.Warten Sie nicht auf eine Nachrichtaus Rom...!' Das Zweite Vatikanische Konzil und die Medien Von Erich Leitenberger Zweifellos war das Zweite Vatikani sche Konzil eines der großen MedienEreignisse des Jahrhunderts. Das Konzil interessierte die Medien, rund 1.000 Journalisten waren akkreditiert. Über die Medien nahmen Millionen Menschen indirekt am Konzilsgeschehen teil. Die intensive Medienberichterstattung wirkte aber auch aufdas Konzil zurück. Die zum Konzil versammelten Bischöfe nahmen ernst, was ihnen da in der Medienbericht erstattung an Erwartungen, Sorgen und Hoffnungen der „Menschen draußen" entgegenschlug. Und sie lernten allmäh lich, mit den „erstaimlichen Erfindungen" des menschlichen Geistes, die die moder nen Medien darstellen, entsprechend umzugehen. Französische katliolische Journalisten -die Berichterstatter der da maligen ,Jnformations Catholiques Inter nationales" (heute: .JL'Actualite Religieuse") sprachen von einem „entliousiasme communicatif, von einer herz lichen Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit. Man könne alles sagen und über alles sprechen. Die Väter des Konzils waren sich offensichtlich bewußt, daß sie im ,JLicht der Öffentlichkeit" über den Weg der Kirche nachzudenken, zu diskutieren und ZU entscheiden hatten. Das war ein Bruch mit dem altvertrauten Stil der Geheimpo litik, der freilich in der nachkonziliaren Ära manch verlorenes Terrain in den „Sacri Palazzi" wieder zurückerobern sollte. So selbstverständlich, wie es im Rückblick zunächst aussehen mag, wur den die Türen und Fenster im Vatikan den Journalisten aber nicht geöflhet. Otto Hermaim Pesch hat in seiner Analyse des Zweiten Vatikanischen Konzils nachge zeichnet, wie mühsam die Annähemng an die Medienwelt verlief. So war zwar von Anfang an klar, daß man ein ,J'ressebüro" haben wollte, jedoch: „Eine Institution, die alles Wichtige stets hinter verschlos senen Türen zu beraten und zu entsclieiden gewohnt ist und bestenfalls das Mittel der gezielten Indiskretion einzusetzen weiß, hatte natürlich überhaupt keine Erfalunng und (Jbung im Umgang mit einer frei fragenden Presse"(Pesch). Pericle Felici, Generalsekretär der Vorbereilungskommissionen und später auch Generalsekretär des Konzils, war der Meinung, der Vorgang der Kirchenver sammlung sei eine rein innerkirchliche Angelegenheit, die Öffentliclikeit dürfe sich allenfalls für die Ergebnisse interes sieren. Am 3. Dezember 1960 gab Felici die erste Pressekonferenz, offensichtlich waren vor allem .Jcircheninteme" Jounialisten geladen. Pesch zitiert Felicis Origi nalwortlaut: Die Berichterstattiuig müsse „abgesehen von aller Rlietorik imd jour nalistischen Aufmachung,die nicht ijnmer erforderlich, aber gelegentlich recht nütz lich" sei, im Wesentlichen „bei Fragen des Glaubens und der Sitte exakt" sein und der Lehre der Kirche vollauf entspre chen. Felici weiter: ,4Jie Lücken,die man in der nichtkatholischen Nachrichtenpres se hingehen läßt, können bei der katholi schen Presse nicht geduldet werden...Ehe man eine sensationelle Neuigkeit weiter gibt, muß man feststellen, was an ihr wahr ist...Ich ivünsche,daß sich alle daran halten und ihr Verlangen nach dem Über raschenden und Sensationellen beherr schen. Besser eine Minute später mit einer wahren Nachricht als eine Minute früher mit einer falschen...". Das neuzuerrichlende Pressebüro werde „von 2^it zu Zeit" nützliche und wahre Informationen mitteilen, die ,mach Möglichkeit Ihren Bedürfhissen entspre chen werden", sagte Felici weiter. Ünd ziun Abschluß meinte der spätere Kardi nal: ,Jch erinnere Sie, meine Herren, an das lateinische Sprichwort: Von Freunden verlangt man nur Ehrenliaftes. Dringen Sie nicht in Dinge ein, die für Sie ver schlossen und Ihnen verwehrt sind". Daß man auch anders an die Dinge herangehen und die Journalisten - auch aus guten „theologischen" Gründen - als Partner emstnehmen konnte, zeigte eine Ansprache Kardinal Dr. Franz Königs vor der ,Arbeitsgemeinschaft katholischer Journalisten der Erzdiözese Wien"am 30. Jänner 1961. Wörtlich stellte