), wenn gleich ein Zweig des Herrengeschlechtes von Siern dorf vermutlich das landesfürstliche Burggrafenamt von Stockerau innehatte®) und einer dieser landes fürstlichen Beamten, Ritter Johannes von Sierndorf, um 1320 Stifter der Frühmesse bei St. Stephan in Stokkerau wurde®). 1426 suchten die Bewohner des Dor fes Stockerau vergebens vor den Hussiten hinter den hohen Mauern des Kirchhofes Schutz'®). Seit dem 13. oder 14. Jahrhundert bestand auf dem Friedhofe, der bis zum Neubau der Kirche diese umgab, ein K a r - n e r. Der enthielt in seinem oberen Teil eine Kapelle mit einem Altar der hl. Jungfrau und Märtyrerin Katharina von Alexandrien"). Das unter irdische Gewölbe diente zur Aufnahme der ausgegra benen Totengebeine, weswegen ein solches Gebäude Beinhaus, Karner, auch ossuarium, genannt wurde. Im 16. Jahrhundert war bei der Pfarre noch eine kleine Pergamenturkunde vorhanden, laut der ein Reinpeckh (Reinprecht?) von Aichfels zum Katharinenaltar auf dem Karner einen jährlichen Dienst per 72 Pfennigen von einer Wiese widmete'^). Die Katharinenkapelle wird auch 1476 in der Passauer Diözesanmatrik ge nannt'®). Um 1643 war der Karner, dessen uralte Her kunft auffiel, schon in schlechtei* Verfassung; alle Jahre ging am Allerseeientag eine Prozession dorthin''') 1687 heißt es: „in der Todtencapel ist auf iede(n) Monath ein h. Seelmeß gestüfft von der Seutzisch(en) Freund schaft und sonsten auff burgers heusser(n) aniversaria'®)." Ein Teil der Messen ging zurück auf einen Georg Adam Seitz. Er war Besitzer einer der Kirchen mühlen und 1678—1682 Marktrichter. Sein für die Ge schichte seiner Familie und Stockeraus inhaltsreiches Gedenkbuch kam in der Folge durch einen Nachkom men seines Erben Michael Pampichler nach Leoben und durch Ankauf in den Besitz des k. k. Archives für N. ö. Wien 1., Herrengasse 11. Es scheint noch von niemand benützt worden sein. Laut diesem erlegte Seitz 1669 am Vortag von Dreikönig für diese monat lichen Messen 6 Gulden. Sein einziger Sohn Franz Leopold (bei Starzer; Christian Leopold) war von 1676—1680 in der Lehre beim Wiener Maler Matthäus Mannagetta, von dem ein Gemälde den Petrus Alkantara-Altar der Wiener Franziskanerkirche ziert, und starb erst 21 Jahre alt, 1681, nachdem er noch zur Totenkapelle seine silbernen Kandeln auf einen Kelch und ein schwarzes Meßkleid mit einem weißen Strei fen vermacht hatte'®). 1695 erscheint in der Kirchen rechnung ein Ausgabeposten von 124 Gulden für das Bauholz „wegen reparierung der Totenkapellen." Im selben Jahr kamen neue Stühle und ein 156 Pfund schweres Glöckl in sie"). Über Bauarbeiten an der Kirche selber hören wir, wie sonst bei anderen Kirchen, wenig. Um 1438 soll solche der damalige Richter Michael Silberchmoll vor genommen haben. Der war Müller auf der gleichen Kirchenmühle, auf der später Seitz, Vater und Sohn, und nach diesen die Pampichler gesessen hatten. Sil berchmoll stiftete mit seiner Gattin Wentel (Wandula) 1438 ein tägliches Salve Regina nach der Vesper (Nachmittagsandacht), wozu sein nächster Verwandter Hans Mautter für sich und seinem minderjährigen Bruder Philipp die Zustimmung gab'®). Philipp Maut ter ließ sich 1440 an der Wiener Universität als Hörer eintragen, wobei er die Taxe per 4 Groschen erlegte^®), und wurde 1451 Professor der Rhetorik^'). Auf unse ren Silberchmoll geht sicher zurück der ölberg auf der südseitigen Außenwand der Kirche, der vor Jah ren durch die Munifizenz der Stadtgemeinde vom garstigen ölanstrich befreit und erneuert werden konnte. Im linken Eck der schönen Plastik zeigt das Stifterwappen ein Mühlrad und herum die Buchsta ben J. M. S. C. S. Wir dürfen sie wohl deuten als J(udex) M(ichael) S(ilberchmoll) C(oramunitatis) S(tokkeraviensis) Richter Michael Silberchmoll (der) Ge mein Stockerau. Im Testamentenbuch der Stadt Kor neuburg lesen vfir, daß 1455 Margaretha, Witwe nach Göring (Georg) dem Ungar von Korneuburg, „zu dem Paw" in Stockerau 5 Pfund vermachte. Der Um- oder Neubau war 1456 noch nicht zu Ende^S); beim Ab bruch der alten Kirche fand sich an dem Kirchenturm, der auf dem Gewölbe des Gotteshauses aufsaß"-'®) und um 1629 als repariert, aber um 1643 als dem Ein sturz nahe bezeichnet wurde, die Jahreszahl 1465. Eine Reihe von Vermächtnissen bezeugen die Anhänglich keit zur Kirche St. Stephan. 1476 vermacht ihr ein Fleischhauer Cristan sein Haus im Markte Stockerau, 1500 Wolfgang Herrant aus Stockerau 3 Pfund „zu der tafel sännet Steffan (Bild oder Schnitzwerk auf dem Hochaltar), im gleichen Jahr Niklas Fleyshacker, auch von Stockerau. der Kirche 10 Pfund, dem Pfarrer 8 und zu Unser Lieben Frau (ein Altar) ein zwiefaches Schleierl (wohl für eine Madonnenstatue) und 1506 Barbara Hueber zur Kirche 3 Pfund^'). 1514 klagte der Pfarrer, daß ihm der Besitzer von Sierndorf, Wil helm von Zelking, durch einen Teich seine Wiese in Hatzenbach ausgetränkt und verdorben habe'-'®). 1521 soll Pfarrer Leonhard Stiborius an einer Kommission 15

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