Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

durch das Ableben des bisherigen Abtes notwendigen Wahl am 19. April 1876 der fast einhellige Vertrauens entscheid auf ihn fiel, da er von 79 Stimmen 77 auf sich zu vereinigen vermochte®®). Nach dem sich bisher auf das Allernötigste be schränkenden Überblick über Gangibauers Lebenslauf sei auch jetzt keine eingehende Darstellung der doch mehr, ja vor allem das Stift Kremsmünster betref fenden Leistungen oder gar eine Würdigung seiner Persönlichkeit als 69. Inhaber der Tassilostiftung geboten, sondern nur einiges aus seiner fünfjährigen Abtsperiode erwähnt. So wurde der neue Abt, gleich seinem Vorgänger, von der oberösterreichischen Landwirtschaftsgesell schaft zum Präsidenten gewählt und am 19. Dezem ber 1877 vom Kaiser ins österreichische hohe Herren haus, „die Pairskammer des Reiches", berufen und erhielt darin nach einigem Hin und Her den Platz Nr. 100 zugewiesen®^). Führten ihn daraus ex-wachsende Verpflichtungen auch öfter außer Haus, so widmete er sich doch mit gewohnter Gewissenhaftigkeit den verwickelten Verwaltungsgeschäften, wovon ihm die mit Gesetz vom 7. Mai 1874 neu eingeführte Religionsfondssteuer®'^) besondere Sorgen bereiten mußte, da sie, wie die übrigen Stifte auch sein Kloster hart traf. Dar nach hatten, „behufs Bedeckung der Bedürfnisse des katholischen Ritus, insbesondere zur Aufbesserung des bisherigen normalmäßigen Einkommens der Seelsorgsgeistlichkeit, die Inhaber kirchlicher Pfründen und die regulären Kommunitäten" (also Klöster) genau nach dem Realbesitz von der politischen Landesbehörde be messene Beiträge abzuliefern, die bei 10.000 fl Yi^k aus machten und, sich steigei-nd, bei über 90.000 fl 10% betrugen. Die Durchführung dieses Gesetzes lt. Ver ordnung des Ministers für Kultus und Unterricht und des Finanzministers vom 25. März 1875®®) fiel somit in seine Abtsperiode. Dessen ungeachtet konnten doch die unter Prälat Reslhuber begonnenen kostspieligen Renovierungen an der Stiftskirche und an stiftlichen Räumlichkeiten abgeschlossen, die Weiterfühnmg des neugotischen Kirchenbaues in der nahen, dem Stifte inkorporierten Pfarre Bad Hall gesichert werden. Gelang auch nicht aus finanziellen Schwierigkeiten die dringliche Modernisierung des Gymnasiumstraktes, so soll doch die Neuadaptierung und Neuaufstellung der für die damalige Zeit sehr beachtlichen Samm lungen und die Anschaffung der meteorologischen Registrierapparate im sog. Mathematischen Turm, jenem charakteristischen Bauwerk Kremsmünsters, nicht übersehen werden®^). Aus den größeren Ereignissen und Festveranstal tungen ragt das schon nach seinem ersten Abtsjahr am 18., 19. und 20. August 1877 begangene Fest zum Gedächtnis an den elfhundertjährigen Bestand des Stif tes deshalb auch in besonderer Weise hervor, weil es mit seinen „entfernteren und näheren" Vorbereitungen trotz der eifrigen und unerläßlichen Mitwirkung der Komitees und des gesamten Konvents auch dem Abt das Seinige abverlangte, wie das dicke Aktenbündel des Stiftsarchivs und die umfangreiche Erinnerungs schrift®®) noch heute ausweisen. Mit den treuen Alt-Kremsmünsterern®®), an der Spitze der vormalige Justizminister Anton Hye, Frei herr von Glunek®'),und Univ.-Prof.Carl Werner®®),und den vielen Freunden des Stiftes und des Gymnasiums kamen natürlich auch Deputationen®®) und zahlreiche hohe und höchste Ehrengäste, Geistliche wie Laien^®), darunter vor allem der Apostolische Nuntius Erz bischof Jacobini und der damalige liberale Minister für Kultus und Unterricht Dr. Karl von Stremayr^®^), dessen Anwesenheit und Teilnahme für Gangibauers einmaligen kirchlichen Aufstieg noch mitbestimmend werden sollte, wie gleich weiter unten ausgeführt wird. Daß dieses Fest nicht bloß äußerlich glanzvoll und befriedigend verlief, sondern auch religiös-kirch lich und für die Klostergemeinschaft richtig familiär^'^) begangen wurde, war zum bedeutenden Teil Abt Cölestin zu danken, „der alles zu ordnen und mit männlichem Takt jene Schwierigkeiten glücklich bei zulegen wußte"*®)". Noch im gleichen Jahr wurde Gangibauer mit dem Konturkreuz des Franz Josef-Ordens mit dem Stern ausgezeichnet, nachdem ihn sein Diözesanbischof Rudigier schon früher zum Geistlichen Rat und nach der Abtwahl zum Konsistorialrat ernannt hatte^^). Daß ihm die über einen Monat (Mai 1880) wäh rende bis dahin einzige Auslandsreise, die er in Begleitung des damaligen Gymnasialdirektors und späteren Abtes Achleuthner und mehrerer österrei chischer Äbte nach Rom und anderen bedeutenden Städten Italiens unternehmen konnte, eine verdiente Entspannung und wertvolle Eindrücke brachte, bedarf keiner besonderen Betonung. Als treuen Sohn des hl. Benedikt von Nursia aber bedeutete es ihm sicher die Erfüllung eines langjährigen Wunsches, daß er im Stammkloster seines Weltordens Monte Cassino das Benediktinerjubiläum mitfeiern und an der für seinen Orden klassischen Stätte von Subiaco weilen durfte^®). Trotz seines hohen Amtes und seiner ehrenvollen Beziehungen, die Stiftsprälaten in damaliger Zeit über ihre Untergebenen hinaushoben, heißt es immer wieder, daß er sich seine Natürlichkeit und Schlicht heit stets bewahrte und er jedermann durch sein un gesucht freundliches Wesen und sein tätiges Wohl wollen anzogt®). Wie er sich auch niemals seiner bäuerlichen Abkunft schämte und zu seinen Verwand ten und zu seinem Heimatdorf hielt, werden noch Briefe und Chronikberichte zeigen. Vorläufig nur zwei Beispiele hierfür. Als ihm auf Grund des Beschlusses vom 24. April 1877 seine Heimatgemeinde Schiedlberg am 26. August die Ehrenmitgliedschaft, d. i. die Ehren bürgerschaft verlieh, wurde in der Urkunde aus drücklich betont, daß dies „wegen seiner außerordent lich treuen Liebe und Anhänglichkeit an seine Pfarr gemeinde" geschehe^'). Noch wird erzählt, daß er bei seinen Ausfahrten hie und da auch auf den väterlichen Bauernhof kam. Traf er dabei seinen Bruder auf dem Acker mitten in der Arbeit, so lud er ihn gleich zum Besteigen der Prälatenkutsche ein und nötigte ihn richtig dazu, wenn dieser, weil barfüßig und be schmutzt, sich seines hohen Bruders nicht für wüi-dig fühlte und glaubte, abwehren zu müssen. Dann hieß die äbtliche Begründung gewöhnlich: „Du bist doch mein Bruder!" Eher nun, als Abt Gangibauer ahnen konnte, sollte seine Wirksamkeit in Kremsmünster beendet werden und ihm das Jahr 1881 die in der Österreich-Ungari schen Monarchie für einen Kleriker höchste Berufung bringen. 11

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