Kardinal König damals fest: ,JDas Konzil scheint nach außen hin eine Sache des Papstes und der Bischöfe zu sein; in Wirklichkeit ist es eine Angelegenheit der gesamten katholischen Kirche, das heißt aller Gläubigen. Daß es dies wird und daß es von den Gläubigen, den Christen, als solches empfunden wird,auch von denen, die keine theologischen Zeitschriften lesen, wird in einem selir wesentlichen Maß von den katholischen Joumalisten abhängen. Ich denke dabei gerade an diejenigen, die nicht in der katholischen, in der kirchlichen Presse tätig sind. Katholischer Journalist ist man überall, bei welcher Zeitung auch immer Sie ar beiten...Die Funktion des katholischen Journalisten ist es, das öffentliche Gewis sen, nicht zuletzt auch das mahnende Gewissen der Katholiken zu sein". Und an den Schluß seiner Ausfülinmgen stellte der Kardinal eine Formulie rung, die immer wieder zitiert wird und die auch außerhalb von Konzils-Zeiten etwas wie eine ,JvIagna Charta" für das Verhältnis von lürchen- und Medienleu ten sein könnte: „Wenn Sie etwas über das Konzil zu sagen haben, dann warten Sie nicht auf den Bischof, nicht auf eine Nacliricht aus Rom. Mahnen Sie, wo Sie glauben, mahnen zu müssen, drängen Sie, wo Sie glauben, drängen zu müssen, in formieren Sie, wo immer sich eine Gelegenlieit bietet, die Welt und die Katlioli ken Uber das Konzil zu infonnieren. Wenn Sie die Sache des Konzils zu der Ihren machen, dann erst wird das Konzil zum Anliegen der Kirche und der ganzen Chri stenheil. Berichten Sie aber auch über al les, was das Volk und was die Gläubigen vom Konzil erwarten. Dann wird das, was als HofDiung begaim, nicht eine Enttäu schung, sondern eine große Erfüllung werden". Im weiteren Verlauf des Jahres 1961 war durchaus nicht von vornherein klar, welche Linie sich nun durchsetzen würde: die Linie Felici oder die Linie König. Aber am 24. Oktober 1961 -noch vor der formellen Einberufung des Konzils-hielt darm Papst Johannes XXIII. eine große Rede vor der Vereinigung der römischen Auslandskorrespondenten („Stampa Estera"), in der er sein Verständnis für die öffentliche Meinung und die Probleme der Joumalisten bekundete und einen Ausbau des Pressebüros zusagte. Die Folge war ein überaus positiver Stimmungsum schwung bei den Joumalisten, denen zunächst durch Felicis herablassende Bemerkimgen das Konzil in die falsche Kehle gekommen war. Freilich; Otto Hermann Pesch merkt an, daß es auch weiterhin - trotz aller Verbesserungen - ständig ,3iaperte" und den Joumalisten oft nichts anderes übrig blieb, als sich „ihren" Bischof und/oder Konzils-Peritus „warmzuhalten", um an substantielle ,J4ews"zu kommen. „InterMiriflca" Als das Konzil tagte, hatte das Femse hen gerade seinen weltweiten Siegeszug absolviert. Die Bedeutung der Medien war damit noch einmal exponentiell ge wachsen. Daß den Vätern des Konzils diese Talsache bewußt war, läßt sich daraus ablesen, daß das Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel „Inter Miriflca" zu den am frühesten diskutier ten und verabschiedeten Dokumenten der großen Kirchenversammlung gehörte. 1.960 Väter votierten bei der feierlichen Schlußabstimmung am 4. Dezember 1963 (es war die 3. Öffentliche Sitzung) mit Ja, 164 mit Nein. Das Dekret begiimt zwar mit der op timistischen Fonnulierung: „Unter den erstaunlichen Erfmdungen der Technik, welche die menschliche Geisteskraft gerade in unserer Zeit mit Gottes Hilfe aus der Schöpfung entwickelt hat, richtet sich die besondere Aufmerksamkeit der Kirche auf jene, die sich unmittelbar an den Menschen selbst wenden und neue Wege erschlossen haben, um Naclirichten jeder Art, Gedanken und Weisungen leicht mitzuteilen". Trotz dieses fast enthusiastischen Auf takts hatte und hat „ItJter Mitiflca" eine „schlechte Presse". Daß dieses relativ kurze (nur 2.225 Worte umfassende) Konzilsdelaet bereits in der Beratung umstritten war, läßt sich daraus ablesen, wie stark sich die Oppo sition noch bei der vorletzten Abstimmung zeigte: 1.598 Ja standen immerhin 503 15
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